Verteidigungsetat: Steigende Ausgaben und anhaltende Unzufriedenheit – Warum reicht das Geld trotzdem nicht?
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Veröffentlicht am: 18. August 2025 / Update vom: 18. August 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein
Verteidigungsetat: Steigende Ausgaben und anhaltende Unzufriedenheit – Warum reicht das Geld trotzdem nicht? – Bild: Xpert.Digital
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Ein Fass ohne Boden? Wohin die Milliarden im neuen Verteidigungshaushalt wirklich fließen
In den vergangenen Jahren hat sich der Verteidigungsetat in Deutschland und zahlreichen NATO-Staaten deutlich erhöht. Dennoch ist die öffentliche und politische Unzufriedenheit mit der Höhe der bereitgestellten Mittel nach wie vor groß. Die Diskussion um die Ausgaben für Verteidigung und die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO prägt längst nicht nur die Haushaltsdebatte, sondern wird auch von strategischen, sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Entwicklungen vorangetrieben. Eine neutrale Person würde sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen stellen: Warum steigen die Verteidigungsausgaben? Was steht hinter dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO? Genügen die steigenden Mittel? Welche Probleme bleiben ungelöst? Die folgenden Frage-und-Antwort-Passagen beleuchten diese Themen systematisch.
Was versteht man unter dem Verteidigungsetat und wie hat er sich in Deutschland entwickelt?
Der Verteidigungsetat ist der Teil des Bundeshaushalts, der für die Ausgaben der Bundeswehr und die militärische Verteidigung Deutschlands bereitgestellt wird. Er umfasst die Mittel für den Betrieb, Investitionen, Materialerstattung, Personal und Forschung innerhalb der Streitkräfte.
In Deutschland war der Verteidigungsetat über viele Jahre relativ konstant oder stieg nur leicht an. Im Haushaltsjahr 2021 lag er bei 46,93 Milliarden Euro. Das entsprach einer Steigerung um rund 2,8 Prozent gegenüber 2020. In den Folgejahren wurden die Mittel weiter erhöht, insbesondere vor dem Hintergrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage durch den russischen Angriff auf die Ukraine und den gestiegenen Anforderungen seitens der NATO. Für 2024 beträgt der Verteidigungshaushalt 51,95 Milliarden Euro, und für 2025 sind 62,43 Milliarden Euro geplant – ohne Berücksichtigung des Sondervermögens Bundeswehr. Mit Einrechnung des Sondervermögens steigen die Ausgaben für die Bundeswehr auf 86,49 Milliarden Euro im Jahr 2025.
Warum steigen die Verteidigungsausgaben in Deutschland und anderen NATO-Staaten?
Die Erhöhungen der Verteidigungsausgaben resultieren aus verschiedenen Faktoren. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde deutlich, dass viele europäische Staaten ihre Verteidigungsfähigkeit steigern müssen. Deutschland hat sich im Rahmen der „Zeitenwende“-Politik verpflichtet, seine Streitkräfte leistungsfähiger und einsatzbereiter zu machen.
Weiterer Anlass für die Steigerung ist das Zwei-Prozent-Ziel der NATO, das vorsieht, dass Mitgliedstaaten mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Dazu kamen gestiegene Erwartungen innerhalb der Allianz, insbesondere durch die USA, die einen stärkeren Beitrag der europäischen Partner fordern. Länder wie Polen, Estland und das Vereinigte Königreich investieren sogar weit über diesen Wert hinaus. Die Bundesregierung hat im Jahr 2024 erstmals vermeldet, das Zwei-Prozent-Ziel zu erfüllen und für Verteidigungsaufgaben rund 90 Milliarden Euro auszugeben, entsprechend etwa 2,12 Prozent des BIP.
Was ist das Zwei-Prozent-Ziel konkret und warum ist es umstritten?
Das Zwei-Prozent-Ziel wurde 2014 beim NATO-Gipfel in Wales als Richtwert vereinbart. Es sollte sicherstellen, dass alle NATO-Mitglieder sich bei einem Mindestmaß an Verteidigungsausgaben engagieren. Die Vereinbarung war ursprünglich weniger verbindlich formuliert – die Staaten sollten sich „auf das Ziel zubewegen“. Erst beim Gipfel in Vilnius 2023 wurde die Zwei-Prozent-Marke als verpflichtende Untergrenze festgelegt.
Das Ziel ist vor allem deshalb umstritten, weil es lediglich auf Ausgabenhöhe abzielt und nicht auf die Effizienz oder den tatsächlichen Sicherheitsbedarf. Kritiker bemängeln, dass Höhe allein keine Aussage über die militärische Leistungsfähigkeit oder die kluge Mittelverwendung mache.
Wie setzt sich der Verteidigungshaushalt zusammen und welche Bereiche profitieren am meisten?
Der Verteidigungshaushalt unterteilt sich in vier grundlegende Kategorien: Betriebsausgaben, Betreiberverträge zur Weiterentwicklung der Bundeswehr, investive Ausgaben sowie Versorgungsausgaben.
