Der Premiumkollaps: Schock-Zahlen bei Mercedes – Warum der operative Gewinn um 70 Prozent abstürzt
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Veröffentlicht am: 29. Oktober 2025 / Update vom: 29. Oktober 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein

Der Premiumkollaps: Schock-Zahlen bei Mercedes – Warum der operative Gewinn um 70 Prozent abstürzt – Bild: Xpert.Digital
Fast ein Drittel weniger: So stark leidet Mercedes unter den Zöllen und dem Personalabbau
Premium-Krise? Mercedes verliert im wichtigsten Markt China deutlich
Der Premium-Automobilhersteller Mercedes-Benz steht unter massivem Druck und liefert mit den Zahlen des dritten Quartals einen schmerzhaften Beleg für die schwierigen globalen Marktbedingungen. Der Konzern musste einen dramatischen Gewinneinbruch hinnehmen, der vor allem durch Belastungen in China und die geopolitische Lage ausgelöst wurde.
Rechnet man Sonderfaktoren wie die hohen Kosten für den laufenden Personalabbau hinzu, brach der operative Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um schockierende 70 Prozent auf nur noch 750 Millionen Euro ein. Aber auch das bereinigte Betriebsergebnis sank um deutliche 17 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro.
Die Hauptursachen für diese Entwicklung sind vielschichtig: Neben massiven Absatzrückgängen im wichtigsten Markt China belasten vor allem die durch Importzölle in den USA ausgelösten Mehrausgaben sowie ungünstige Wechselkurse die Bilanz. Mercedes-Benz kämpft zudem mit einer zunehmend aggressiven Konkurrenz durch lokale Marken und aufstrebende Elektroautohersteller, die den Marktanteil in China untergraben.
Trotz der tiefroten Zahlen und des Verlusts von fast einem Drittel des operativen Ergebnisses zeigte sich Konzernchef Ola Källenius gefasst. Er bekräftigte, dass die Ergebnisse im Einklang mit der Prognose für das Gesamtjahr stehen. Mercedes-Benz rechnet weiterhin mit einem deutlichen Rückgang von Absatz, Umsatz und Vorsteuergewinn, hält aber entschlossen an seinen strategischen Zielen fest, um das Unternehmen langfristig neu auszurichten.
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Wenn deutsche Ingenieurskunst auf chinesische Marktdynamik trifft: Das Ende der automobilen Weltordnung
Die Quartalszahlen lesen sich wie der Anfang vom Ende einer Ära. Mercedes-Benz, jene Marke, die ein Jahrhundert lang für deutsche Ingenieurskunst und automobilen Luxus stand, meldet einen Gewinneinbruch von siebzig Prozent. Das bereinigte Betriebsergebnis sackte im dritten Quartal 2024 auf 750 Millionen Euro ab – ein Bruchteil dessen, was Analysten noch vor zwei Jahren für unmöglich gehalten hätten. Doch hinter diesen Zahlen verbirgt sich weit mehr als die zyklische Schwäche eines einzelnen Unternehmens. Sie markieren einen fundamentalen Bruch in der globalen Automobilindustrie, dessen Auswirkungen die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren prägen werden.
Die Transformation trifft die gesamte deutsche Automobilindustrie mit brutaler Wucht. Bei Audi brach der Gewinn 2024 um 33 Prozent ein, bei BMW um 37 Prozent, bei Volkswagen um 31 Prozent. Diese nahezu identischen Einbrüche um die dreißig Prozent sind kein Zufall, sondern Ausdruck einer strukturellen Verschiebung, die weit über konjunkturelle Schwankungen hinausgeht. Was hier geschieht, ist nicht weniger als die Neuordnung der automobilen Wertschöpfung im Weltmaßstab – und Europa droht dabei zum Verlierer zu werden.
Vom Wirtschaftswunder zur Strukturkrise: Die historische Entwicklung der deutschen Automobilmacht
Die deutsche Automobilindustrie galt über Jahrzehnte als Rückgrat der Exportnation. Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten Mercedes-Benz, BMW und später Volkswagen ein Geschäftsmodell, das auf technologischer Exzellenz, Ingenieurskunst und der Fähigkeit beruhte, für Qualität Preisprämien durchzusetzen. Die Premiumstrategie wurde zum Erfolgsgaranten: Während Volumenhersteller mit dünnen Margen kämpften, erzielten die deutschen Hersteller Renditen von fünfzehn Prozent und mehr.
