
Die Schuldenbremse als Machtkampf: Warum die Bundesbank Friedrich Merz infrage stellt – Bild: Xpert.Digital
Eine tickende Zeitbombe in den öffentlichen Finanzen: Wie die Regierung die Kontrolle verliert
4,8 Prozent Defizit bis 2028: Bundesbank enthüllt das gewaltige Milliarden-Loch im Bundeshaushalt
Kein Plan für die Zeit danach: Wie Deutschland sehenden Auges in die nächste Verfassungskrise steuert
Die Bundesbank eine toxische Mischung auf: Explodierende Zinslasten, die sich bis 2029 auf 65 Milliarden Euro verdoppeln könnten, steigende Sozialausgaben durch eine alternde Gesellschaft und eine Finanzierungslücke von 172 Milliarden Euro, für die es bislang keinen Deckungsplan gibt. Die Diagnose aus Frankfurt ist brutal: Die Regierung setzt auf ein „Prinzip Hoffnung“ beim Wirtschaftswachstum, während sie sehenden Auges auf einen verfassungswidrigen Bruch der Schuldenbremse zusteuert.
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Das Dezember-Monatsbericht der Bundesbank ist kein akademischer Bericht unter vielen. Es ist eine politische Warnung, verpackt in Ökonomenjargon. Die Frankfurter Zentralbank hat sich zu einer ungewöhnlich deutlichen Kritik an der Haushaltspolitik der Regierung Merz durchgerungen – ein seltenes Phänomen, das signalisiert, dass das Vertrauen der technokratischen Elite in die finanzpolitische Steuerungsfähigkeit der Bundesregierung erodiert ist. Diese Analyse untersucht, warum die Bundesbank genau jetzt, kurz vor Weihnachten, ihren Alarm ertönt hat, was dies für die kommenden Jahre bedeutet und inwiefern es die zentrale Machtfrage aufwirft: Wer kontrolliert eigentlich noch den deutschen Haushalt?
Kurz vor Weihnachten hat die Bundesbank Alarm geschlagen und damit direkt den finanzpolitischen Kurs der Merz-Regierung infrage gestellt. In ihrem Dezember-Monatsbericht rechnet Deutschlands Zentralbank damit, dass das staatliche Defizit im Jahr 2028 von derzeit rund 2,5 Prozent auf 4,8 Prozent ansteigen wird. Diese Zahl ist kein abstraktes Prozentzeichen. Sie markiert einen historischen Wendepunkt. Das Defizit von 4,8 Prozent liegt so hoch wie zuletzt Mitte der 1990er-Jahre, direkt nach der Wiedervereinigung von Ost und West. Damals war Deutschland in eine existenzielle Krise geschlittert, die massive Staatsausgaben erforderte. Heute fehlt dieser Krisenjustifikation der Notfall. Deutschland steht nicht vor dem Zusammenbruch. Es will sich nur neu erfinden.
Die Schuldenquote würde auf 68 Prozent ansteigen. Im internationalen Vergleich ist das noch nicht katastrophal – Frankreich und Italien liegen deutlich höher. Aber das ist genau das Problem. Diese Zahl täuscht Normalität vor, wo substantielle Probleme entstehen. Vor allem aber warnt die Bundesbank offen und unverblümt: Nach der aktuellen Planungslogik würde der Bund im Jahr 2028 die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse überschreiten. Und bislang gibt es keine erkennbaren Massnahmen, um das zu verhindern. Dies ist die kernige Diagnose, die alles andere als akademisch ist.
Als Beobachterin und Beraterin der Regierung widerspricht die Bundesbank dieser normalerweise selten direkt. Ihre Rolle ist traditionell eine diskrete, zuweilen beratende Funktion. Umso bemerkenswerter ist die Deutlichkeit, mit der sie diesmal argumentiert. Sie sagt im Grunde: Nach heutiger Planung überschreitet der Bund 2028 die Kreditgrenze der Schuldenbremse, und das ohne erkennbaren Gegenkurs. Niemand in der Regierung hat einen Plan für die Zeit danach. Damit wird aus einer reinen Haushaltsfrage eine Machtfrage – die Frage nämlich, ob die Regierung noch weiß, was sie da tut.
