Blue Ocean Strategy – Strategie des blauen und roten Ozeans
Veröffentlicht am: 17. Dezember 2021 / Update vom: 17. Dezember 2021 – Verfasser: Konrad Wolfenstein
Der Begriff Ozean beschreibt im Zusammenhang mit der Blue-Ocean-Strategie einen Markt oder Industriezweig. „Blaue Ozeane“ (blue oceans) werden als unberührte Märkte oder Industriezweige verstanden, die wenig bis gar keinen Wettbewerb aufweisen. Derjenige, der in den blauen Ozean eintauchen würde, würde somit unentdeckte Märkte oder Industriezweige auffinden. „Rote Ozeane“ (red oceans) hingegen bezeichnen gesättigte Märkte, charakterisiert durch harte Konkurrenz, überfüllt mit Mitbewerbern, welche alle den gleichen Service oder die gleichen Produkte anbieten.
Der Begriff „Roter Ozean“ basiert auf dem Bild von blutigen Kämpfen von Raubfischen (die Mitbewerber), während der „Blaue Ozean“ frei von blutigen Kämpfen ist.
Hinter dem Konzept Blue-Ocean-Strategie steht der Gedanke, dass erfolgreiche Unternehmen sich nicht am Wettbewerb orientieren, sondern eigene innovative Wege suchen, um einen Blauen Ozean selbst zu kreieren. Innovationen eröffnen neue Märkte und steigern deren Attraktivität durch die Abwesenheit einiger unattraktiver Markteigenschaften, die im bisherigen Wettbewerb weniger geschätzt sind. Erfolgreiche Innovationen beruhen dabei selten auf technologischen Neuerungen, sondern vielmehr auf einer neuartigen Gestaltung des Gesamtangebots. Darunter ist häufig eine Neudefinition des Marktes oder des Konsumenten zu verstehen.
Blue-Ocean-Methodik
Die Blue-Ocean-Strategie (Blue Ocean Strategy) ist eine Methode zur Entwicklung dauerhaft profitabler Geschäftsmodelle aus dem Bereich des strategischen Managements: Grundgedanke ist, dass nur durch die Entwicklung innovativer und neuer Märkte, welche der breiten Masse der Kunden bzw. Nicht-Kunden wirklich differenzierende und relevante Nutzen, „Blue Oceans“ bieten, dauerhafte Erfolge erzielt werden können. Dies soll unter anderem durch eine bedeutungslos gewordene Konkurrenz, Neu-Akquise von Kunden und optimierte Kostenstrukturen erreicht werden.
Wertekurven
Zunächst wird für einen Markt oder Industriezweig eine Wertekurve erstellt, um zu klären, welche Kernelemente aus Sicht der Kunden und Nicht-Kunden diese kennzeichnen. Wichtige Merkmale können zum Beispiel bedeutsame und stark umkämpfte Kernattribute sein oder Investitionstreiber der Wettbewerber. Die Wertekurve eines Unternehmens wird visualisiert mit der Wertekurve des gegenwärtigen und potenziellen Wettbewerbs.
Wertekurven innerhalb einer strategischen Gruppe (z. B. Premium- vs. Billiganbieter) sind meist austauschbar und bilden einen Branchenstandard ab.
Durch die Veränderung der Kernelemente, die zuvor definiert wurden, können Wertekurven dauerhaft verändert werden. Es gibt vier Maßnahmen, um Kernelemente neu zu definieren:
Eliminierung
Welche Faktoren müssen weggelassen werden? Die Nutzenüberlegungen der Kunden können sich stark ändern, so dass einige Komponenten eines Produkts eliminiert werden müssen.
Reduzierung
Was kann radikal gekürzt werden? Eine zu starke Differenzierung treibt die Kosten in die Höhe und kann die Kunden überfordern.
Steigerung
Welche Elemente des Produkts müssen über den Branchenstandard gehoben werden?
Kreierung
Welche Komponenten eines Produkts müssen neu erfunden werden? Durch die Abänderung der Kernelemente einer Wertekurve sollen neue Geschäftsmodelle entwickelt werden können.