Diese Dominanz basierte auf mehreren Säulen. Erstens kontrollierten deutsche Hersteller die gesamte Wertschöpfungskette des Verbrennungsmotors – von der Entwicklung hochkomplexer Aggregate über präzise Fertigungstechnologien bis zur Integration in Fahrzeuge. Ein in Europa hergestelltes Auto mit Verbrennungsmotor wies eine lokale Wertschöpfung von 85 bis 90 Prozent auf. Zweitens ermöglichte die enge Verflechtung mit einem leistungsfähigen Zulieferernetzwerk schnelle Innovationszyklen. Drittens bot der chinesische Markt ab den 2000er Jahren explosives Wachstum: Nirgendwo sonst waren Verbraucher bereit, derartige Summen für Premiumfahrzeuge auszugeben.
Mercedes-Benz verfolgte ab 2022 konsequent eine Luxusstrategie. Unter CEO Ola Källenius wurde das Portfolio in drei Kategorien aufgeteilt: Entry Luxury, Core Luxury und Top-End Luxury. Die Idee: Durch Fokussierung auf die margenstarken Oberklasse-Modelle – S-Klasse, Maybach, G-Klasse, AMG – sollten über 75 Prozent der Entwicklungsinvestitionen in dieses Segment fließen, der Absatzanteil auf 60 Prozent wachsen. Die Strategie schien zunächst aufzugehen. 2021 verzeichnete Mercedes mit seinen Top-End-Fahrzeugen Verkaufsrekorde.
Doch dann brach das Fundament weg. Der chinesische Markt, auf dem Mercedes ein Drittel seines Absatzes erzielte, kollabierte. Die Verkäufe der Pkw-Sparte sanken 2024 in China um sieben Prozent, im dritten Quartal 2025 sogar um 27 Prozent. Zeitgleich brachen die Verkäufe von Oberklassefahrzeugen wie der S-Klasse um 14 Prozent ein. Die US-Importzölle unter Präsident Trump belasteten das Ergebnis zusätzlich mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Und die Elektrofahrzeuge, auf die Mercedes große Hoffnungen gesetzt hatte, verkauften sich 23 Prozent schlechter als im Vorjahr. Im Oktober 2025 ruderte Källenius zurück: Das Reizwort “Luxus” solle weitgehend aus der Strategie getilgt werden. Zu spät.
Tektonische Verschiebungen: Treiber, Akteure und die neue Marktordnung
Die Krise der deutschen Automobilindustrie ist das Resultat des Zusammentreffens mehrerer tektonischer Verschiebungen, die sich gegenseitig verstärken. An erster Stelle steht der Aufstieg chinesischer Hersteller zu technologischen Vorreitern. Was lange als “Billigkonkurrenz” abgetan wurde, hat sich als fundamentale Fehleinschätzung erwiesen.
BYD, der weltgrößte Hersteller von Elektrofahrzeugen, produziert 75 Prozent seiner Komponenten selbst – von Batteriezellen über Halbleiter bis zu Elektromotoren. Diese vertikale Integration verschafft dem Konzern Kostenvorteile von geschätzten 30 Prozent gegenüber Wettbewerbern. Im ersten Halbjahr 2025 verkaufte BYD über zwei Millionen Fahrzeuge, ein Wachstum von 31 Prozent. Geely steigerte sein operatives Ergebnis um 48 Prozent und kommt auf eine Profitmarge von 5,5 Prozent. Der chinesische Automobilmarkt wuchs 2024 weiter, doch westliche Hersteller hatten keinen Anteil daran.
Die Entwicklungszyklen chinesischer Hersteller liegen bei 18 bis 24 Monaten – weniger als die Hälfte der Zeit, die europäische Hersteller benötigen. Ein in China produziertes Elektrofahrzeug kostet in der Herstellung rund ein Drittel weniger als ein vergleichbares europäisches Modell. Chinesische Premiummarken wie ZEEKR, Denza oder NIO übertrumpfen sich gegenseitig mit technologischen Features und senken gleichzeitig massiv die Preise. Westliche Hersteller können in diesem Wettbewerb nicht mehr mithalten.