Die strukturelle Krise: Warum die Defizite nicht einfach weggehen
Die Bundesbank zerlegt in ihrer Analyse präzise, wie es zu diesem Defizitanstieg kommt. Und hier wird es interessant, denn die Bundesbank macht deutlich, dass es sich nicht um eine konjunkturelle Schwäche handelt, die mit der nächsten Wirtschaftsbelebung verschwindet. Es sind strukturelle, also permanente Ausgabensteigerungen. Das ist der zentrale Unterschied, den viele Beobachter übersehen.
Der erwartete Defizitanstieg entsteht aus dauerhaften Mehrausgaben. Die erste Quelle sind steigende Sozialleistungen. Deutschland zahlt immer mehr in das Rentensystem ein. Die Bevölkerung altert, weniger Menschen arbeiten, mehr Menschen beziehen Renten. Dies ist ein automatisches Strukturproblem, das mit jeder Reform nur gebremst, nicht gelöst werden kann. Hinzu kommen Bürgergeldausgaben, die 2025 bereits auf etwa 52 Milliarden Euro jährlich angewachsen sind, inklusive Unterkunfts- und Heizkosten sogar knapp über 42 Milliarden Euro. Das ist ein Zwölftel des Gesamthaushalts. Wenn der Bund diese Leistungen senken will, muss er mit massiven sozialen Konflikten rechnen. Friedrich Merz hat sich genau dafür ausgesprochen – eine Bürgergeld-Reform –, aber auch das ist kein schnelles Sparinstrument.
Die zweite Quelle sind Zinsausgaben. Die Bundesbank prognostiziert, dass die jährlichen Zinsausgaben von derzeit rund 30 Milliarden Euro bis 2029 auf etwa 65 Milliarden Euro anwachsen werden. Das ist eine Verdoppelung. Jeder Euro, den der Staat in Form von Schulden aufnimmt, wird zum Schuldendienst in zukünftigen Jahren. Dies ist ein rein mechanischer Prozess. Je höher die Neuverschuldung, desto höher die Zinslasten. Und diese Zinslasten reduzieren den fiskalischen Spielraum für andere Aufgaben – für Infrastruktur, für Bildung, für Investitionen. Dies ist kein abstraktes ökonomisches Problem. Es ist eine Umverteilungsfrage zwischen Generationen. Zukünftige Generationen zahlen die Zinslasten heute aufgenommener Schulden.
Die dritte Quelle sind Steuersenkungen, die die Bundesregierung beschlossen hat. Die sogenannte kalte Progression wird bei der Einkommensteuer ausgeglichen. Das bedeutet, dass die Tarifeckwerte der Einkommensteuer jährlich angepasst werden, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer und Selbstständige aufgrund von Inflation automatisch in höhere Steuersätze rutschen. 2025 wurde der Grundfreibetrag um 312 Euro auf 12.096 Euro angehoben, 2026 um weitere 252 Euro. Die Tarifeckwerte wurden um 2,6 Prozent (2025) bzw. 2,0 Prozent (2026) nach rechts verschoben. Dies kosten dem Fiskus etwa 3,4 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist politisch attraktiv – wer will nicht, dass Arbeitnehmer von Inflationssteigerungen ihrer Löhne tatsächlich profitieren? Aber es reduziert die Staatseinnahmen.
Die vierte Quelle ist die Erhöhung von Transfers und Sozialleistungen. Die CSU hat durch die Koalition eine Ausweitung der Mütterrente durchgesetzt, die bereits zum 1. Januar 2027 wirken soll. Dies ist keine kleine Regelanpassung, sondern eine merkliche Dauerausgabe. Solche Leistungen sind politisch schwer rückgängig zu machen. Sie schaffen Erwartungen, Rechtsansprüche und Wählerbasis.
Gleichzeitig wachsen die Einnahmen langsamer als die Ausgaben. Die kalte Progression dampft das Steueraufkommen. Zwar profitiert der Staat von steigenden Sozialbeiträgen, aber dieser Effekt ist nur teilweise ausgleichend. Hinzu kommt, dass die wirtschaftliche Wachstumsprognosen für 2025 nur 0,2 Prozent betragen, für 2026 dann 0,6 bis 1,2 Prozent je nach Institut. Das ist schwaches Wachstum. Und schwaches Wachstum bedeutet schwache Steuereinnahmen.
Ein klarer Sparkurs fehlt, trotz wiederholter Warnungen von Wirtschaftsweisen wie Veronika Grimm. Die Bundesregierung gibt Milliarden aus für Infrastruktur und Verteidigung, rechnet auf stärkeres Wachstum, aber es gibt kein erkennbares Sparpaket, das gleichzeitig die strukturellen Ausgabensteigerungen bremst. Das ist der tiefe Fehler, den die Bundesbank identifiziert hat.
