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Smart Storage: Der Wettlauf der Logistik-Roboter

Smart Storage: Warehouse Robots - Logistik Roboter in der Fabrik bzw. im Lager

Smart Storage: Warehouse Robots – Logistik Roboter in der Fabrik bzw. im Lager – Phonlamai Photo|Shutterstock.com

Die Optimierung der eigenen Lagerlogistik gehört nicht nur im Versandhandel fĂŒr die meisten Unternehmen zum KerngeschĂ€ft – und dabei gleichzeitig meist ebenfalls zu den grĂ¶ĂŸten Kostenfaktoren. Aufgrund seiner KomplexitĂ€t sind Verbesserungen in diesem Bereich mit die schwierigsten und oft auch kostenintensivsten Aufgaben, denen sich die Unternehmen stellen mĂŒssen. Um die AblĂ€ufe auf Effizienz zu trimmen ist eine Automatisierung des Lagers mithilfe automatischer Materialfluss- und Fördersysteme, bei denen die Waren in modernsten Regallagern untergebracht werden, eine Option.

Wie allerdings kommt die Ware von dort aus zur Pick-Station?

Oftmals werden an dieser Stelle Lagerarbeiter eingesetzt, die mit mobilen Scannern auf die Reise geschickt werden, um die Artikel fĂŒr die Kommissionierung einzusammeln. Eine Lösung, die neben hohen Personalkosten EinschrĂ€nkungen hinsichtlich der zeitlichen FlexibilitĂ€t (Stichwort Rund-um-die-Uhr-Kommissionierung) und trotz Einsatzes modernster Scannertechnik Nachteile bei der Pickgenauigkeit nach sich zieht.

Intralogistkanbieter haben darĂŒber hinaus Lösungen entwickelt, um die Pickraten und damit die Kommissionierungsgeschwindigkeit zu erhöhen. So setzen sie bei den Versandlogistikern auf den Einsatz horizontaler Karusselllager. Diese transportieren die benötigten Artikel direkt zum Kommissionierungsort. Durch die automatisch gesteuerte Bereitstellung der Produkte am Arbeitsplatz können sich die Mitarbeiter auf weitere TĂ€tigkeiten, wie beispielsweise die Verpackung der Waren konzentrieren, was bereits zu einer höheren Geschwindigkeit und Genauigkeit fĂŒhrt. DarĂŒber hinaus bleibt den Lagermitarbeitern der langwierige Gang zu den verstreut liegenden Waren erspart, was die Laufwege verkĂŒrzt und dazu auch die Ergonomie am Arbeitsplatz erhöht.

SelbstverstĂ€ndlich macht die technische Entwicklung an dieser Stelle nicht halt, sondern schreitet permanent fort. So sind bereits mehrere Systeme auf dem Markt, welche eine dynamische Lagerhaltung und Kommissionierung mithilfe autonomer Kleinroboter-Systeme ermöglichen, die die anfallenden Arbeiten ressourcenschonend ĂŒbernehmen.

Kiva-Robotics – der Vorreiter

Vorreiter auf dem Gebiet ist das US-Unternehmen Kiva, welches im Jahr 2003 gegrĂŒndet wurde und aufgrund seiner bahnbrechenden Neuentwicklung in der US-Logistikbranche schnell auf sich aufmerksam machte; kam ihre Version doch gĂ€nzlich ohne FörderbĂ€nder, automatisierte Hochregallager oder neuartige Transportwagen aus, sondern konzentrierte sich auf kleine, autonom agierende Roboter, welche durch das Lager rollten und an jeder Stelle Kleinregale aufnahmen, um diese zu den PackplĂ€tzen zu transportieren. Nach Entnahme der Artikel ging es fĂŒr die Regale automatisch wieder zurĂŒck und der Roboter suchte sich sein nĂ€chstes Ziel.