Die zweite Verschiebung betrifft die Elektromobilität selbst. Der Übergang vom Verbrennungsmotor zum Elektromotor verändert die Wertschöpfungsstrukturen fundamental. Ein Elektromotor besteht aus etwa 200 Teilen, ein Verbrennungsmotor aus über 2000. Die Batterie macht 30 bis 40 Prozent der Fahrzeugkosten aus, doch Deutschland und Europa haben diese Wertschöpfung weitgehend an China verloren. Über 90 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten für Lithium liegen in chinesischer Hand. Die Halbleiter, die im Software-Defined Vehicle eine zentrale Rolle spielen, kommen ebenfalls überwiegend aus Asien.
Drittens verschieben sich die Machtverhältnisse durch die Digitalisierung des Fahrzeugs. Software wird zum zentralen Wertschöpfungstreiber. Fahrzeuge erzeugen 25 Gigabyte Daten pro Stunde. Over-the-Air-Updates, Cloud-basierte Dienste und autonome Fahrfunktionen definieren die Produktdifferenzierung neu. Hier haben Tesla und chinesische Hersteller einen Vorsprung von Jahren. Deutsche Hersteller kämpfen mit verzögerten Softwareprojekten und mangelnder Integration.
Die vierte Verschiebung ist geopolitischer Natur. Die USA unter Präsident Trump verhängten im April 2025 Importzölle von 25 Prozent auf Fahrzeuge, die nicht in den USA produziert wurden. Im August 2025 wurde dieser Satz im Rahmen eines Deals auf 15 Prozent reduziert, doch die Belastung bleibt erheblich. Für die deutsche Autoindustrie, die 2024 Fahrzeuge im Wert von 35 Milliarden Euro in die USA exportierte, bedeutet dies einen Milliardenschaden. Auch die EU verhängte Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge, doch chinesische Hersteller antworten mit dem Aufbau von Produktionsstätten in Europa.
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Absturz in Echtzeit: Die gegenwärtige Lage der Automobilindustrie
Die Zahlen des Jahres 2024 und der ersten Monate 2025 zeichnen ein düsteres Bild. Die durchschnittliche EBIT-Marge von 14 globalen Automobilherstellern sank 2024 auf 6,3 Prozent, ein Rückgang von 20,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im ersten Halbjahr 2025 fiel sie weiter auf 4,3 Prozent, die operativen Gewinne brachen um über 40 Prozent ein. Besonders dramatisch war der Margenverfall bei Stellantis (von 11,8 auf 2,6 Prozent) und Nissan (minus 74 Prozent).
Bei Mercedes-Benz lag die bereinigte Umsatzrendite im dritten Quartal 2024 bei nur noch 4,7 Prozent. Das bereinigte EBIT sank um 48 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. BMW verzeichnete einen Gewinnrückgang um 37 Prozent, die EBIT-Marge fiel von 9,7 auf 6,3 Prozent. Bei Audi brach der Gewinn um 33 Prozent ein. Porsche, einst die Gewinnmaschine des VW-Konzerns mit Margen von 15 Prozent, meldete im dritten Quartal 2025 einen Betriebsverlust von 967 Millionen Euro – der höchste in der Unternehmensgeschichte.
Der Absatz deutscher Hersteller schrumpfte parallel. Mercedes verkaufte 2024 weltweit 1,98 Millionen Pkw, ein Rückgang von drei Prozent. In China sanken die Verkäufe um sieben Prozent, bei Elektrofahrzeugen sogar um 23 Prozent. Im dritten Quartal 2025 beschleunigte sich der Absatzrückgang auf zwölf Prozent. Die gesamte deutsche Automobilindustrie produzierte 2024 fast vier Prozent weniger als im Vorjahr, der Umsatz sank um fünf Prozent.
