Neuer Pakt gegen China-Dominanz? Warum das EU-Handelsabkommen mit Indonesien strategisch so wichtig ist
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Veröffentlicht am: 25. September 2025 / Update vom: 25. September 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein

Neuer Pakt gegen China-Dominanz? Warum das EU-Handelsabkommen mit Indonesien strategisch so wichtig ist – Bild: Xpert.Digital
Palmöl, Zölle, E-Autos: Die 5 wichtigsten Fakten zum Milliarden-Deal zwischen EU und Indonesien
### EU-Deal sichert Nickel für E-Autos ### Ein Deal mit zwei Gesichtern: Wie die EU für Rohstoffe über Umweltbedenken hinwegsieht ### Milliarden-Einsparungen für die Wirtschaft: Diese Branchen profitieren vom neuen Indonesien-Abkommen ###
Was ist der historische Hintergrund der Handelsverhandlungen zwischen der EU und Indonesien?
Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Indonesien über ein umfassendes Wirtschaftspartnerschaftsabkommen haben eine lange Geschichte. Bereits 2007 nahm die Europäische Kommission mit dem südostasiatischen Staatenbund ASEAN, zu dem Indonesien als größte Volkswirtschaft gehört, Verhandlungen über ein regionales Handels- und Investitionsabkommen auf. Diese Verhandlungen wurden jedoch 2009 im gegenseitigen Einvernehmen unterbrochen, um einem bilateralen Verhandlungsformat Platz zu machen.
Der Durchbruch kam erst Jahre später. Im Juli 2025 erzielten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der indonesische Präsident Prabowo Subianto eine Grundsatzvereinbarung. Diese bildete die Basis für das Comprehensive Economic Partnership Agreement (CEPA), das schließlich am 23. September 2025 auf der Insel Bali von EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič und dem indonesischen Wirtschaftsminister Airlangga Hartarto unterzeichnet wurde.
Die neunjährige Verhandlungszeit spiegelte die Komplexität der Verhandlungen wider, insbesondere bei strittigen Punkten wie Indonesiens Exportverbot für Rohstoffe und Umweltschutzbedenken bezüglich der Palmölproduktion. Der von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Handelskonflikt verstärkte jedoch den Druck auf beide Seiten, zu einer zügigen Einigung zu kommen.
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Welche konkreten Zollsenkungen und Handelsvorteile entstehen durch das Abkommen?
Das Handelsabkommen schafft eine umfassende Freihandelszone mit über 700 Millionen Verbrauchern und bringt erhebliche Zollsenkungen mit sich. Die EU wird die Einfuhrzölle auf 98,5 Prozent der nach Indonesien exportierten EU-Waren abschaffen. Diese weitreichende Zollbefreiung führt zu jährlichen Einsparungen von rund 600 Millionen Euro für EU-Exporteure.
Besonders bedeutsam ist die schrittweise Abschaffung der indonesischen Autozölle, die bislang bei 50 Prozent lagen und über die kommenden fünf Jahre auslaufen sollen. Dies eröffnet europäischen Automobilherstellern neue Möglichkeiten für Ausfuhren und Investitionen in Elektrofahrzeuge. Auch Zölle auf Maschinenteile, Chemikalien und Medikamente werden wegfallen.
Im Agrarsektor profitieren EU-Landwirte und Lebensmittelhersteller von der Abschaffung der Zölle auf eine Vielzahl von Produkten. Indonesien erklärt sich bereit, Zölle auf Milchprodukte, Fleisch, Käse, Schokolade und Backwaren abzuschaffen. Gleichzeitig hebt die EU die meisten Zölle auf Agrarprodukte aus Indonesien auf, wodurch besonders die indonesischen Exportindustrien für Palmöl, Textilien und Schuhe profitieren.