Der kritische Bruchpunkt: Wohin mit den 172 Milliarden Euro?
Besonders brisant ist eine weitere Leerstelle in der Finanzplanung. Die Bundesregierung hat sich selbst verpflichtet, bis 2029 massive neue Schulden aufzunehmen. Für 2026 sind es über 180 Milliarden Euro Neuverschuldung insgesamt. Dies wird durch die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung und die Schaffung eines Sondervermögens für Infrastruktur möglich. Aber was passiert danach? Für die Jahre 2027 bis 2029 klafft eine Finanzierungslücke von insgesamt 172 Milliarden Euro. Das ist eine enorme Summe. 2027 allein sind es etwa 30 Milliarden Euro, 2028 bereits 60 Milliarden Euro.
Wie ist diese Lücke entstanden? Die Bundesregierung hat im Sommer 2025 ein Sparpaket beschlossen, das sogenannte Investitionsprogramm mit Steuervergünstigungen für Unternehmen. Aber die Länder und Kommunen müssen für diese Steuerausfälle kompensiert werden – eine Regelung, die die Koalition selbst abgesprochen hat. Hinzu kommt, dass zusätzliche Sozialleistungen versprochen wurden – allen voran die vorgezogene Mütterrente. Auch müssen die Zinslasten auf die gestiegene Verschuldung berücksichtigt werden. All dies zusammen führt zu dieser riesigen Lücke. Und die Bundesbank kommt nun zu dem Schluss, dass der Bund ab 2028 die Schuldenbremse überschreiten würde – und dass bislang keine konkreten Massnahmen erkennbar sind, um das zu verhindern.
Für eine Zentralbank ist das eine ungewöhnlich direkte Kritik. Die Bundesregierung gibt also Milliarden aus, ohne zu zeigen, wie sie die Kontrolle über den Haushalt behalten will. Das ist nicht nur eine finanzielle Aussage. Es ist eine Aussage über die Glaubwürdigkeit der Regierungsführung.
Die Bundesbank erwartet zwar, dass die zusätzlichen Ausgaben das Wirtschaftswachstum zwischen 2025 und 2028 kumuliert um etwa 1,3 Prozentpunkte stützen könnten. Doch diese Effekte setzen verzögert ein. Ein Infrastrukturprojekt, das 2026 beschlossen wird, beginnt 2027 oder 2028, seine Wirkung zu entfalten. Inzwischen sind die Defizite bereits aufgelaufen. Zeit zu gewinnen wird für die Merz-Regierung damit schwierig. Der finanzielle Spielraum schrumpft schneller, als neue Wachstumsimpulse greifen. Dies ist ein klassisches makroökonomisches Timing-Problem. Und es ist kaum lösbar, wenn die Konjunktur nicht viel stärker anzieht als derzeit erwartet.
Die verfassungsrechtliche Dimension: Die Drohung aus Karlsruhe
Der Konflikt ist damit vorgezeichnet. Entweder die Regierung korrigiert ihren Kurs in den nächsten zwölf bis 18 Monaten, streicht Ausgaben oder erhöht Einnahmen. Oder sie riskiert, dass am Ende nicht die Bundesbank, sondern das Bundesverfassungsgericht die Grenze zieht.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit der Schuldenbremse befasst. Die berühmteste Entscheidung war 2023, als das Gericht die Regierung der Ampelkoalition zurechtgewiesen hat. Die Bundesregierung hatte 2021 Corona-Mittel nicht genutzt und diese deshalb in einen speziellen Fonds für Klimaschutz umgewidmet. Das Gericht befand, dass dies gegen die Schuldenbremse verstieß. Ein relativ technisches Urteil, aber von großer symbolischer Kraft. Das Verfassungsgericht signalisierte damit: Die Schuldenbremse ist nicht verhandelbar. Wir kontrollieren ihre Einhaltung.
Besonders bemerkenswert ist eine rechtliche Entwicklung: Einzelne Bürger könnten theoretisch eine sogenannte Schulden-Verfassungsbeschwerde einreichen. Das bedeutet, dass jeder Steuerzahler argumentieren könnte, dass die Bundesregierung durch Schuldensünden seine Verfassungsrechte verletzt – konkret die Rechte auf Demokratie und zukünftige Freiheit. Das Verfassungsgericht hat diese Möglichkeit bislang nicht explizit ausgeschlossen. Es ist eine Waffe, die noch nicht gezogen wurde, aber existiert.