Die Beschäftigung befindet sich im freien Fall. 2024 verlor die deutsche Automobilindustrie 51.500 Arbeitsplätze, seit 2019 sind es bereits 112.000. Bis 2030 könnten weitere 90.000 bis 98.000 Jobs wegfallen. Mercedes plant im Rahmen seines Sparprogramms “Next Level Performance” Kosteneinsparungen von fünf Milliarden Euro bis 2027. Bis zu 20.000 Stellen sollen weltweit gestrichen werden. Rund 4000 Mitarbeiter haben bereits Abfindungsangebote angenommen, manche Führungskräfte erhielten bis zu 500.000 Euro.
Die Überkapazitäten verschärfen die Krise. In Westeuropa – Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien – liegt die Auslastung der Automobilwerke bei nur 54 Prozent. Volkswagen kündigte die Schließung von zwei Werken an. Die globale Automobilproduktion wird voraussichtlich erst 2028 wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen – bei steigenden Marktanteilen chinesischer Hersteller.
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Mercedes im Umbruch: Wie chinesische Hersteller Deutschlands Premiumstrategie aushebeln
Kontrastierende Strategien: Deutschland versus China – ein Systemvergleich
Der Vergleich zwischen deutschen und chinesischen Automobilherstellern offenbart fundamentale Unterschiede in Strategie, Struktur und staatlicher Unterstützung. Während deutsche Hersteller auf evolutionäre Anpassung ihrer bestehenden Geschäftsmodelle setzen, verfolgen chinesische Akteure disruptive Ansätze, die auf systematischer Überinvestition und rasanter Skalierung basieren.
Mercedes-Benz verkörpert den deutschen Ansatz: Fokussierung auf Premiumsegmente, schrittweise Elektrifizierung parallel zum Verbrennungsmotorangebot, Betonung von Markenwerten wie Qualität und Luxus. Diese Strategie zielt darauf ab, hohe Margen zu verteidigen, selbst wenn dies geringere Stückzahlen bedeutet. Das Konzept funktionierte, solange zahlungskräftige Kunden in China bereit waren, Aufpreise für den Stern zu zahlen. Doch genau diese Bereitschaft schwindet. Chinesische Oberklasse-Elektrofahrzeuge übertreffen deutsche Premiummarken inzwischen bei Technologie, Ausstattung und Preis-Leistungs-Verhältnis. Junge Käufer bevorzugen eindeutig lokale Marken.
BYD repräsentiert den chinesischen Gegenentwurf. Der Konzern produziert 2024 über 3,6 Millionen Fahrzeuge, hat sich unter die Top-4-Hersteller weltweit katapultiert und wächst mit 31 Prozent jährlich. Die Strategie: vertikale Integration über die gesamte Wertschöpfungskette, aggressive Preissenkungen durch Kostenvorteile, parallele Entwicklung mehrerer Marken für unterschiedliche Segmente (BYD, Denza, Yangwang), rasante Expansion nach Europa mit dem Bau von Fabriken in Ungarn, der Türkei und möglicherweise Deutschland.
Geely verfolgt einen Portfolio-Ansatz. Der Konzern hält Anteile an Mercedes, Volvo, Polestar und Aston Martin. Er bringt über verschiedene Marken – Geely, Zeekr, Lynk & Co – Fahrzeuge in unterschiedlichen Preisklassen auf den Markt und steigerte sein operatives Ergebnis 2024 um 48 Prozent. Diese Diversifikationsstrategie verschafft Geely Marktzugang, Skaleneffekte und technologischen Wissenstransfer.
Die Rolle des chinesischen Staates ist dabei entscheidend. Massive Subventionen für Batteriefertigung, Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur haben die Industrie aufgebaut. Die systematische Kontrolle über Rohstofflieferketten – von Lithium über Kobalt bis zu Seltenen Erden – sichert strategische Unabhängigkeit. Die Fokussierung auf New Energy Vehicles (NEVs) als Staatsdoktrin hat einen Binnenmarkt geschaffen, in dem 2024 bereits 50 Prozent aller verkauften Fahrzeuge elektrifiziert waren.
Deutschland dagegen kämpft mit regulatorischen Unsicherheiten, schwankender Förderpolitik und fragmentierten Ansätzen. Die Abschaffung der Kaufprämie für Elektrofahrzeuge ließ den Absatz einbrechen. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur hinkt dem Bedarf hinterher. Während China gezielt eine integrierte Strategie aus Industriepolitik, Infrastruktur und Marktentwicklung verfolgt, agiert Europa reaktiv.