Umsetzung
Bei der Umsetzung sind zwei Aspekte zu berücksichtigen:
- Organisatorische Hürden überwinden (Tipping-Point-Management)
- Die Umsetzung in die Strategie einbinden
Blue Ocean vs. Red Ocean
Red Ocean Strategy
- Wettbewerb im vorhandenen Markt
- Die Konkurrenz schlagen
- Die existierende Nachfrage nutzen
- Direkter Zusammenhang zwischen Nutzen und Kosten
- Ausrichtung des Gesamtsystems der Unternehmensaktivitäten an der strategischen Entscheidung für Differenzierung oder niedrige Kosten
Blue Ocean Strategy
- Schaffung neuer Märkte
- Der Konkurrenz ausweichen
- Neue Nachfrage erschließen
- Aushebeln des direkten Zusammenhangs zwischen Nutzen und Kosten
- Ausrichtung des Gesamtsystems der Unternehmensaktivitäten auf Differenzierung und niedrige Kosten
Beispiele
Yellow Tail Wine
Wenn nicht das älteste, dann doch das wohl meistgenutzte Beispiel ist ein Weinproduzent aus Australien. Die Firma hatte das Stuck-in-the-Middle-Problem und konnte sich somit nicht richtig im Markt etablieren. Durch die Anpassung des Weins zu einem einfach zu trinkenden alkoholischen Getränk, einer Reduzierung der Qualität bei höheren Preisen, konnte die Firma gerettet werden. Neue Zielgruppe waren nicht mehr Weintrinker mit Anspruch an Qualität und Körper des Weins, sondern Biertrinker, die schlicht Alkohol konsumieren wollen.
Damit ist ein neuer Markt erschlossen worden bzw. die Firma hat Verdrängung auf dem Biermarkt betrieben.
Stuck in the Middle: Das Unternehmen ist zu klein, um mit den Marktführern zu konkurrieren, und zu groß, um die Nische der Spezialisten nutzen zu können.
Southwest Airlines
Das älteste Beispiel ist wohl die Geschichte des Low-Cost-Carriers (Billigfluganbieters) Southwest Airlines, der alternative Industrien betrachtete und einen neuen Nutzen für potenzielle Kunden kreierte. Southwest Airlines positionierte sich als Wettbewerber zum Auto, nicht zu anderen Airlines und passte seine Strategie an die sich ergebenden Bedürfnisse an:
- Reduzierte Preise durch Wegfall von zusätzlichen Dienstleistungen
- Verbesserte Check-In-Zeiten und Abflugfrequenz
- Ermöglicht dem Kunden eine hohe Reisegeschwindigkeit (Flugzeug) zu einem niedrigen Preis (vergleichbar mit Auto)
Hier hat also eine Neudefinition des Angebots stattgefunden. Kunde ist der gewöhnliche Reisende, nicht nur der Geschäfts- oder Urlaubsreisende.
The Body Shop
Ein weiteres prominentes Beispiel ist das Konzept von The Body Shop, der einen neuen funktionalen und emotionalen Nutzen in der Kosmetikindustrie stiftete. Der meist glamouröse Auftritt von Kosmetikkonzernen wurde bei dem Body-Shop-Konzept außer Acht gelassen. The Body Shop stach durch einen funktionalen Auftritt, reduzierte Preise und unprätentiöse Verpackungen hervor. Es wurde ein gesteigerter Wert auf natürliche Inhaltsstoffe, gesunden Lebensstil und ethische Belange gelegt. Dadurch erreichte The Body Shop einen neuen Kundenstamm und konnte sehr hohe Kosteneinsparungen erzielen (ca. 85 % der Kosten über Verpackung und Werbung).
Nintendo
Ein neueres Beispiel einer Blue-Ocean-Strategie ist der Erfolg der Spielekonsole Nintendo Wii, welche für eine neue Zielgruppe für Videospiele entwickelt wurde. Nintendo weicht mit einem Steuerungskonzept mit Bewegungssensoren dem Konkurrenzkampf um Grafik- und Rechenleistung anderer Konsolen wie Microsofts Xbox oder Sonys PlayStation aus.
Nespresso
Ein weiteres Beispiel ist die Einführung des Kaffeesystems Nespresso durch den Lebensmittelkonzern Nestlé.
Cirque du Soleil
Cirque du Soleil hat sich im Zirkuswettbewerb einen neuen Markt geschaffen. Die augenfälligste Besonderheit ist, dass anders als in konventionellen Zirkussen keine Tiere gezeigt werden. Vielmehr stehen hier der Künstler und die Kombination von Unterhaltungselementen wie Oper, Ballett und Rockmusik im Vordergrund. Die Musik wird dabei ausschließlich live gespielt. Zielgruppe sind nicht mehr vornehmlich Familien mit Kindern, sondern Erwachsene, die bereit sind, für hochwertige Unterhaltung einen entsprechend höheren Eintrittspreis zu bezahlen.
