Eine Logistik ohne Menschen?
Die Megatrends Digitalisierung, Automatisierung und Autonomisierung werden zukünftig auch die Abläufe in der Logistik prägen. Immer präzisere Sensoren und leistungsfähigere Software werden dabei Systeme ermöglichen, die in immer mehr Bereichen die Arbeit menschlicher Fachkräfte erledigen. Der Schritt zu einem Lager ohne Menschen?
Nicht ganz unwahrscheinlich, denn die Entwicklung ist bereits weit fortgeschritten. Für viele Menschen sind Roboter aus dem Alltag gar nicht mehr wegzudenken. So ist der Einsatz von Industrierobotern im produzierenden Gewerbe schon lange Standard. Die Logistik hatte hier bisher noch Nachholbedarf. Dies liegt vor allem daran, dass Roboter mehr oder weniger blind und taub sind. Es mangelt ihnen nicht an Kraft, sondern an den Sinnen des Menschen. Und um im Lager reibungslos zu funktionieren, werden zukünftige Robotergenerationen eben diese Sinne beherrschen müssen.
Noch ist besonders das Greifen von Gegenständen unterschiedlichster Art und Beschaffenheit ein Problem. Trotzdem werden Roboter im Lager immer häufiger eingesetzt. Nach einer Umfrage des Immobilienentwicklers Jones Lang LaSalle unter 200 europäischen Logistik-Experten gaben etwa 50 Prozent an, bereits Automatisierungstechniken im Lager zu nutzen. Von diesen setzten 55 Prozent bereits Roboter ein.
Roboter verändern die Logistik
Und der Markt ist weiter in Bewegung. Dies liegt nicht zuletzt am starken Wachstum der Logistikbranche und dem daraus resultierenden Mangel an Arbeitskräften. Die höhere Leistung von automatisierten Prozessen in puncto Präzision, Geschwindigkeit und Betriebsdauer (Stichwort 24-Stunden-Service) ist ein weiterer Grund für den Trend zum Roboter.
Keine Frage, bis zum voll automatisierten Warenlager samt automatischer Auslieferung per Drohne oder Roboter bis an die Haustür ist es noch ein weiter Weg. In Ansätzen ist die Entwicklung aber bereits sichtbar. Amazon geht hier wieder mal voran, indem das Unternehmen bereits vor Jahren den Robotik-Hersteller Kiva übernommen hat. Mit diesen Geräten werden die Waren automatisch zu den Kommissionierplätzen befördert, was dem Personal die Laufwege erspart. Inzwischen sollen 13.000 der Einheiten in Amazons Versandzentren unterwegs sein.
Pick-Roboter übernehmen den Job von Lagerarbeitern
Neben Amazons Kiva-System gibt es eine ganze Reihe weiterer Entwicklungen, die den Einsatzbereich von Robotern in der Intralogistik immer weiter ausdehnen:
Fetch und Freight
Eine Pick-Kombi aus zwei Robotern (genannt Fetch und Freight) hat Fetch Robotics entwickelt. Das Duo erledigt seine Aufträge selbstständig und steuert auf seinen Rollen autonom durchs Lager. Am Regal entnimmt das Modell Fetch mit seinem ausfahrbaren Greifarm den gewünschten Artikel. Sein Partner Freight ist mit einem Korb ausgerüstet, in den die Ware gelegt wird. Ist der Korb gefüllt oder der Auftrag fertig bearbeitet, transportiert er die Ware zu einer Kommissionierstation.
Toru und Kado
Einen weiterführenden Ansatz verfolgt Magazino mit seinem Transportroboter Toru. Ähnlich wie Fetch navigiert es selbstständig durch die Reihen und arbeitet Picklisten ab, um die Ware nach Beendigung des Auftrags zur Kommissionierstation zu bringen.