Im Jahr 2025 beispielsweise sind erhebliche Mittel für militärische Beschaffungen vorgesehen. Der größte Einzelposten sind die Personalausgaben, die von 22,47 Milliarden Euro in 2024 auf 23,89 Milliarden Euro in 2025 steigen. Die Mittel für militärische Beschaffungen springen von 15,2 Milliarden Euro (2024) auf 21,64 Milliarden Euro (2025). Davon profitieren etwa die Ausstattung mit Munition, Fahrzeugen, Flugzeugen, Digitalisierungsprojekten und weitere systemrelevante Bereiche. Für Forschung und Technologie hingegen sinken die Mittel leicht von 565 Millionen Euro auf 500 Millionen Euro.
Die Struktur des Verteidigungshaushalts hat sich damit verschoben, die Investitionen in Ausrüstung und Material stehen im Vordergrund. Gleichzeitig sollen mehr als 10.000 militärische und 1.000 zivile Planstellen geschaffen werden.
Welche Rolle spielen Sondervermögen und neue Finanzierungsinstrumente?
Nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs wurde ein Sondervermögen für die Bundeswehr aufgelegt, zunächst mit 100 Milliarden Euro. Die Bundesregierung plant für die kommenden Jahre, neben dem regulären Haushaltsplan weitere Sondermittel für Verteidigung und Infrastruktur zu schaffen. Für 2025 sollen rund 24 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen fließen.
Darüber hinaus ist im März 2025 die Schuldenbremse für Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben teilweise ausgesetzt worden. Gelder, die den Schwellenwert von einem Prozent des BIP übersteigen, dürfen per Kredit finanziert werden und fallen damit aus dem bisherigen Haushaltsregime. Perspektivisch ist sogar ein weiteres Sondervermögen von bis zu 500 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte geplant.
Diese Neuerungen führen zu einer deutlich größeren Flexibilität und werfen Fragen hinsichtlich der langfristigen Tragfähigkeit und des Schuldendienstes auf, da die aufgenommenen Kredite bedient werden müssen. Für 2025 sind allein 33,2 Milliarden Euro für den Schuldendienst eingeplant.
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Warum bleibt die Unzufriedenheit trotz steigender Mittel bestehen?
Trotz der erhöhten Mittel hält sich die Unzufriedenheit mit der Höhe der Verteidigungsausgaben sowohl auf politischer, militärischer als auch gesellschaftlicher Ebene. Verschiedene Ursachen werden genannt:
1. Strukturelle Defizite und Nachholbedarf
Viele Experten, einschlägige Studien und auch Vertreter der Bundeswehr argumentieren, dass die jahrzehntelange Vernachlässigung der Streitkräfte nicht durch einige wenige Jahre erhöhter Ausgaben wettgemacht werden kann. Es mangelt an einsatzbereiter Ausrüstung, moderner Infrastruktur und strategischer Planung.
2. Effizienz und Mittelverwendung
Kritik richtet sich nicht nur auf die absolute Höhe, sondern vor allem auf die Effizienz der Mittelverwendung. Beschaffungsprojekte dauern oft Jahre, und die Bürokratie bremst die Modernisierung aus.
3. Erwartungshaltung und internationale Vergleiche
Im internationalen Vergleich ist Deutschland erst seit kurzer Zeit in der oberen Mitte der NATO-Ausgaben angekommen. Länder wie Polen oder die USA liegen in Bezug auf Verteidigungsinvestitionen deutlich höher. Zudem wächst mittlerweile der Druck, das Ziel von 2 Prozent auf 3,5 oder sogar 5 Prozent anzuheben.
4. Innere und äußere Herausforderungen
Die Bundeswehr steht vor komplexen Aufgaben: von der Landes- und Bündnisverteidigung über Cyberabwehr bis hin zu Auslandseinsätzen. Viele dieser Bereiche sind unterfinanziert, und die permanente Nachjustierung des Haushalts bringt keine nachhaltige Lösung.
Welche Forderungen und Reformvorschläge gibt es in der politischen Debatte?
In Deutschland und anderen NATO-Staaten mehren sich Forderungen, den Verteidigungsetat weiter zu erhöhen. Vertreter verschiedener Parteien und Fachkreise diskutieren Zielwerte von drei oder mehr Prozent des BIP. Beispielhaft sprach der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck zu Jahresbeginn von einer Zielgröße von 3,5 Prozent, was einer Verdreifachung des Wehretats entsprechen würde. Die CSU nennt drei Prozent als Ziel für die kommenden zehn Jahre.
Zugleich gibt es politische Initiativen, die Finanzierung der Verteidigung und Sicherheit von der strikten Haushaltsdisziplin zu lösen. Die Reform der Schuldenbremse und die Kopplung der Mittel an den Sicherheitsbedarf des Landes sind zentrale Elemente dieser Debatte.
Was bedeutet der Verteidigungsetat für die Zukunft der Streitkräfte und die Sicherheit Deutschlands?