Das Buch 'Blue Ocean Strategy'
Blue Ocean Strategy ist ein 2004 veröffentlichtes Buch von W. Chan Kim und Renée Mauborgne, beide Professoren am INSEAD, eine 1957 gegründete private Wirtschaftshochschule mit Unternehmenssitz in Frankreich. Es ist auch der Name der im Buch beschriebenen Marketingtheorie und dort zunächst als Value Innovation (Nutzeninnovation) bezeichnet. Basierend auf empirischen Studien über eine Dauer von 15 Jahren konnten anhand der Analyse von mehr als 100 führenden Unternehmen Beispiele von Unternehmen gefunden werden, die neue, bis dahin ungenutzte Teilmärkte erschlossen und somit den bisherigen Wettbewerb irrelevant werden ließen.
Sie behaupten, dass diese strategischen Schritte einen Wertzuwachs für das Unternehmen, seine Käufer und seine Mitarbeiter schaffen, während sie neue Nachfrage erschließen und die Konkurrenz irrelevant machen. Das Buch stellt Analyserahmen und Instrumente vor, die die Fähigkeit eines Unternehmens fördern, systematisch „blaue Ozeane“ zu schaffen und zu erobern – unerforschte neue Marktbereiche. Eine erweiterte Ausgabe des Buches wurde 2015 veröffentlicht, während eine Fortsetzung mit dem Titel Blue Ocean Shift 2017 erschien.
Im ersten Teil werden die Schlüsselkonzepte der Blue-Ocean-Strategie vorgestellt, darunter Value Innovation – das gleichzeitige Streben nach Differenzierung und niedrigen Kosten – sowie wichtige Analyseinstrumente und Rahmenwerke wie die Strategieplanungsübersicht und das Vier-Aktionen-Rahmenwerk. Der Vier-Aktionen-Rahmen hilft dabei, den Zielkonflikt zwischen Differenzierung und niedrigen Kosten innerhalb eines Unternehmens zu beseitigen. Der Vier-Aktionen-Rahmen besteht aus den folgenden Elementen:
Anheben: Hier geht es um die Frage, welche Faktoren innerhalb einer Branche in Bezug auf Produkt-, Preis- oder Servicestandards angehoben werden müssen.
Beseitigen: Hier geht es um die Frage, welche Bereiche eines Unternehmens oder einer Branche vollständig eliminiert werden könnten, um die Kosten zu senken und einen völlig neuen Markt zu schaffen.
Verringern: Hier geht es um die Frage, welche Bereiche des Produkts oder der Dienstleistung eines Unternehmens nicht unbedingt notwendig sind, aber in Ihrer Branche eine wichtige Rolle spielen, z. B. könnten die Kosten für die Herstellung eines bestimmten Materials für ein Produkt reduziert werden. Es kann also reduziert werden, ohne es ganz abzuschaffen.
Schaffen: Dies veranlasst die Unternehmen, bei ihren Produkten innovativ zu sein. Durch die Schaffung eines völlig neuen Produkts oder einer neuen Dienstleistung kann ein Unternehmen seinen eigenen Markt schaffen, indem es sich von der Konkurrenz abhebt.
Im zweiten Teil werden die vier Grundsätze der Blue-Ocean-Strategieformulierung beschrieben. Diese vier Formulierungsprinzipien befassen sich damit, wie ein Unternehmen blaue Ozeane schaffen kann, indem es über die sechs konventionellen Grenzen des Wettbewerbs (Six Paths Framework) hinausblickt, sein Planungsrisiko reduziert, indem es die vier Schritte der Strategievisualisierung befolgt, neue Nachfrage schafft, indem es die drei Ebenen der Nichtkunden erschließt, und eine kommerziell lebensfähige Blue-Ocean-Idee auf den Markt bringt, indem es den beispiellosen Nutzen eines Angebots mit der strategischen Preisgestaltung und der Zielkostenberechnung in Einklang bringt und Akzeptanzhürden überwindet. Das Buch zeigt anhand zahlreicher Beispiele aus verschiedenen Branchen, wie man aus dem traditionellen wettbewerbsorientierten (strukturalistischen) strategischen Denken ausbricht und die Nachfrage und den Gewinn für das Unternehmen und die Branche mit Hilfe des strategischen Denkens des blauen Ozeans (rekonstruktivistisch) steigern kann. Die vier Prinzipien sind:
- Schaffung von unangefochtenem Marktraum durch Neuordnung der Marktgrenzen
- Konzentration auf das große Ganze
- Über die bestehende Nachfrage und das bestehende Angebot hinaus in neue Markträume vordringen
- Die richtige strategische Reihenfolge finden
Im dritten und letzten Teil werden die beiden wichtigsten Umsetzungsprinzipien der Blue-Ocean-Strategie beschrieben, darunter Tipping Point Leadership und faire Prozesse. Diese Umsetzungsprinzipien sind für Führungskräfte unerlässlich, um die vier wichtigsten organisatorischen Hürden zu überwinden, die selbst die besten Strategien an der Umsetzung hindern können. Zu den vier Haupthindernissen gehören die kognitiven, ressourcenbezogenen, motivationalen und politischen Hürden, die die an der Strategieumsetzung beteiligten Personen daran hindern, die Notwendigkeit eines Bruchs mit dem Status quo zu erkennen, die Ressourcen für die Umsetzung der neuen Strategie zu finden, die Mitarbeiter für die Umsetzung der neuen Strategie zu gewinnen und die mächtigen Eigeninteressen zu überwinden, die den Wandel blockieren könnten.