Statt also Lagermitarbeiter samt ihren Picklisten oder mobilen Scannern loszuschicken, ĂŒbernahm diese Aufgabe der kleine, orangefarbene Roboter, der mit Hilfe seiner integrierten Hebetechnik das gesamte (Klein)regal transportierte, in welchem sich die benötigte Ware befand. Anstatt den einzelnen Artikel aufzunehmen, wird einfach das gesamte Regal genommen und an die entsprechende Stelle transportiert. Somit befindet sich das Lager quasi permanent in Bewegung, wĂ€hrend den fix an den PickplĂ€tzen postierten Lagerarbeitern die Aufgabe zukommt, den herbeigeschafften Regalen bloß noch die benötigten Produkte zu entnehmen.

Wie ĂŒberall im Zeitalter elektronisch gesteuerter Lagerlogistiksysteme liegt die Kunst in der Software des Gesamtsystems, welche die Roboter zur richtigen Zeit an den richtigen Ort lenkt. Es ist augenscheinlich kein leichtes Unterfangen, beim Einsatz von Hunderten von Robotern in Lagern, die bis zu mehreren tausend Regale fassen, den drohenden Stau zu vermeiden. Und es ist eben jene annĂ€hernd unbegrenzte Skalierbarkeit und FlexibilitĂ€t, die dieses System fĂŒr Anwender so interessant macht.

Neben ausreichend Strom und der Investition in die passenden Roboter und Regale sowie ebene FlĂ€chen benötigt die Kiva-Lösung kaum weitere Voraussetzungen. Im Gegenteil, fallen dafĂŒr doch zahlreiche, heutzutage beim Einsatz von Lagerarbeitern unverzichtbare Faktoren weg. So mĂŒssen die genutzten LagerflĂ€chen nicht beleuchtet oder beheizt werden; arbeitet der Roboter doch auch bei völliger Dunkelheit und weit unterhalb jeglicher, aus arbeitsrechtlichen GrĂŒnden vorgeschriebener Temperatur. Außer zur Entnahme und Kommissionierung ist menschliche Arbeitskraft hier nicht mehr notwendig; was gleichbedeutend mit der Reduzierung der physikalischen BeschrĂ€nkungen alleinig auf die Akku-Laufzeit der Roboter ist. Gesetzlich vorgeschriebene Arbeits- und Pausenzeiten sowie Faktoren wie ErmĂŒdung oder Ablenkung fallen beim Lagervorgang kaum mehr ins Gewicht. Laut Kiva steigert das System die ProduktivitĂ€t der Lagermitarbeiter um das Drei- bis Vierfache.

All diese Vorteile sind sicher ein Grund dafĂŒr, dass das Kiva System bereits bei vielen der top US-VersandhĂ€ndler im Einsatz ist. FĂŒr einen, den mit Abstand grĂ¶ĂŸten von ihnen – Amazon – war das Unternehmenskonzept derart interessant, dass es die Firma 2012, kurz nach Vorstellung der Technik auf dem deutschen Markt, erwarb.

Nach dem Kauf von Kiva hat Amazon die Produktion stark angezogen, denn allein der eigene Roboterbedarf – SchĂ€tzungsweise 18.000 StĂŒck fĂŒr die weltweiten Amazon-Lager – ist etwa dreimal höher als die Gesamtproduktion der Firma seit ihrer GrĂŒndung. Der Verkauf des Systems an interessierte Dritte wird somit zunĂ€chst zurĂŒckstehen mĂŒssen.

Und was tut sich in Deutschland?

Inzwischen gibt es auch eine Reihe deutsche Maschinenbauer, die an einer vergleichbaren Lösung arbeiten. Einer der Vorreiter ist hier die Firma Grenzebach, die mit ihrem neuentwickelten System G-Com nach eigener Aussage den Kommissionierungsaufwand um bis zu 70 Prozent reduzieren kann.