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Verwerfungen und Zielkonflikte: Die Schattenseiten der Transformation
Die Transformation der Automobilindustrie produziert massive soziale und ökonomische Verwerfungen. Die Beschäftigungseffekte sind dramatisch. Zwar entstehen neue Jobs in IT, Softwareentwicklung und Batterieproduktion – seit 2019 wuchs die IT-Beschäftigung in der deutschen Automobilindustrie um 25 Prozent – doch diese Zuwächse kompensieren die Verluste nicht annähernd. Besonders betroffen sind Zulieferer, die auf Verbrennungsmotorkomponenten spezialisiert sind. Von den zehn größten Berufsgruppen in der Automobilindustrie zählen sieben zu denen mit den größten Jobverlusten seit 2019. Berufe in Maschinenbau, Betriebstechnik und Metallbearbeitung verlieren massiv an Relevanz.
Die regionale Dimension verschärft die Problematik. 36 Landkreise in Deutschland sind besonders von der Autokrise bedroht. In Regionen wie Baden-Württemberg, wo die Automobilindustrie traditionell dominiert, drohen Strukturbrüche. Die soziale Absicherung des Transformationsprozesses bleibt ungelöst. Während Mercedes mit Abfindungsprogrammen und Beschäftigungsgarantien bis 2034 agiert, können kleinere Zulieferer solche Sicherheiten nicht bieten.
Gleichzeitig zeichnen sich fundamentale Zielkonflikte ab. Die EU strebt Klimaneutralität bis 2050 an und setzt auf strikte CO2-Flottengrenzwerte. Doch die Transformation zur Elektromobilität verschlingt Investitionen von hunderten Milliarden Euro und belastet die Gewinne massiv. Porsche musste die Einführung vollelektrischer Modelle verzögern und kehrt zu Verbrennern zurück, was Sonderkosten von 3,1 Milliarden Euro verursacht. Die zweigleisige Strategie – parallele Entwicklung von Verbrennern und Elektrofahrzeugen – lässt die Kosten explodieren.
Die Abhängigkeit von China birgt geopolitische Risiken. Europa hat die Batterieproduktion weitgehend verloren. Wenn Europa es nicht schafft, 75 Prozent der Batteriewertschöpfung zu lokalisieren, könnten bis 2035 400 Milliarden Dollar Wertschöpfung verlorengehen. Die Verletzlichkeit zeigt sich in der aktuellen Chipkrise: Selbst bei einfachsten Bauteilen ist die Industrie von asiatischen Zulieferern abhängig.
Kontrovers ist auch die Frage nach der richtigen Antriebstechnologie. Während die EU auf batterieelektrische Fahrzeuge setzt, warnen Teile der Industrie vor einseitiger Festlegung. Die Ladeinfrastruktur bleibt eine Herausforderung. Deutschland benötigt bis 2030 zwischen 380.000 und 680.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, bis 2035 könnten es über eine Million sein. Der Ausbau ist teuer, die Wirtschaftlichkeit für Betreiber oft nicht gegeben. In ländlichen Regionen fehlen Ladepunkte, Reichweitenangst bleibt ein Hindernis.
Die Konsolidierungswelle, die der Industrie bevorsteht, wird weitere Opfer fordern. Bei sinkenden Margen und zunehmendem Preisdruck können nicht alle Hersteller überleben. In China konkurrieren über 100 Automarken, langfristig werden nur fünf bis zwanzig überleben. In Europa droht ein ähnliches Szenario. Stellantis und Nissan befinden sich bereits in existenziellen Krisen. Die deutsche Industrie steht vor der Wahl: drastischer Kostenschnitt und Kapazitätsabbau oder weiterer Marktanteilsverlust.
Disruptive Szenarien: Mögliche Entwicklungspfade bis 2035
Die Zukunft der europäischen und insbesondere deutschen Automobilindustrie lässt sich in drei Szenarien abbilden, die McKinsey in einer Studie skizziert hat.