Im Grunde sagt die Bundesbank auch folgendes aus: Wir warnen euch öffentlich, damit alle verstehen, dass die Bundesregierung selbst die Kontrolle zu verlieren beginnt. Wenn das Verfassungsgericht 2027 oder 2028 eingreifen muss, wird das für die politische Legitimität der Bundesregierung desaströs sein. Kanzler Merz wäre dann nicht mehr der Gestalter, sondern der Reformer im Notstand.
Die Wachstumswette: Ein riskantes Spiel mit unklarem Ausgang
Zugegeben, die Bundesregierung setzt bewusst auf ein Wachstumsspiel. Friedrich Merz hat sich in der Generaldebatte zum Haushalt im September 2025 klar positioniert. Die Regierung nehme bewusst höhere Ausgaben in Kauf, erklärte er, um Deutschland wieder handlungsfähig zu werden. Für Verteidigung, Infrastruktur und wirtschaftliche Entlastungen. Das ist eine strategische Entscheidung. Merz argumentiert: Wenn wir investieren, wenn wir die Bundeswehr aufbauen, wenn wir Unternehmen entlasten, dann werden diese Investitionen renditeträchtig. Dann wächst die Wirtschaft stärker. Dann können wir die Schulden tilgen.
Dies ist nicht prinzipiell falsch. Die ökonomische Logik ist eingängig: Wenn der Staat in Infrastruktur investiert, können diese Investitionen später Steuereinnahmen generieren. Ein Auto auf einer neuen Autobahn kostet weniger Zeit und Energie, wodurch die Produktivität steigt. Ein Unternehmen mit besserer Stromversorgung ist produktiver. Ein Verteidigungsbudget, das Deutschland weniger abhängig macht, könnte geopolitische Risiken reduzieren. Theoretisch plausibel.
Aber empirisch ist dies ein schwaches Spiel. Das ifo-Institut rechnet damit, dass die staatlichen Investitionen 2026 nur etwa 0,3 Prozentpunkte zum Wachstum beitragen, 2027 etwa 0,7 Prozentpunkte. Das ist deutlich weniger, als die Multiplikator-Optimisten erhofften. Die Bundesbank selbst ist skeptischer und rechnet mit nur 0,8 Prozentpunkten zusätzliches Wachstum 2026 und 0,4 Prozentpunkte 2027. Das bedeutet: Die Regierung gibt hunderte Milliarden aus, bekommt aber nur schwache konjunkturelle Effekte zurück. Das ist ein niedriges Rendite-Szenario.
Hinzu kommt: Deutschland ist eine überalterte Gesellschaft mit Fachkräftemangel. Selbst wenn die Infrastruktur besser wird, fehlen die Arbeiter, sie zu nutzen. Ohne massive Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte, ohne Bildungsreformen, wird das zusätzliche Kapital nicht zu zusätzlicher Produktivität führen. Es wird einfach in höhere Löhne umgewandelt, wodurch die Inflation steigt und die Zentralbank die Zinsen erhöht. Das ist das stagflationäre Szenario, das viele Ökonomen fürchten.
Friedrich Merz geht also eine klassische Wachstumswette ein. In den USA unter Donald Trump funktioniert dies momentan – die USA wachsen relativ schnell, finanzieren massive Verteidigungsausgaben, und die Inflation bleibt moderat. Aber Deutschland ist strukturell anders. Die Arbeitsmärkte sind enger, die Produktivität stagniert, der Export ist unter Druck. Dies ist nicht die USA. Dies ist eher Europa in der Krise.
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Bundesbank schlägt Alarm: Steuert Deutschland sehenden Auges in eine Verfassungskrise?
Der soziale Unbehagen: Wer zahlt den Preis?
Was die Bundesbank auch implizit kritisiert, ist die Weigerung der Regierung, die notwendigen Strukturreformen durchzuführen, um die Defizite nachhaltig zu senken. Merz hat sich deutlich gegen Steuererhöhungen positioniert. Der Koalitionsvertrag verpflichtet ihn dazu. Aber ohne Steuererhöhungen bleibt nur eine Option: Ausgabenkürzungen im Sozialstaat.