Dort, wo normalerweise ein Lagerarbeiter wartet, um die angelieferten Artikel versandfähig zu machen, kann ein weiterer, von Magazino entwickelter Roboter zum Einsatz kommen. Dieser, Kado genannt, entspricht einer Kommissionierstation, was bedeutet, dass er die angelieferten Waren mittels Scanner und Kamera annimmt, sie identifiziert und sodann für den Versand oder die nächste Produktionsstufe vorbereitet.
Der kombinierte Einsatz beider Geräte könnte es künftig ermöglichen, ein herkömmliches Fachbodenregallager ganz ohne menschliche Arbeitskraft zu bewirtschaften. Aber nicht nur dort macht der Einsatz der elektronischen Helfer Sinn: Auch automatische Kleinteilelager, Shuttlesysteme oder Paternosterlager können von dem Einsatz der Kommissionierstation profitieren. Denn auch bei diesen Bereitstellungssystemen lässt sich der Kado anstelle der sonst üblichen Packstation an der Entnahmeöffnung integrieren – also genau dort, wo bisher der Lagerarbeiter steht.
Baxter
Der Baxter, eine Roboterlösung von Rethink Solutions wurde speziell für die sichere Zusammenarbeit mit Menschen entworfen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Industrierobotern gehört der Baxter zu der Generation kooperativer Roboter (KOBOTs), die in enger Zusammenarbeit mit dem Menschen interagieren. Mit Hilfe seiner Sensoren und Kameratechnologie scannt er permanent seine Umgebung und verlangsamt das Tempo, sobald Menschen in der Nähe sind.
Zudem nutzt er seine Kameraaugen, um Gegenstände zu identifizieren und zu greifen. Dank genauer Kraftsensoren und nachgiebiger Arme fügt sich Baxter gut in unterschiedlichste Umgebungen ein. Das kollaborative System lässt sich so flexibel an eine breite Palette von Anwendungen anpassen: er kann Behälter an der Kommissionierstation stapeln oder Co-Packing-Aufgaben, wie beispielsweise die Befüllung von Kartons mit Ware, erledigen.
Exoskelette: Mittelweg zwischen Mensch und Maschine
Neben dem Einsatz reiner Roboter gibt es eine Zwischenlösung: Exoskelette, die den Menschen bei seiner Tätigkeit mechanisch unterstützen und entlasten. Das Fraunhofer Institut hat ein derartiges Skelett entwickelt, das sich für den Einsatz in der Logistik eignet.
Zwar gibt es bereits am Körper getragene Stützstrukturen. Diese sind bisher jedoch relativ schwer und schränken die Bewegungsfreiheit des Trägers ein. Genau dort setzt das Fraunhofer Institut an. Dafür werden in dem Apparat Antriebsmodule an Ellenbogen und Schultern des Trägers integriert. Diese lassen auch schnelle und intuitive Bewegungen zu und ermöglichen es dem Nutzer, sich frei zu bewegen.
Darüber hinaus entlastet eine externe Wirbelsäule den Rücken des Trägers. Stattdessen federt sie die Tragkräfte auf die Hüfte oder den Boden ab und erlaubt so eine ergonomische Arbeitshaltung. Drucksensoren im Handschuh dienen der Gewichtsermittlung und bestimmen damit den Krafteinsatz des Geräts. Nach Aussage des Instituts geht das Projekt in diesem Jahr in die Praxiserprobung und könnte in etwa vier Jahren marktreif sein.
FAZIT
Nach Meinung von Experten wird der zunehmende Einsatz von Robotern in der Intralogistik die Produktivität enorm erhöhen. Dazu kommt, dass er die Standortstrategie von Logistikunternehmen beeinflussen wird, da der Faktor Lohnkosten stark an Bedeutung verlieren wird.
Es scheint also nicht mehr eine Frage des ‚ob‘, sondern bloß noch des ‚wann‘ zu sein, bis sich die Robotik flächendeckend in der Logistik durchsetzen wird.
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