Im disruptiven Szenario dominieren neue Marktteilnehmer – vor allem chinesische Hersteller – den europäischen Markt. Der heimische Marktanteil europäischer Hersteller fällt von 60 Prozent (2023) auf 45 Prozent (2035), die Exporte sinken um 40 Prozent. Europa produziert 20 bis 25 Prozent weniger Fahrzeuge, die Importe steigen um 1,2 Millionen Einheiten. Die Bruttowertschöpfung sinkt um 365 Milliarden Euro. Dieses Szenario würde den Verlust von über einer Million Arbeitsplätzen bedeuten, zwei Drittel der geplanten Batterie-Investitionen wären gefährdet.
Das Basisszenario mit ehrgeizigen Plänen geht davon aus, dass europäische Hersteller ihre Marktanteile weitgehend halten können, wenn sie entschieden in Elektromobilität investieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Effizienzsteigerungen verbessern. In diesem Szenario könnte die Wertschöpfung bis 2035 leicht auf 2,2 Billionen Dollar steigen. Voraussetzung wären jedoch massive Investitionen in Batterieproduktion, Software-Entwicklung und Ladeinfrastruktur. Bis 2030 müssten in Europa 900 GWh Batteriekapazität entstehen, die Ladeinfrastruktur sich bis 2035 verfünffachen.
Im optimistischen Szenario mit vollem Potenzial gelingt es Europa, durch eine koordinierte Industrie- und Nachfragepolitik nicht nur Marktanteile zu verteidigen, sondern die Produktion auf das Vor-Krisenniveau von 16,8 Millionen Fahrzeugen jährlich zu steigern. Die Beschäftigung könnte auf heutigem Niveau gehalten werden, wenn Arbeitsplatzverluste in der Fahrzeugproduktion durch über 100.000 neue Jobs in der Batteriefertigung bis 2030 und 120.000 im Bereich Ladeinfrastruktur bis 2035 kompensiert werden.
Welches Szenario eintritt, hängt von mehreren Faktoren ab. Erstens von der Fähigkeit europäischer Hersteller, den Rückstand bei Softwareentwicklung und digitalisierten Fahrzeugarchitekturen aufzuholen. Das Software-Defined Vehicle ist die Zukunft, doch deutsche Hersteller kämpfen mit verzögerten Projekten. Zweitens von der Industriepolitik. Wenn die EU an den CO2-Flottengrenzwerten festhält und gleichzeitig Produktion und Nachfrage fördert, bestehen Chancen. Ein Aufweichen der Ziele würde hingegen zum Marktverlust führen.
Drittens sind geopolitische Entwicklungen entscheidend. Verschärfen sich Handelskonflikte mit den USA und China weiter, droht eine Fragmentierung globaler Märkte. Deutsche Hersteller müssten dann in allen Regionen lokal produzieren, was Skaleneffekte reduziert und Kosten erhöht. Viertens wird die Konsolidierung der Branche den Wettbewerb verändern. Schwache Hersteller werden übernommen oder verschwinden, Überkapazitäten müssen abgebaut werden.
Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor ist die Geschwindigkeit des Übergangs zu autonomen Fahrzeugen. Level-4-Automatisierung könnte bis 2030 in 47 Prozent der schweren Lkw implementiert sein, Level-5-Pkw werden frühestens ab 2035 in Serie verfügbar sein. Autonome Mobilität würde die Geschäftsmodelle erneut revolutionieren, von Hardware-Verkauf zu Mobility-as-a-Service. Hier haben Technologiekonzerne und chinesische Hersteller einen Vorsprung.
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Wendepunkt oder Endspiel: Strategische Auswirkungen für Politik und Wirtschaft
Die Krise bei Mercedes-Benz und der deutschen Automobilindustrie ist weit mehr als ein branchenspezifisches Problem. Sie markiert einen Wendepunkt in der globalen Industrieordnung. Die Frage ist nicht, ob sich die Machtverhältnisse verschieben, sondern wie stark und ob Europa in dieser neuen Ordnung noch eine relevante Rolle spielen wird.