Etwa 80 Prozent der indonesischen Exportwaren könnten von Importzöllen in den europäischen Markt befreit werden. Für EU-Unternehmen werden zudem Verfahren für Warenausfuhren nach Indonesien erheblich vereinfacht, und die Erbringung von Dienstleistungen in Schlüsselsektoren wie IT und Telekommunikation wird ermöglicht.
Warum sind kritische Rohstoffe für die EU so wichtig und welche Rolle spielt Indonesien dabei?
Die Sicherung des Zugangs zu kritischen Rohstoffen ist zu einem zentralen strategischen Ziel der EU geworden. Im März 2024 verabschiedete die EU den Critical Raw Materials Act (CRMA), der ehrgeizige Benchmarks für die Rohstoffversorgung vorsieht. Bis 2030 soll der Bedarf an strategischen Rohstoffen zu mindestens 10 Prozent in der EU gefördert, zu mindestens 40 Prozent in der EU weiterverarbeitet und zu mindestens 25 Prozent aus der europäischen Kreislaufwirtschaft kommen. Zudem soll die EU von keinem Drittland zu mehr als 65 Prozent abhängig sein.
Indonesien spielt in dieser Strategie eine Schlüsselrolle, da das Land über die weltweit größten Nickelreserven verfügt. Nickel ist ein kritischer Rohstoff für die Herstellung von Batterien für Elektroautos und damit zentral für Europas saubere Technologien und die Energiewende. Rund ein Drittel der globalen Nickelreserven werden derzeit in Indonesien verortet, insbesondere auf der Insel Sulawesi. Bei der Nickelförderung liegt das Land noch weiter vorn mit einem geschätzten Weltmarktanteil von rund 60 Prozent, der auf bis zu 75 Prozent ansteigen könnte.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, dass das Abkommen der EU “eine stabile und vorhersehbare Versorgung mit kritischen Rohstoffen verschaffe, die für Europas saubere Technologie und die Stahlindustrie von wesentlicher Bedeutung sind”. Dies ist besonders wichtig vor dem Hintergrund der geopolitischen Entwicklungen und des Bestrebens der EU, ihre Rohstoffabhängigkeiten zu diversifizieren.
Welche Herausforderungen entstehen durch Indonesiens Rohstoffexportpolitik?
Indonesien verfolgt eine strategische Politik der Rohstoffveredelung im eigenen Land, die zu erheblichen Spannungen mit Handelspartnern geführt hat. Im Jahr 2020 verhängte die Regierung in Jakarta ein strenges Exportverbot für unverarbeitetes Nickelerz, um den Aufbau einer verarbeitenden Industrie im Land zu erzwingen. Ziel war es, die Rohstoffe des Landes nicht mehr einfach abtransportieren zu lassen, sondern in Indonesien selbst weiterzuverarbeiten, um die Industrialisierung zu fördern und größere Anteile an der Wertschöpfung im Land zu behalten.
Diese Politik war aus indonesischer Sicht ein großer Erfolg. Ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag in US-Dollar ist in die Nickelwertschöpfungskette geflossen. Vor allem chinesische Investoren bauten zahlreiche Nickelschmelzen und Stahlwerke nahe der Abbaugebiete in Sulawesi auf. Dadurch ist Indonesien aus dem Nichts zu einem der weltgrößten Exporteure von Edelstahl avanciert.
Die EU reagierte jedoch mit rechtlichen Schritten auf das Exportverbot. 2022 gewann die EU eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO), die das Ausfuhrverbot für unrechtmäßig erklärte. Indonesien legte jedoch Berufung ein, deren Verhandlung Jahre dauern könnte. Die deutsche Industrie fordert im Rahmen des neuen Handelsabkommens, dass Indonesien sein Exportverbot für Nickel vollständig aufhebt.
Ein weiteres Problem entsteht durch die Dominanz chinesischer Unternehmen in der indonesischen Nickelverarbeitung. Während viele der hunderten Minen in indonesischer Hand sind, kontrollieren chinesische Unternehmen die Weiterverarbeitung. Westliche Automobilhersteller gelangen oft nur in Kooperation mit chinesischen Partnern an indonesisches Nickel.
