Veröffentlicht am: 20. Juni 2025 / Update vom: 20. Juni 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein
Soziale Stabilität über alles: China stützt Verlust-Unternehmen und die Kosten politischer Prioritäten – Kreativbild: Xpert.Digital
Chinas Dilemma: Warum Peking pleitegehende Firmen künstlich am Leben hält
Zombie-Unternehmen in China zwischen Kollaps und Kontrolle: Wie China seine Wirtschaft politisch steuert:
Die Volksrepublik China steht vor einem fundamentalen wirtschaftspolitischen Dilemma: Um soziale Stabilität zu gewährleisten, hält die Regierung systematisch unrentable Unternehmen am Leben, die unter normalen Marktbedingungen längst geschlossen worden wären. Diese Stützungspolitik für notleidende Unternehmen zeigt die Prioritäten der chinesischen Führung deutlich auf – soziale Ruhe steht über wirtschaftlicher Effizienz.
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Das Ausmaß der Problematik unrentabler Firmen
Dramatischer Anstieg ineffizienter Unternehmen
Die Dimension des Problems wird durch aktuelle Daten verdeutlicht: Der Anteil der Verlustunternehmen in China ist von 8 Prozent im Jahr 2023 auf 13 Prozent in der ersten Jahreshälfte 2024 gestiegen. Diese Entwicklung übertrifft deutlich den globalen Trend, wo der Anteil im gleichen Zeitraum von 4 auf 6 Prozent zunahm. Besonders alarmierend ist, dass selbst bei Ausschluss des Immobiliensektors der Anteil von 7 auf 11 Prozent anstieg.
Besonders betroffene Branchen
Die Automobilindustrie steht exemplarisch für diese Entwicklung. Der Anteil verlustbringender Industrieunternehmen erreichte 2024 den höchsten Stand seit 2001. In der Provinz Shanxi, die sich als Zentrum für saubere Energie neu positioniert, verzeichnen fast 40 Prozent der Industrieunternehmen Verluste – doppelt so viel wie der Landesdurchschnitt.
Das Beispiel von Daun Automobile in Shanxi illustriert die Problematik: Trotz gescheiterter Umstellung auf Premium-Elektroautos und einer gerichtlich angeordneten Umstrukturierung 2024 produziert das Unternehmen weiterhin Lastwagen. Dies zeigt die Zurückhaltung lokaler Behörden, Marktaustritte zuzulassen.
Die Mechanismen der staatlichen Intervention
Umfassende Subventionspolitik
Die chinesische Regierung setzt ein breites Arsenal an Unterstützungsmaßnahmen ein. Mehr als 99 Prozent der börsennotierten Unternehmen erhielten 2022 direkte staatliche Subventionen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Elektroautoherstellers BYD, dessen direkte Subventionen von 220 Millionen Euro im Jahr 2020 auf 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2022 anstiegen.
Die staatliche Unterstützung umfasst nicht nur direkte Subventionen, sondern auch Steuererleichterungen, günstige Kredite, vergünstigte Stromtarife und subventionierte Baugrundstücke. Von 2021 bis 2023 flossen der chinesischen Automobilindustrie direkte Fördergelder in Höhe von über 5,7 Milliarden Euro zu.
Institutionelle Hindernisse für Marktbereinigung
Das chinesische Insolvenzsystem erschwert die notwendige Marktbereinigung erheblich. Gerichte zögern, Schließungen zu genehmigen, da Richter für potenzielle soziale Unruhen haftbar gemacht werden können. Ein juristisches Papier von 2021 zeigt, dass Gerichte oft verpflichtet sind, Proteste im Vorfeld zu entschärfen, bevor Insolvenzen genehmigt werden.
Soziale Spannungen trotz niedriger Arbeitslosigkeit
Trügerische Stabilität der Arbeitsmarktdaten
Die offiziell niedrige Arbeitslosenquote von durchschnittlich 5,2 Prozent in 2024 vermittelt den Eindruck wirtschaftlicher Stabilität. Doch diese Zahl verschleiert die tatsächlichen Probleme: Die Jugendarbeitslosigkeit erreichte im August 2024 18,8 Prozent und stieg damit von 17,1 Prozent im Juli. Bei den 25- bis 29-Jährigen betrug die Arbeitslosenrate 6,9 Prozent.
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Zunehmende Proteste und soziale Unruhen
Trotz der staatlichen Bemühungen um Stabilität steigen die sozialen Spannungen. Der China Dissent Monitor dokumentierte im dritten Quartal 2024 insgesamt 937 Protestereignisse, was einem Anstieg von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Die Mehrheit dieser Proteste wird von Arbeitern (41 Prozent), Immobilieneigentümern (28 Prozent) und ländlichen Bewohnern (12 Prozent) angeführt.
Ein weiteres Zeichen der Besorgnis der Regierung ist die Einstellung der Veröffentlichung von Lohndaten durch die große Rekrutierungsplattform 51.com, vermutlich um die Schwäche des Arbeitsmarktes zu verschleiern.