Für Unternehmensführer bedeutet dies: Die Zeit gradueller Anpassungen ist vorbei. Notwendig sind radikale Entscheidungen. Mercedes hat zu spät erkannt, dass die Luxusstrategie in einem Markt nicht funktioniert, in dem chinesische Hersteller überlegene Technologie zu günstigeren Preisen anbieten. Die Rückkehr zu einer “breiteren” Strategie kommt spät, aber sie ist unvermeidbar. Andere Hersteller stehen vor ähnlichen Weichenstellungen: Rückzug aus unrentablen Segmenten, Konzentration auf Kernkompetenzen oder Fusion mit Wettbewerbern.
Die vertikale Integration muss neu bewertet werden. Die Abhängigkeit von asiatischen Batterieherstellern und Halbleiterproduzenten ist strategisch riskant. Europa braucht dringend eigene Kapazitäten. Die angekündigten Batteriefabriken sind ein Anfang, reichen aber nicht. Parallel müssen Automobilhersteller zu Softwareunternehmen werden. Das erfordert Kulturwandel, neue Kompetenzen und Partnerschaften mit Tech-Konzernen.
Für politische Entscheidungsträger ergibt sich ein Dilemma. Einerseits können Zölle und protektionistische Maßnahmen kurzfristig heimische Produzenten schützen. Andererseits beschleunigen sie die Verlagerung chinesischer Produktion nach Europa. BYD, Chery und Geely bauen bereits Fabriken in Ungarn, Spanien, der Türkei und planen weitere Standorte. Diese Werke werden mit niedrigeren Lohnkosten operieren als deutsche Standorte und von EU-Förderungen profitieren.
Eine wirksame Industriepolitik müsste mehrere Elemente umfassen. Erstens: Planungssicherheit durch verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen. Die ständigen Änderungen bei Kaufanreizen und Förderungen verunsichern Verbraucher und Hersteller. Zweitens: massive Investitionen in Ladeinfrastruktur und Netzausbau. Bis 2035 sind Investitionen im dreistelligen Milliarden-Bereich nötig. Drittens: Förderung von Forschung und Entwicklung in Schlüsseltechnologien wie Batterien, Halbleiter, Software und künstliche Intelligenz.
Viertens: soziale Abfederung der Transformation. Die Umschulung von hunderttausenden Beschäftigten aus der Verbrennungsmotorproduktion kann nicht den Unternehmen allein überlassen werden. Fünftens: strategische Rohstoffpolitik. Europa muss Zugang zu kritischen Materialien sichern und Recyclingkapazitäten aufbauen, um die Abhängigkeit von China zu reduzieren.
Für Investoren zeichnet sich ein klares Bild ab. Die Bewertungen deutscher Automobilhersteller sind nicht ohne Grund eingebrochen. Mercedes, BMW und VW handeln mit deutlichen Abschlägen gegenüber ihren historischen Bewertungen. Das spiegelt die Unsicherheit über ihre Zukunftsfähigkeit wider. Gleichzeitig bieten sich Chancen. Unternehmen, die die Transformation erfolgreich meistern, werden langfristig profitieren. Zulieferer, die auf Elektromobilität und digitale Komponenten setzen, haben Wachstumsperspektiven. Batterieunternehmen, Ladeinfrastruktur-Betreiber und Softwareanbieter für die Automobilindustrie werden Gewinner sein.
Die langfristige Bedeutung des Themas kann kaum überschätzt werden. Die Automobilindustrie trägt fast acht Prozent zum europäischen BIP bei, über drei Millionen Menschen arbeiten in Deutschland direkt oder indirekt für die Branche. Ihr Niedergang würde Europa wirtschaftlich und geopolitisch schwächen. Umgekehrt könnte eine erfolgreiche Transformation die Wettbewerbsfähigkeit stärken und neue Wachstumsfelder erschließen.
Was bei Mercedes-Benz geschieht, ist symptomatisch für eine tiefere Krise: Das Ende einer Ära, in der Europa industrielle Standards setzte und Technologieführerschaft selbstverständlich war. Die neue Weltordnung wird von anderen Akteuren dominiert – wenn Europa nicht radikal umsteuert. Die Zahlen aus Stuttgart sind mehr als ein Warnsignal. Sie sind der Anfang einer Neuordnung, deren Ausgang noch offen ist. Doch die Zeit läuft ab.
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