Wie wirkt sich die geopolitische Lage auf die EU-Handelsstrategie aus?
Die Verschlechterung der geopolitischen Lage hat die EU dazu gedrängt, ihre Handelsstrategie grundlegend zu überdenken. Der Handelskonflikt mit den USA, die Rohstoffabhängigkeit von Russland und anfällige Lieferketten verstärken den Druck zur Diversifizierung. Die EU strebt an, ihre Handelsbeziehungen stärker zu diversifizieren und neue Partnerschaften zu entwickeln.
In diesem Kontext ist das Indonesien-Abkommen Teil einer breiteren Strategie. So erzielte Brüssel nach 25-jährigen Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) eine Einigung über eine große Freihandelszone. Das Abkommen wurde am 6. Dezember 2024 unterzeichnet und könnte die jährlichen EU-Exporte nach Südamerika um bis zu 12 Prozent ankurbeln, was etwa 49 Milliarden Euro entspricht.
Die EU modernisierte auch das Freihandelsabkommen mit Mexiko und sucht neue Wege in den Handelsbeziehungen mit Großbritannien. Im südostasiatischen Raum verfügt die EU bereits über Handelsabkommen mit Singapur und Vietnam. Das Vietnam-Abkommen, das im August 2020 in Kraft trat, führte zu einem Anstieg des bilateralen Handels um 36 Prozent.
Handelskommissar Šefčovič betonte, dass in der heutigen unvorhersehbaren Weltwirtschaft Handelsbeziehungen nicht nur wirtschaftliche Instrumente seien, sondern strategische Vermögenswerte, die Vertrauen, Abstimmung und Widerstandsfähigkeit signalisieren. Die Diversifizierung ist somit kein technisches Detail, sondern ein zentrales Instrument europäischer Resilienzpolitik.
Welche wirtschaftliche Bedeutung hat Indonesien als Handelspartner?
Indonesien ist mit mehr als 281 Millionen Einwohnern die drittgrößte Demokratie der Welt und das bevölkerungsreichste islamische Land. Als G20-Staat und mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 1,4 Billionen US-Dollar steht das Land auf Rang 16 der größten Volkswirtschaften der Welt. Das BIP pro Kopf lag 2024 bei etwa 4.958 US-Dollar und wird laut Prognosen bis 2029 auf 7.519 US-Dollar ansteigen.
Das bilaterale Handelsvolumen zwischen der EU und Indonesien betrug 2024 bereits 27,3 Milliarden Euro. Dabei importierte die EU Güter im Wert von 17,5 Milliarden Euro aus Indonesien, während die Ausfuhren aus der EU 9,7 Milliarden Euro betrugen. Indonesien war damit 2024 der fünftgrößte Handelspartner der EU aus den Reihen des ASEAN-Blocks.
Die wirtschaftliche Dynamik Indonesiens ist beeindruckend. Das Land konnte in den letzten Jahren durchgehend hohe Wachstumsraten von rund fünf bis sechs Prozent erzielen. 2024 lag das reale Wirtschaftswachstum bei 5,0 Prozent. Prognosen gehen davon aus, dass Indonesia bis 2045 zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen könnte.
Deutschland allein hatte 2024 ein Handelsvolumen mit Indonesien von 7,3 Milliarden Euro. Die Wareneinfuhr aus Indonesien nach Deutschland betrug 2023 etwa 2,5 Milliarden US-Dollar, während die Warenausfuhr nach Deutschland 4,6 Milliarden US-Dollar erreichte. Dies zeigt das erhebliche Potenzial für eine Ausweitung der Handelsbeziehungen.
Wie positioniert sich Indonesien strategisch in der ASEAN und im Indopazifik?
Indonesien nimmt eine zentrale Stellung in der südostasiatischen Region ein. Seit 1976 hat die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN ihren ständigen Sitz in der Hauptstadt Jakarta. Jakarta fungiert als inoffizielle “Hauptstadt der ASEAN” und beherbergt das ASEAN-Sekretariat, das seit kurzem ASEAN-Hauptquartier genannt wird.