Die Bundesregierung plant für 2026 im Kernhaushalt 98 Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen. Das ist rekordverdächtig. Zusätzlich kommen Schulden aus den Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur. Insgesamt werden über 180 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen. Das ist fast ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts von 524,5 Milliarden Euro. Jeder dritte Euro ist Schulden.
Der Preis dafür wird in Form von Zinsausgaben und künftigen Sparmaßnahmen bezahlt. Wenn die Zinsausgaben von 30 Milliarden auf 65 Milliarden Euro im Jahr 2029 steigen, sind das 35 Milliarden Euro pro Jahr, die nicht für Soziales, nicht für Bildung, nicht für Infrastruktur ausgegeben werden können. Diese Zinsausgaben sind zwangsläufig. Sie müssen bezahlt werden.
Die Regierung hat angekündigt, ein Sparpaket zu schnüren. Finanzminister Lars Klingbeil hat bereits die Koalitionspartner auf schwere Zeiten vorbereitet. Viele der Versprechungen im Koalitionsvertrag werden voraussichtlich nicht realisierbar sein. Es geht um Kürzungen von Sozialleistungen, möglicherweise um die Streichung von Subventionen und Förderprogrammen. Die Bürgergeld-Reform ist ein erster Schritt. Aber wenn die Finanzierungslücke sich auf 172 Milliarden Euro beläuft, werden auch tiefere Schnitte notwendig.
Dies führt zu politischen Konflikten. Die SPD in der Koalition weigert sich, den Sozialstaat grundlegend zu beschneiden. Finanzminister Klingbeil hat der Arbeitsministerin Bärbel Bas widersprochen, die massive Kürzungen ablehnt. Auch die Gewerkschaften, die Wohlfahrtsverbände – all dies sind mächtige Akteure, die Widerstand leisten. Friedrich Merz könnte sich in einer Situation wiederfinden, in der er entweder seine fiskalische Verantwortung ernst nimmt und tiefe soziale Einschnitte vornimmt – oder er ignoriert die Schuldenbremse und riskiert das Bundesverfassungsgericht.
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Der politische Schachzug: Die Machtfrage
Mit ihrer so offenen Warnung ausgerechnet kurz vor Weihnachten signalisiert die Bundesbank etwas Entscheidendes. Die finanzpolitischen Konflikte des kommenden Jahres haben längst begonnen. 2026 wird nicht das Jahr sein, in dem man über Schulden diskutiert. 2026 wird das Jahr sein, in dem entschieden wird, wer in Deutschland letztlich die Haushaltsregeln durchsetzt.
Drei Szenarien sind denkbar. Das erste: Die Bundesregierung korrigiert rechtzeitig. Sie beschließt ein ambitioniertes Sparpaket, erhöht notfalls doch Steuern (gegen den Koalitionsvertrag), reformiert radikaler die Sozialleistungen. Sie erreicht es, die Schuldenbremse 2028 nicht zu überschreiten. Dies würde große innenpolitische Konflikte bedeuten, ist aber aus verfassungsrechtlicher Perspektive die saubere Lösung.
Das zweite Szenario: Die Bundesregierung wurschtelt sich durch. Sie beschließt kleinere Sparmaßnahmen, eine Steuererhöhung, die als “Ausnahme” beschrieben wird. Sie erreicht es nicht ganz, die Schuldenbremse einzuhalten, überschreitet sie um 0,2 oder 0,3 Prozentpunkte. Sie hofft, dass dies politisch toleriert wird oder dass das Verfassungsgericht gnädig ist. Dies ist das wahrscheinlichste Szenario.
Das dritte Szenario: Das Bundesverfassungsgericht greift ein. 2027 oder 2028 erteilt Karlsruhe der Bundesregierung einen Verweis oder erklärt Haushaltsteile für verfassungswidrig. Merz wird genötigt, Haushaltsmittel zu sperren, der politische Schaden ist erheblich. Dies ist das Worst-Case-Szenario für die Legitimität der Merz-Regierung.
Die Bundesbank signalisiert damit: Der Punkt der kostenlosen Entscheidung ist vorbei. Ab jetzt kostet jede Option – entweder soziale Konflikte durch Sparmaßnahmen, oder verfassungsrechtliche Konflikte durch Schuldenbremsenbruch, oder politische Beschädigungen durch Kurskorrektionen. Dies ist eine Machtfrage, weil es um die Fähigkeit des demokratischen Staates geht, sich selbst zu regieren.