In dem Buch lenken die Autoren die Aufmerksamkeit ihrer Leser auf die Korrelation von Erfolgsgeschichten in verschiedenen Branchen und die Formulierung von Strategien, die eine solide Grundlage für unkonventionellen Erfolg bieten – eine Strategie, die als „Blue Ocean Strategy“ bezeichnet wird. Im Gegensatz zur „Red-Ocean-Strategie“, dem konventionellen, aus der militärischen Organisation abgeleiteten Geschäftsansatz zur Überwindung der Konkurrenz, versucht die „Blue-Ocean-Strategie“, Innovation mit Nutzen, Preis und Kostenpositionen in Einklang zu bringen. Das Buch spottet über das Phänomen der konventionellen Wahl zwischen Produkt-/Dienstleistungsdifferenzierung und niedrigeren Kosten, sondern schlägt vielmehr vor, dass sowohl Differenzierung als auch niedrigere Kosten gleichzeitig erreicht werden können.
Die Autoren fragen die Leser: „Was ist die beste Analyseeinheit für profitables Wachstum? Unternehmen? Branche?“ – eine grundlegende Frage, ohne die jede Strategie für profitables Wachstum nicht sinnvoll ist. Die Autoren begründen mit originellen und praktischen Ideen, dass weder das Unternehmen noch die Branche die beste Analyseeinheit für profitables Wachstum ist; vielmehr ist es der strategische Schachzug, der den „blauen Ozean“ und eine anhaltend hohe Leistung schafft. Das Buch untersucht die Erfahrungen von Unternehmen aus so unterschiedlichen Bereichen wie Uhren, Wein, Zement, Computern, Automobilen, Textilien, Kaffeemaschinen, Fluggesellschaften, Einzelhändlern und sogar dem Zirkus, um diese grundlegende Frage zu beantworten und baut auf dem Argument auf, dass „Wertinnovation“ der Eckpfeiler einer Blue-Ocean-Strategie ist. Wertinnovation ist notwendigerweise die Ausrichtung der Innovation auf Nutzen, Preis und Kosten. Dies schafft einen unbestrittenen Marktraum und macht den Wettbewerb irrelevant. Die neuen Kapitel in der erweiterten Ausgabe des Buches befassen sich mit der Frage, wie die drei strategischen Propositionen Wert, Gewinn und Menschen entwickelt und aufeinander abgestimmt werden können, wie die Blue-Ocean-Strategie sowohl auf Geschäfts- als auch auf Unternehmensebene aufrechterhalten und erneuert werden kann und wie die Red-Ocean-Fallen vermieden werden können, durch die Unternehmen im bestehenden Markt verankert bleiben, selbst wenn sie versuchen, neue Markträume zu schaffen.[7] Im folgenden Abschnitt wird das dem Buch zugrunde liegende Konzept im Detail erläutert.
Kritik
Viele der Schlüsselkonzepte des Buches wurden bereits in Competing For The Future von Gary Hamel und C.K. Prahalad behandelt, das 1996 veröffentlicht wurde. Die Autoren ermutigten die Manager, neue Marketingräume abzustecken, die sie als weißen Raum bezeichneten, um „neue Chancen zu schaffen und zu beherrschen“.
Xpert.Digital – Konrad Wolfenstein
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