Die strategische Bedeutung Indonesiens geht weit über Südostasien hinaus. Das Inselreich gilt als mächtigster Akteur in ganz Südostasien und als eines der wichtigsten Länder im gesamten Indopazifik. Diese Position wird durch die geografische Lage als Archipelstaat mit mehr als 17.000 Inseln verstärkt, der wichtige Seewege kontrolliert.
Im Kontext der zunehmenden strategischen Konkurrenz zwischen China und den USA gewinnt Indonesiens Position zusätzlich an Bedeutung. Mehrere Nicht-ASEAN-Länder wie die USA, China und Australien unterhalten zwei Botschafter in Indonesien: einen Botschafter für Indonesien und einen Botschafter für ASEAN. Dies unterstreicht die doppelte Bedeutung des Landes als größte ASEAN-Volkswirtschaft und regionaler strategischer Akteur.
Jakarta plant zudem, auch nach dem Verlust des Hauptstadtstatus durch den Umzug der Regierung nach Nusantara seine internationale Bedeutung zu stärken. Das Gesetz Nr. 2 von 2024 über die Sonderregion Jakarta sieht vor, dass Jakarta zu einer “globalen Stadt” werden soll, die als Zentrum für Handel, Dienstleistungsaktivitäten, Finanzdienstleistungen und nationale, regionale sowie globale Geschäftstätigkeiten fungiert.
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Welche Umweltauswirkungen hat die Palmölproduktion in Indonesien?
Die Palmölproduktion in Indonesien steht im Zentrum erheblicher Umweltdebatten. Indonesien ist mit Malaysia zusammen für 85 Prozent der weltweiten Palmölproduktion verantwortlich. Speziell für Palmöl-Plantagen roden indonesische Unternehmen jährlich große Flächen Regenwald. Zwischen 1990 und 2015 sind laut indonesischem Umweltministerium 24 Millionen Hektar Regenwald zerstört worden – eine Fläche, die fast die Ausdehnung von Großbritannien erreicht.
Die Umweltprobleme sind vielfältig und schwerwiegend. Der Anbau von Ölpalmen geschieht oft auf Kosten von Umwelt und Menschen. Pestizide auf den Palmölplantagen belasten die Böden und gefährden Menschen, die ihnen ausgesetzt sind. Die Abholzung und Brandrodung tropischer Regenwälder setzt CO2 frei und zerstört Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen.
Besonders problematisch ist die Trockenlegung von Moorböden. Ein Großteil der Waldfläche in Indonesien steht auf Moorböden, die für den Ölpalmen-Anbau entwässert werden müssen, wodurch große Mengen CO2 in die Atmosphäre entweichen. Obwohl die Trockenlegung von Mooren in Indonesien seit 2019 verboten ist, ist die Überwachung und Verfolgung solcher Verstöße sehr schwierig.
Im Jahr 2022 wurden 208.000 Hektar Wald zerstört, ein Anstieg von 19 Prozent im Vergleich zu 2021. Damit verlor Indonesien eine Waldfläche, die größer ist als der Großraum London. Die Palmölplantagen bedecken bereits rund 16 Millionen Hektar, und diese Flächen sollen sich weiter ausdehnen.
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Wie adressiert das Handelsabkommen die Nachhaltigkeitsprobleme?
Das neue Handelsabkommen zwischen der EU und Indonesien enthält spezielle Vereinbarungen zur Adressierung der Nachhaltigkeitsprobleme, insbesondere im Bereich der Palmölproduktion. Brüssel setzte sich dafür ein, dass das Abkommen Verweise auf eine Reihe internationaler Abkommen zum Klima- und Umweltschutz enthält. Nach EU-Angaben gibt es eine Sondervereinbarung für eine nachhaltigere Palmöl-Produktion, die Indonesien jedoch keine konkreten Einschränkungen vorschreibt.