Das internationale Kontext und die Kritik der Skepsis
Es gibt allerdings auch berechtigte Kritik an der Bundesbank-Position. Einige Ökonomen argumentieren, dass die Schuldenbremse selbst das Problem ist. Sie begrenzt die Handlungsfähigkeit des Staates künstlich. Wenn der Staat in kritischen Zeiten nicht investieren kann, dann ist das selbstschädigend. Die USA haben keine so strikte Schuldenbremse und können massiv investieren. Auch Deutschland könnte, so die Argumente, eine “reformierte” Schuldenbremse haben, die Investitionen von laufenden Ausgaben trennt.
Tatsächlich hat die Bundesbank selbst einen Reformvorschlag gemacht, der in drei Stufen operiert. Stufe 1 läuft bis 2029 mit den bestehenden Grenzen. Stufe 2 von 2029 bis 2036 sieht einen schrittweisen Defizitabbau vor. Stufe 3 ab 2036 würde dann eine moderat gelockerte Regel ermöglichen, die Investitionen begünstigt. Aber dieser Vorschlag ist nicht unumstritten. Kritiker sehen darin nur eine “Zahlenzauberei”, die am Ende dazu führt, dass der Schuldenstand nicht sinkt.
Die zentrale Gegenfrage lautet also: Ist es nicht besser, gleich die Schuldenbremse zu reformieren und dann mit höherer fiskalischer Flexibilität zu arbeiten? Deutschland hat zu viel zu investieren – in Infrastruktur, in Digitalisierung, in Energiewende, in Verteidigung. Eine Schuldenbremse, die all dies blockiert, könnte Deutschland langfristig mehr schaden als Schulden.
Dies ist ein echtes ökonomisches Argument. Und es ist nicht ohne Gewicht. Aber die Bundesbank sagt im Grunde: Das ist eine politische Entscheidung, nicht eine technische. Wenn Deutschland die Schuldenbremse reformieren will, dann muss es dies bewusst und transparent tun, mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat. Es kann nicht einfach Schulden aufnehmen und dann hoffen, dass die Verhältnisse später passen.
Die Bundesbank kritisiert also nicht in erster Linie die Schuldenaufnahme selbst. Sie kritisiert die Tatsache, dass die Regierung bewusst eine Situation schafft, in der sie die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreitet, ohne dies transparent zu machen. Das ist ein Unterschied.
Die Stille vor dem Sturm: Warum 2026 entscheidend ist
Die Bundesbank hat ihre Warnung jetzt, Ende 2025, ausgesprochen. Das ist strategisch berechnet. 2026 wird das entscheidende Verhandlungsjahr. Die Regierung wird einen neuen Haushalt für 2027 vorbereiten müssen. Sie wird Sparmaßnahmen schnüren müssen. Die SPD wird gegen Sozialabbau protestieren. Die Wirtschaft wird auf konjunkturelle Belebung hoffen. Das Bundesverfassungsgericht sitzt bereit, falls die Verfassung gebrochen wird. Und die Bundesbank hat öffentlich gemacht, dass sie den Ernst der Lage erkannt hat.
In diesem Kontext ist die Warnung der Bundesbank nicht einfach eine technische Prognose. Sie ist eine Aufforderung zur Rechenschaft. Sie sagt: Wir sehen, was ihr plant. Wir sehen, dass ihr keine Antwort habt. Und wir werden euch darauf hinweisen, wenn die Verfassung gebrochen wird.
Dies ist die Art von institutioneller Kontrolle, die in einer Verfassungsdemokratie funktioniert. Nicht durch Gewalt oder direkte Befehlsgewalt, sondern durch Transparenz, durch öffentliche Kritik, durch Signalisierung von Grenzen. Die Bundesbank kann die Regierung nicht verhindern, Schulden aufzunehmen. Aber sie kann öffentlich machen, dass dies ein Verfassungsproblem ist.
Friedrich Merz wird dies verstehen. Er ist ein intelligenter Politiker und kennt die Grenzen seiner Macht. Wenn die Bundesbank sagt, dass die Schuldenbremse 2028 überschritten wird, dann ist das nicht einfach eine Prognose. Es ist eine Drohung, dass die Verfassungsordnung unter Druck geraten wird. Dies wird die Verhandlungen über Sparmaßnahmen beeinflussen.