Eine konsequente Erhöhung und nachhaltige Finanzierung des Verteidigungsetats ist Voraussetzung dafür, dass die Bundeswehr und andere Teilbereiche der deutschen Sicherheitsarchitektur ihre Aufgaben zuverlässig erfüllen können. Akuter Nachholbedarf besteht in der Modernisierung von Material, Munitionsvorräten und der Infrastruktur. Die Erhöhung der Mittel ermöglicht es, zentrale Projekte umzusetzen, den Personalaufwuchs zu beschleunigen und die Bündnisverpflichtungen zu erfüllen. Das gesteigerte Budget sendet nicht zuletzt ein Signal in Richtung der internationalen Partner und steht für die Übernahme erweiterter Verantwortung im Rahmen der NATO.
Allerdings bleiben zahlreiche Herausforderungen: Die Effektivität hängt davon ab, wie die Mittel verwendet werden, wie schnell die Reformen greifen und ob Deutschland bereit ist, mit weiteren Steigerungen seinen Beitrag zur internationalen Sicherheit zu leisten.
Bleiben Bedenken hinsichtlich des gesellschaftlichen Rückhalts und der Tragfähigkeit?
Der gesellschaftliche Rückhalt für steigende Verteidigungsausgaben ist in Deutschland traditionell schwächer als in anderen NATO-Staaten. Die Debatte um soziale Ausgaben, Infrastruktur und Bildungsinvestitionen konkurriert mit der Notwendigkeit der Erhöhung der Verteidigungssysteme. Die Finanzierung über neue Schulden wird von manchen Experten und Teilen der Öffentlichkeit kritisch gesehen, da die langfristigen Folgekosten und die Konkurrenz zu anderen Staatsaufgaben berücksichtigt werden müssen.
Gibt es historische Vergleiche und internationale Unterschiede?
Im historischen Vergleich hat der Bund nach der Wiedervereinigung ähnliche Summen wie heute für den Aufbau Ost investiert – mit nachhaltigen Wirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft. Das aktuelle Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur ist mithin kein Novum, sondern ein Ausdruck der veränderten globalen Sicherheitslage.
In NATO-Staaten variieren die Ausgaben deutlich: Polen investiert über 4 Prozent des BIP in Verteidigung, die USA liegen bei rund 3,4 Prozent. Estland, Griechenland, Großbritannien und die USA waren lange Zeit die Spitzenreiter, während Länder wie Luxemburg, Spanien oder Belgien deutlich darunter liegen. Erst durch den russischen Angriff auf die Ukraine hat sich das Investitionsverhalten der Europäer deutlich verändert.
Wie sieht die Prognose für die kommenden Jahre aus?
Die mittelfristige Finanzplanung sieht eine weitere Erhöhung der Mittel vor. Laut Bundesministerium der Verteidigung soll der Einzelplan 14 von rund 62,43 Milliarden Euro (2025) auf 152,83 Milliarden Euro (2029) steigen. Dies würde die Bundeswehr dauerhaft in die Lage versetzen, ihre Verpflichtungen, Aufgaben und Bündnisverpflichtungen aktiv zu erfüllen.
Die weitere Entwicklung hängt von der sicherheitspolitischen Lage, politischen Entscheidungen und dem erfolgreichen Abschluss der aktuellen Reformen ab.
Welche Rolle spielt die Effizienzsteigerung in der Bundeswehr?
Nicht die Höhe des Budgets allein entscheidet über die Verteidigungsfähigkeit, sondern wie wirksam die Mittel in die Struktur, Modernisierung und Einsatzbereitschaft der Streitkräfte investiert werden. Optimierungen im Beschaffungswesen, der Digitalisierung und im Personalmanagement sind dafür entscheidend. Unzufriedenheit entsteht oft dort, wo finanzielle Mittel zwar erhöht, aber in der Praxis nicht wirkungsvoll oder rechtzeitig abgerufen werden. Die Bundeswehr hat beispielsweise in den vergangenen Jahren wiederholt Kritik an langwierigen und ineffizienten Prozessen im Materialmanagement geübt.
Verteidigungsetat zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Obwohl der Verteidigungsetat in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist und Deutschland erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erreicht hat, herrscht anhaltende Unzufriedenheit mit der Höhe und Wirksamkeit der Mittel. Die politische und gesellschaftliche Debatte dreht sich gleichermaßen um die Notwendigkeit weiterer Erhöhungen und die Effizienz der Verwendung des Budgets. Während die Bundesregierung die Mittel massiv aufstockt und neue Finanzierungsinstrumente etabliert, bleibt die Zukunftsfähigkeit der deutschen Verteidigung an die Umsetzung nachhaltiger Reformen, Modernisierung und gesellschaftlichen Rückhalt gebunden.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die verabschiedeten Reformen und die Erhöhung des Budgets tatsächlich zu einer leistungsstarken, modernen und auftragsgerechten Verteidigung führen oder ob strukturelle Defizite und neue Herausforderungen die anhaltende Unzufriedenheit weiter befeuern.
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Head of Business Development
Chairman SME Connect Defence Working Group
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