Die EU hat bereits im Mai 2023 eine wichtige Verordnung beschlossen, die sicherstellen soll, dass ab Ende 2024 keine Produkte mehr in der EU verkauft werden, die zu Lasten von Wäldern produziert wurden. Diese Verordnung gilt für Produkte, die besonders häufig mit Waldzerstörung in Verbindung stehen, wie Palmöl, Soja und Rindfleisch.
Gleichzeitig gibt es positive Entwicklungen bei nachhaltigen Palmölprojekten. Das Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP) hat erfolgreich mit lokalen Produzenten und Organisationen in Indonesien zusammengearbeitet. Rund 1.000 Kleinbauern konnten mit Unterstützung des indonesischen Verbands FORTASBI geschult werden, um nachhaltige Anbaumethoden zu etablieren. Die teilnehmenden Kleinbauern konnten ihre Erträge durch gezielte Schulungen steigern, während gleichzeitig der Pestizideinsatz reduziert und angrenzende Waldflächen geschützt wurden.
In der deutschen Ernährungsindustrie stammen bereits über 90 Prozent des eingesetzten Palmöls aus nachhaltig zertifiziertem Anbau. Dies zeigt, dass Transformation durch transparente Standards, funktionierende Zertifizierungen und gezielte Investitionen in die Produktionsbedingungen vor Ort möglich ist.
Welche Branchen profitieren am meisten vom neuen Handelsabkommen?
Das Handelsabkommen eröffnet verschiedenen Branchen auf beiden Seiten erhebliche Chancen. Auf EU-Seite profitieren besonders die Automobilindustrie, der Maschinenbau, die Chemieindustrie und die Pharmaindustrie von dem besseren Marktzugang. Die schrittweise Abschaffung des 50-prozentigen indonesischen Einfuhrzolls auf Kraftfahrzeuge schafft neue Möglichkeiten für Automobilausfuhren und Investitionen in Elektrofahrzeuge.
Die europäische Agrar- und Ernährungswirtschaft wird erheblich vom Wegfall hoher Zölle profitieren. Traditionelle EU-Erzeugnisse sowie wichtige Industriezweige werden durch das Abkommen geschützt und erhalten besseren Marktzugang. Besonders Milchprodukte, Fleisch, Wein, Schokolade und andere Lebensmittel können von den Zollsenkungen profitieren.
Auf indonesischer Seite profitieren vor allem die Exportindustrien für Palmöl, Textilien und Schuhe. Die Rohstoffsektoren, insbesondere Nickel und andere Mineralien, stehen im Zentrum des Interesses. Indonesien verfügt nicht nur über die weltweit größten Nickelreserven, sondern auch über Kobalt als Nebenprodukt von Nickel. Weitere Rohstoffe wie Zinn, Kupfer und Bauxit könnten zukünftig ebenfalls von Handelserleichterungen profitieren.
Der Dienstleistungssektor erhält neue Möglichkeiten durch die Ermöglichung der Erbringung von Dienstleistungen in Schlüsselsektoren wie IT und Telekommunikation. Neue Möglichkeiten für EU-Investitionen in Indonesien werden insbesondere in strategischen Sektoren wie Elektrofahrzeuge, Elektronik und Arzneimittel erschlossen.
Wie funktioniert der Ratifizierungsprozess und wann tritt das Abkommen in Kraft?
Das unterzeichnete Handelsabkommen muss noch einen komplexen Ratifizierungsprozess durchlaufen, bevor es in Kraft treten kann. Auf EU-Seite müssen sowohl der Rat der Mitgliedstaaten als auch das Europäische Parlament dem Abkommen zustimmen. Auf indonesischer Seite ist die Ratifizierung durch das indonesische Parlament erforderlich.