Auch die G-Com-Lösung des bayerischen Maschinenbauers basiert auf mobilen, wendigen Robotern – den sogenannten Carrys – die selbststĂ€ndig durch die Lagerhalle manövrieren. Da sich die Motoren der kleinen Roboter per Induktion aufladen, können diese durchgĂ€ngig operieren, wodurch Zeitverluste durch Verweildauern an den Ladestationen entfallen. Gesteuert durch die von Grenzebach entwickelte Software, fahren die Carrys zu den vorgesehenen Regalen, heben diese an und bewegen die Waren zu den ergonomisch und flexibel konfigurierbaren Pick-Stationen, an denen die Lagerarbeiter die Artikel entnehmen und fĂŒr den Versand vorbereiten. Dabei sind die Regale von ihrer Aufteilung her vollkommen variabel konstruiert und können von daher Artikel unterschiedlichster Abmessungen und Gewichte lagern. Folglich eignen sie sich hervorragend fĂŒr die Lagerung heterogener Produkte und fĂŒr Anbieter, die mit einem breiten Sortiment operieren.

Doch die Automatisierung hat auch andere Vorteile: MĂŒssen Lagerarbeiter bei herkömmlichen Systemen oft 15 oder gar 18 Kilometer am Tag zurĂŒcklegen, so können sie bei den Roboter-Lösungen ohne große körperliche Belastung stationĂ€r an den Pickstationen verbleiben, wodurch das Ware-zur-Person-System die Wegezeiten der BeschĂ€ftigten eklatant reduziert. Grenzebach zufolge vermindert sich die Pickzeit gegenĂŒber herkömmlichen Lösungen um etwa 55 %. Hinzu kommen etwa 15 % der Orientierungs- und Suchzeit am Regal, was zu der Effizienzsteigerung von 70 % fĂŒhrt. Dadurch, dass nur noch der reine Pick- und Ablagevorgang der Artikel manuell gehandhabt wird, werden die Personalkosten signifikant reduziert. Dazu kommt, dass sich aufgrund der Vereinfachung der AblĂ€ufe die Einarbeitungszeit der BeschĂ€ftigten auf nur noch ein bis zwei Tage verringert.

Auch bei G-Com muss der Lagerbereich nicht mehr beleuchtet, belĂŒftet oder beheizt werden. Hier muss allein der Bereich der PickplĂ€tze den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden; was in der Regel nur etwa 10 % des gesamten Lagerbereiches betrifft und folglich zu deutlichen Einsparungen beim Energieverbrauch fĂŒhrt.

FĂŒr die Steuerung der Carrys werden keine Induktionsschleifen benötigt, was die Anwendung extrem flexibel einsetzbar macht und darĂŒber hinaus UmzĂŒge der Lagersysteme kostengĂŒnstig und unkompliziert gestalten dĂŒrfte.

Der deutsche Anlagenbauer Eisenmann stellt Kiva und G-Com sein auf einem Doppelkufensystem operierendes, gerade mal 60 kg schweres Flurfördermittel Logimover entgegen. Ausgestattet mit einem leistungsstarken Lithium-Ionen-Batteriekonzept befördert das fahrerlose und extrem wendige GefĂ€hrt auf kleinstem Raum Lasten von bis zu einer Tonne mit einer Geschwindigkeit von einem Meter in der Sekunde und hilft so, AblĂ€ufe in der Transport- und Lagerlogistik zu optimieren. Der fahrende Roboter besteht aus zwei parallel operierenden Kufen, welche selbstĂ€ndig unter Norm-Paletten manövrieren, diese anheben und ĂŒber ein optisches SpurfĂŒhrungssystem bis an ein definiertes Ziel befördern. FĂŒr die Synchronisation der beiden unabhĂ€ngigen Kufen sorgt eine ausgeklĂŒgelte Software, die den gesamten Weg des GefĂ€hrts ĂŒberwacht und steuert.

Laut Aussage des Unternehmens ist der Logimover fĂŒr vielfĂ€ltige Aufgaben in der Intralogistik, von der Materialbereitstellung fĂŒr Maschinen, ĂŒber die Ein- und Auslagerung von Waren jeder Art bis hin zu komplexen Kommissionieraufgaben geeignet. Das Kufen-Konzept sowie das innovative Steuerungs- und Antriebssystem des Logimovers sind inzwischen patentrechtlich in Europa geschĂŒtzt.