Die tiefere Krise: Strukturelle Wachstumsschwäche
Aber es gibt noch eine tiefere Ebene. Die Bundesbank warnt nicht nur vor Defiziten. Sie warnt auch vor einer strukturellen Wachstumsschwäche. Deutschland wächst zu schwach. 0,2 Prozent 2025, 0,6 bis 1,2 Prozent 2026 – das ist nicht die Quote eines reichen Landes, das seine Zukunft gestaltet. Das ist die Quote eines Landes im Strukturwandel, das seine Wettbewerbsfähigkeit verliert.
Warum? Deutschland hatte vor zwei Jahrzehnten globale Wettbewerbsvorteile. Es war gut in der Maschinenbauindustrie, in Automobilen, in Chemie. Aber der Strukturwandel zu elektrischen Fahrzeugen, zu Digitalisierung, zu Automatisierung, zu Klimaneutralität – dieser Wandel hat Deutschland überfordert. Die etablierten Firmen sind zu träge. Die Start-up-Szene ist schwach. Die Bürokratie bremst. Die Infrastruktur ist verfallen. Und das Bildungssystem produziert nicht genug talentierte Leute.
Dies ist nicht einfach mit mehr Schulden zu beheben. Es braucht strukturelle Reformen: Deregulierung, schnellere Genehmigungsverfahren, bessere Schulen und Universitäten, Zuwanderung von Fachkräften. Merz hat erkannt, dass diese Reformen notwendig sind. Daher die Infrastrukturinvestitionen, daher die Verteidigungsbudgets (um von den USA nicht abhängig zu sein), daher die Entlastungen für Unternehmen.
Aber auch dies wird Zeit brauchen. Ein Infrastrukturprojekt, das 2026 beschlossen wird, trägt 2030 oder 2031 zur Wertschöpfung bei. Inzwischen müssen die Schulden bezahlt werden. Die Zinslasten steigen. Und wenn die Reformen nicht schnell genug greifen, wird die Wachstumsschwäche zur Dauerkrise.
Die Bundesbank warnt also auch indirekt vor einer Sackgasse. Man kann nicht mit immer höheren Schulden eine strukturelle Wachstumsschwäche kompensieren. Irgendwann stoßen die Schulden an ihre Grenzen. Dann muss die Wirtschaft selber wachsen. Und dafür braucht es nicht nur Geld, sondern strukturelle Veränderungen.
Die Entscheidungskrise von 2026
Das Dezember-Monatsbericht der Bundesbank ist also mehr als ein wirtschaftlicher Report. Es ist eine politische Markierung. Die Bundesbank sagt: Ab jetzt gibt es keine kostenlosen Entscheidungen mehr. Jeder Euro, den die Regierung zusätzlich ausgibt, verschärft die Haushaltskrise von 2027 bis 2029. Jeder Euro, den sie nicht ausgibt, tut der Konjunktur weh. Dies ist ein klassisches Dilemma ohne einfache Lösung.
Was wird 2026 bringen? Wahrscheinlich wird die Regierung versuchen, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Sie wird Teile ihrer Zusagen streichen oder verschieben. Sie wird versuchen, kleine Sparmaßnahmen als große Reformen darzustellen. Sie wird hoffen, dass die Konjunktur stärker anzieht als erwartet. Und sie wird die finanzpolitischen Konflikte in den Sommer 2026 verschieben, wenn ein neuer Haushalt verhandelt wird.
Aber die Bundesbank hat öffentlich gemacht, dass dies nicht funktioniert. Man kann nicht einfach Schulden aufnehmen und hoffen, dass die Zeit alles heilt. Irgendwann muss die Rechnung bezahlt werden. Entweder jetzt durch Sparmaßnahmen und Reformen. Oder später durch verfassungsrechtliche Konflikte und politische Krisen.
Friedrich Merz ist in einer schwierigen Position. Er hat die Bundesregierung übernommen mit der Absicht, Deutschland zu modernisieren. Aber die Schuldenqote, die Zinslasten, die strukturelle Wachstumsschwäche – all dies sind Probleme, die sich nicht einfach wegregieren lassen. Die Bundesbank warnt nicht aus bösartiger Absicht. Sie warnt, weil sie die Grenzen der fiskalischen Tragfähigkeit erkannt hat.
2026 wird zeigen, ob die Merz-Regierung eine Antwort auf diese Warnung hat. Falls nicht, wird 2027 und 2028 turbulent. Das ist nicht Alarmismus. Das ist eine nüchterne Analyse der verfassungsrechtlichen und fiskalischen Realität.
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