Indonesien strebt einen Start des Abkommens im Jahr 2027 an. Die Zeitspanne zwischen Unterzeichnung und Inkrafttreten ist typisch für solche umfassenden Handelsabkommen. Zum Vergleich: Das EU-Vietnam-Freihandelsabkommen wurde im Juni 2019 unterzeichnet, vom Europäischen Parlament im Februar 2020 genehmigt und trat im August 2020 in Kraft.
Der Ratifizierungsprozess kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Einige EU-Mitgliedstaaten könnten Bedenken bezüglich der Umweltauswirkungen oder anderer Aspekte des Abkommens haben. Die Erfahrungen mit dem Mercosur-Abkommen zeigen, dass einige Mitgliedstaaten wie Frankreich, Österreich und Polen Handelsabkommen kritisch betrachten und versuchen könnten, eine Sperrminorität zu organisieren.
Die EU-Kommission hat das Mercosur-Abkommen am 3. September 2025 dem Rat zur Ratifizierung vorgelegt und hofft auf eine Entscheidung noch im Jahr 2025. Ähnliche Zeitrahmen könnten für das Indonesien-Abkommen gelten, wobei die Ratifizierung durch alle Beteiligten bis 2026 oder 2027 realistisch erscheint.
Welche Rolle spielt China in der indonesischen Rohstoffwirtschaft?
China spielt eine dominante Rolle in der indonesischen Rohstoffwirtschaft, insbesondere im Nickelsektor. Als Reaktion auf Indonesiens Exportverbot für unverarbeitetes Nickel ab 2020 begannen chinesische Unternehmen massiv in dem Land zu investieren. Sie bauten eine eigenständige Nickelverarbeitung auf und stellten vor Ort Anoden für Elektroautobatterien her.
Inzwischen siedeln sich chinesische Elektroautohersteller in Indonesien an. BYD plant, Ende des Jahres auf Java eine Fabrik fertigzustellen, die 150.000 Fahrzeuge im Jahr fertigen kann. In einem neuen Werk von Xpeng rollte kürzlich dessen erstes in Indonesien montiertes Fahrzeug vom Band. Diese Entwicklung zeigt, wie China die Industrialisierung Indonesiens vorantreibt.
Der Abbau und die Verarbeitung von Nickel sind zu großen Teilen in der Hand chinesischer Unternehmen. Während viele der hunderten Minen in indonesischer Hand sind, kontrollieren chinesische Unternehmen die Weiterverarbeitung. Europäische Firmen sind beim Import aus Indonesien häufig von chinesischen Partnern abhängig.
Laut dem indonesischen Investitionsministerium gibt es derzeit 20 Investitionsprojekte für Nickelschmelzen und weitere 19 für die Ferro-Nickel- sowie 21 für Eisensulfat-Verarbeitung in Sulawesi und den Nordmolukken. Dutzende Milliarden US-Dollar sind durch vor allem chinesische Investoren in die Nickelwertschöpfungskette geflossen.
Diese chinesische Dominanz stellt eine Herausforderung für westliche Unternehmen dar, die sich einen direkteren Zugang zu indonesischen Rohstoffen sichern möchten. Deutsche Unternehmen sind laut DIHK-Außenhandelschef Volker Treier bereit, durch Investitionen und den Aufbau von Arbeitsplätzen in Indonesien alternative Zugangswege zu schaffen.
Wie vergleicht sich das Indonesien-Abkommen mit anderen EU-Handelsabkommen in der Region?
Das Indonesien-Abkommen ist nach den Vereinbarungen mit Singapur und Vietnam bereits das dritte Freihandelsabkommen der EU mit ASEAN-Partnern. Das Vietnam-Abkommen, das im August 2020 in Kraft trat, kann als Erfolgsmodell betrachtet werden. Der bilaterale Handel zwischen der EU und Vietnam stieg seit der Ratifizierung um 36 Prozent. Vietnam wurde zum wichtigsten Handelspartner der EU in Südostasien.