Einen zusĂ€tzlichen Schritt ging Neobotix: Mit dem MT-400 prĂ€sentierte die Firma auf der Automatica 2014 einen weiteren autonomen mobilen Roboter, welcher als kostengĂŒnstiges, hoch flexibles Transportsystem entwickelt wurde. Dank seines kompakten Aufbaus kann sich der MT-400 auch durch sehr schmale GĂ€nge bewegen, in denen weder Bodenmarkierungen noch andere Installationen zwecks Orientierung des GefĂ€hrts notwendig sind. Stattdessen verlĂ€sst sich das Navigationssystem auf die Informationen eines installierten Laserscanners, der es dem Roboter ermöglicht, Hindernisse selbststĂ€ndig zu umfahren und auf unvorhersehbare Situationen zu reagieren.

Ein sich selbst steuernder, denkender Lagerroboter? Von hier aus erscheint der Schritt zu einer autonom agierenden Gesamtlösung, die den Einsatz des Menschen im Lager irgendwann vollkommen ĂŒberflĂŒssig macht, nicht mehr weit.

Logistik-Roboter? Wer braucht sowas?

Bei all ihren individuellen Unterschieden sind die Systeme von Kiva und den deutschen Anbietern aufgrund ihrer hohen Automatisierung und FlexibilitĂ€t speziell auf die BedĂŒrfnisse des rasant wachsenden E-Commerce- und Multi-Channel-Marktes ausgerichtet.

DafĂŒr sprechen vor allem folgende GrĂŒnde:

Optimales Handling breiter Sortimentspaletten

Die mobilen Helfer eignen sich aufgrund ihrer flexiblen und skalierbaren Bauart in erster Linie fĂŒr Lager- und Kommissionierbetriebe, die aus einem breiten Sortiment eine Vielzahl unterschiedlicher Sendungen zusammenstellen. Von daher sind sie geradezu prĂ€destiniert fĂŒr Logistiklösungen von Unternehmen des Versand- und Multi-Channel-Handels sowie Fulfillment-Dienstleister, die in der E-Commerce-Branche aktiv sind. Hier können sie ihre Effizienzvorteile ausspielen und den stĂ€ndig steigenden Anforderungen der HĂ€ndler an immer kĂŒrzere Auslieferungszeiten und bei dauerhaften Kostenreduzierungen gerecht werden.

Flexibler Einsatz

Mit den vorgestellten Systemen ist nahezu jeder Artikel lagerfĂ€hig, sofern er nicht die maximalen Abmessungen ihrer Chassis ĂŒberschreitet. Auch können die Regale je nach Bedarf mit Wannen, Schubladen, HĂ€ngestangen etc. ausgestattet werden und passen sich auf diese Weise flexibel den Sortimentsanforderungen an. So helfen sie, die verfĂŒgbare LagerflĂ€chen effektiver auszunutzen, da jeder Bereich als AbstellflĂ€che fĂŒr die mobilen Regale genutzt werden kann. Aufgrund ihrer geringen AnsprĂŒche hinsichtlich technischer Installationen ist eine problemlose Integration in bestehende LagergebĂ€ude möglich.

Schnelle Bereitstellungszeiten

Durch die sofortige Bereitstellung der Waren an der Pickstation reduziert sich Durchlaufzeit eines Auftrags auf nur noch wenige Minuten. Ein Zeitvorteil, welcher der zunehmend verlangten extrem schnelle Lieferung – Stichworte Next und Same Day-Delivery – Rechnung trĂ€gt.

Fazit

NatĂŒrlich sind dem Einsatz der kleinen Helfer – noch! – Grenzen gesetzt. So werden schnelldrehende Artikel sicher weiterhin am effizientesten auf Paletten in Griffweite der Pickstationen gelagert werden. Auch die Bedienung hochmoderner Lagerliftsysteme, von Hoch- und Karussellregalen oder der Transport sehr schwerer oder großvolumiger Waren kann von Kiva & Co. vorerst nicht ĂŒbernommen werden. So werden sich auf mittlere Sicht vor allem Mischlösungen anbieten, bei denen die unterschiedlichen Systeme nebeneinander und sich gegenseitig ergĂ€nzend betrieben werden. Doch bereits jetzt können die GerĂ€te einen großen Beitrag dazu leisten, die Effizienz der Lagerlogistik bedeutend zu steigern.

 

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