Volkswirtschaftliche Konsequenzen dieser Stützungspolitik
Deflationäre Tendenzen und schwache Binnennachfrage
Die Politik, ineffiziente Firmen künstlich am Leben zu erhalten, trägt zu deflationären Tendenzen bei. Im November 2024 stiegen die Verbraucherpreise nur um 0,2 Prozent, während sie im Monatsvergleich sogar um 0,6 Prozent sanken. Die Erzeugerpreise fielen um 2,5 Prozent, was den anhaltenden Deflandruck in der Industrie widerspiegelt.
Die Binnennachfrage stagniert, und das Konsumentenvertrauen leidet unter dem Zusammenbruch des Immobiliensektors. Diese schwache inländische Nachfrage verstärkt Chinas Abhängigkeit von Exporten und führt zu strukturellen Ungleichgewichten.
Überkapazitäten und Handelskonflikte
Die Subventionierung nicht überlebensfähiger Unternehmen führt zu massiven Überkapazitäten. Nach Schätzungen sind die Überkapazitäten bei Elektrofahrzeugen und Lithiumbatterien ausreichend groß, um die Exporte in diesen Bereichen zu verdoppeln. Selbst bei einer Erhöhung der Produktionsauslastung auf 80 Prozent müssten die Exporte von Elektrofahrzeugen um etwa 30 Prozent und von Lithiumbatterien um etwa 70 Prozent zulegen.
Diese Überproduktion führt zu internationalen Handelskonflikten. Die EU verhängte im Oktober 2024 Strafzölle von bis zu 35 Prozent auf chinesische Elektroautos. Die USA setzten die Importzölle für chinesische Waren auf 125 Prozent hoch, während China mit Vergeltungszöllen von 84 Prozent antwortete.
Expertenmeinungen und Reformvorschläge
Kritik an der mangelnden Marktdisziplin
Shaun Roache, Chefvolkswirt für Asien-Pazifik bei S&P Global Ratings, kritisiert die Auswirkungen der Politik: “Das Fehlen von Marktdisziplin schadet gesunden Unternehmen”. Die ineffiziente Ressourcenallokation behindere die wirtschaftliche Entwicklung und schwäche die Wettbewerbsfähigkeit.
Strukturelle Reformvorschläge
Der renommierte Ökonom David Li Daokui schlägt ein Quotensystem vor, bei dem Unternehmen Produktionsrechte verkaufen können, um Überkapazitäten marktorientiert abzubauen. Solche marktbasierten Mechanismen könnten eine Alternative zur direkten staatlichen Intervention darstellen.
Michael Pettis, Finanzprofessor an der Peking-Universität, betont die globalen Auswirkungen: “Politische Maßnahmen zur Reduzierung von Arbeitsplatz- und Einnahmenverlusten für Unternehmen mögen wie ein rein innerstaatliches Problem erscheinen, aber da diese Politiken zu einem schnelleren Anstieg der Produktion als des damit verbundenen Konsums führen, sind sie auch effektiv Handelspolitiken”.
Historische Perspektive und aktuelle Herausforderungen
Unterschiede zu früheren Reformen
In den 1990er Jahren schloss Premier Zhu Rongji tausende ineffiziente Staatsbetriebe, was Chinas späteren Produktionsboom ermöglichte. Heute liegt die Überkapazität jedoch hauptsächlich bei privaten Unternehmen, über die lokale Regierungen weniger direkten Einfluss haben.
Xi Jinpings Priorisierung von nationaler Sicherheit und technologischer Autarkie lässt wenig Raum für marktwirtschaftliche Volatilität. Lokale Beamte werden primär an Wachstum und Beschäftigung gemessen, was sie davon abhält, unrentable Betriebe zu schließen.
Schwache Umsetzung von Reformbemühungen
Obwohl der Staatsrat 2023 Richtlinien erließ, um lokale Subventionen zu begrenzen, und Banken angewiesen wurden, Kredite an insolvenzgefährdete Unternehmen einzustellen, bleibt die Umsetzung schwach. Dies zeigt die Schwierigkeit, zentrale Reformvorgaben auf lokaler Ebene durchzusetzen, wenn diese den lokalen Interessen widersprechen.
Ein unhaltbares Gleichgewicht
Chinas Politik, unrentable Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten, offenbart ein fundamentales Spannungsfeld zwischen kurzfristiger sozialer Stabilität und langfristiger wirtschaftlicher Gesundheit. Die niedrige Arbeitslosenquote wird durch ineffiziente Ressourcennutzung und wachsende Handelsspannungen erkauft.
Ohne grundlegende Reformen droht China eine Stagnation, die selbst die kommunistische Partei nicht ignorieren kann. Die Regierung steht vor einer schwierigen Wahl: Entweder sie riskiert soziale Unruhen durch notwendige Marktbereinigungen oder sie opfert weiterhin wirtschaftliche Effizienz für kurzfristige Stabilität. Die Zeit für halbherzige Maßnahmen läuft ab, und die Kosten dieser Politik werden sowohl für China als auch für die Weltwirtschaft immer deutlicher spürbar.
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