Das Handelsvolumen zwischen der EU und Vietnam belief sich 2023 auf 64,2 Milliarden Euro, womit Vietnam den 17. Platz beim Warenhandel der EU belegte. Das Vietnam-Abkommen umfasste die umgehende Beseitigung von 65 Prozent der Zölle auf EU-Ausfuhren nach Vietnam und von 71 Prozent der Zölle auf Einfuhren aus Vietnam.
Das Indonesien-Abkommen ist jedoch deutlich umfassender. Mit der Abschaffung von 98,5 Prozent der Zölle geht es weiter als das Vietnam-Abkommen. Zudem ist die wirtschaftliche Bedeutung größer: Mit 281 Millionen Einwohnern ist Indonesien die führende Volkswirtschaft Südostasiens, während Vietnam etwa 97 Millionen Einwohner hat.
Die EU strebt weiterhin den Abschluss eines umfassenden Abkommens mit der gesamten ASEAN-Region an. Die bilateralen Abkommen sollen als hilfreiche Bausteine für ein zukünftiges regionales Abkommen dienen. Mit einem Anteil von rund 10,2 Prozent am ASEAN-Handel ist die EU der drittgrößte Handelspartner des ASEAN nach den USA und China.
Das Arbeitsprogramm EU-ASEAN für Handel und Investitionen für 2024-2025 bietet einen Orientierungsrahmen für die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit, um sich mit Fragen wie der Widerstandsfähigkeit der Lieferkette, dem digitalen Handel und grünen Technologien zu befassen.
Welche langfristigen strategischen Auswirkungen hat das Abkommen für beide Seiten?
Das Handelsabkommen zwischen der EU und Indonesien hat weitreichende strategische Implikationen, die über den reinen Handel hinausgehen. Für die EU ist es ein wichtiger Baustein ihrer Diversifizierungsstrategie und des Bestrebens, die Abhängigkeit von einzelnen Handelspartnern zu reduzieren. Die Sicherung des Zugangs zu kritischen Rohstoffen aus Indonesien stärkt die europäische strategische Autonomie in der grünen und digitalen Transformation.
Das Abkommen positioniert die EU als alternativen Partner zu China in der Region. Während China bereits massiv in Indonesiens Rohstoffsektor investiert hat, bietet das EU-Abkommen indonesischen Unternehmen neue Märkte und Technologien. Dies könnte zu einer ausgewogeneren wirtschaftlichen Partnerschaft führen und Indonesiens Verhandlungsposition gegenüber China stärken.
Für Indonesien bedeutet das Abkommen eine Bestätigung seiner Strategie der Rohstoffveredelung im eigenen Land. Die EU akzeptiert faktisch Indonesiens Ansatz, nicht mehr nur Rohstofflieferant zu sein, sondern zu einem Industrieland zu werden. Dies könnte andere Entwicklungsländer ermutigen, ähnliche Strategien zu verfolgen.
Das Abkommen stärkt auch Indonesiens Position als regionale Führungsmacht in Südostasien. Als größte ASEAN-Volkswirtschaft mit einem direkten Handelsabkommen zur EU kann Indonesien seine Rolle als Brücke zwischen Europa und Asien weiter ausbauen. Jakarta plant, seine Position als “Hauptstadt der ASEAN” zu nutzen, um sich als Zentrum regionaler Integration zu positionieren.
Langfristig könnte das Abkommen zu einer Neuordnung der Handelsströme im Indopazifik beitragen. Die EU etabliert sich als dritter Pol neben den USA und China, was die strategische Autonomie aller Beteiligten stärken könnte. Für die globale Handelspolitik setzt das Abkommen ein Signal für regelbasierten Multilateralismus in einer Zeit zunehmender protektionistischer Tendenzen.
Die Erfahrungen mit diesem Abkommen werden auch die zukünftige EU-Handelspolitik prägen. Der Erfolg könnte Modellcharakter für weitere Abkommen mit anderen ASEAN-Staaten und anderen Entwicklungsländern haben, die ihre Rolle in globalen Wertschöpfungsketten verändern möchten.
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