Europäische Gestaltungskompetenz statt technologische Abhängigkeit – Das französische Cloud-Modell als ökonomische Strategie
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Veröffentlicht am: 23. Dezember 2025 / Update vom: 23. Dezember 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein

Europäische Gestaltungskompetenz statt technologische Abhängigkeit – Das französische Cloud-Modell als ökonomische Strategie – Bild: Xpert.Digital
Frankreichs 1,2-Millionen-Nutzer-Beweis: Warum die „Alternativlosigkeit“ der US-Cloud ein teurer Irrtum ist
Schluss mit dem Microsoft-Zwang: Was Deutschland jetzt von der französischen IT-Strategie lernen muss
In der europäischen Digitalpolitik hält sich hartnäckig ein Dogma: Ohne die übermächtigen Infrastrukturen von Amazon, Microsoft und Google sei ein moderner, leistungsfähiger Staat nicht zu betreiben. Wer Cloud sagt, muss Hyperscaler meinen – so lautet die gängige Formel, die in deutschen Amtsstuben oft zu milliardenschweren Abhängigkeiten führt. Doch ein Blick über den Rhein zeigt, dass dieses Narrativ nicht nur politisch kurzsichtig, sondern auch ökonomisch falsch ist.
Während Deutschland seine Verwaltungsdigitalisierung zunehmend in die Hände US-amerikanischer Konzerne legt und sich damit in einen tiefgreifenden „Vendor Lock-in“ begibt, demonstriert Frankreich mit der Plattform apps.education.fr das Gegenteil. Was als Reaktion auf die Pandemie begann und durch die katastrophalen Brände der OVH-Rechenzentren eine strategische Neuausrichtung erfuhr, ist heute ein europäisches Leuchtturmprojekt: Eine staatliche Cloud-Infrastruktur auf Open-Source-Basis, die täglich Hunderttausende Nutzer bedient, Millionen Datensätze verwaltet und dabei vollständig unter demokratischer Kontrolle bleibt.
Die folgende Analyse deckt auf, warum der vermeintliche Kostenvorteil der Hyperscaler bei genauerem Hinsehen durch versteckte Gebühren (wie Egress-Kosten) und strategische Abhängigkeiten pulverisiert wird. Sie zeigt, wie Frankreich statt Lizenzgebühren in den Aufbau eigener technischer Kompetenz investiert und warum digitale Souveränität im Jahr 2025 keine romantische Utopie mehr ist, sondern eine harte ökonomische Notwendigkeit. Es ist der Vergleich zweier Denkschulen: Hier das deutsche Modell der bequemen, aber riskanten Anmietung von Fremdtechnologie – dort der französische Weg der mühsamen, aber lohnenden technologischen Emanzipation.
Wenn die Realität etablierte Mythen widerlegt: Eine Analyse des Paradigmenwechsels in der staatlichen Digitalisierung
Die Geschichte der modernen Cloud-Infrastruktur wird häufig als eine Geschichte unvermeidlicher Abhängigkeit erzählt. In dieser Erzählung spielen die amerikanischen Hyperscaler die Rolle der technologischen Heilsbringer, denen es keine Alternative gibt. Wer eigenständig Infrastruktur betreiben möchte, wird als weniger effizient, weniger sicher und fundamental weniger wettbewerbsfähig dargestellt. Dieses Narrativ hat sich in Deutschland so durchgesetzt, dass es kaum noch Widerstand erfährt – es wird als wirtschaftliche Realität behandelt, nicht als politische Entscheidung. Die französische Umsetzung von Apps.education.fr demonstriert jedoch etwas fundamental anderes: dass digitale Souveränität keine technische Utopie ist, sondern eine Frage der institutionellen Entscheidungsfreiheit.
Das französische Bildungsministerium hat mit dieser Plattform einen technisch ambitionierten Weg gewählt, der in mehrfacher Hinsicht symptomatisch für ein anderes europäisches Verständnis von digitaler Infrastruktur ist. Die Plattform versorgt heute über 337.000 Nutzer, technische Komplexität hin oder her, mit eigenständig betriebenen Cloud-Speicherlösungen. Die Projektgeschichte selbst ist informativ: 2018 gegründet, während der Coronapandemie innerhalb von sieben Tagen auf mehrere Zehntausend Nutzer ausgerollt, danach aber einer kritischen Bewährungsprobe ausgesetzt. Der Brand der OVH-Rechenzentren in Straßburg 2021 wurde zur entscheidenden Zäsur. OVH war als europäischer Cloud-Anbieter lange Zeit der Garant für eine Alternative zu den amerikanischen Hyperscalern. Als die Flammen das Rechenzentrum SBG2 zerstörten, verloren etwa 18 Prozent der über OVH versorgten IP-Adressen ihre Verfügbarkeit. Insgesamt gingen 3,6 Millionen Websites offline, darunter auch kritische französische Regierungsseiten. Für Frankreich war dies nicht nur ein technisches Desaster, sondern auch eine strategische Lektion: Abhängigkeit von einem einzelnen europäischen Provider ist ebenso fragwürdig wie Abhängigkeit von Hyperscalern.
Die französische Reaktion war präzise und langfristig orientiert. Das Bildungsministerium zog die logische Konsequenz und verlagerte den Betrieb vollständig in eigene, direkt kontrollierte Rechenzentren. Apps.education.fr wurde zur Testinstitution einer neuen Cloud-Philosophie. Diese Entscheidung lässt sich nicht als romantisches Bekenntnis zu Open-Source-Idealen abtun, sondern muss als rationale ökonomische Strategie verstanden werden: Der Staat entschied sich bewusst dafür, Kompetenz und Kontrolle dem Preis zu privilegieren.
Die unsichtbare Konstellation: Warum der europäische Preis-Vergleich systematisch verzerrt ist
Um die ökonomische Dimension dieser Entscheidung zu würdigen, muss man zunächst verstehen, wie das Kostenmodell der Hyperscaler funktioniert. Die großen Cloud-Anbieter – AWS, Microsoft Azure und Google Cloud – kalkulieren auf Basis eines Servicemodells, das mittels Operational Expenditure (OPEX) abgerechnet wird. Der Kunde zahlt für jeden genutzten Gigabyte Rechenleistung, für jede ausgehende Datenübertragung, für Transaktionen und für eine Vielzahl zusätzlicher Services. Diese Granularität in der Kostenkalkulation hat sich bewährt, ist aber auch strukturell asymmetrisch: Sie belohnt die Anbieter für intensive Nutzung und bestraft Abwanderung.
Die Realität der Egress-Kosten ist aufschlussreich. AWS berechnet 0,09 USD pro Gigabyte für ausgehende Datenübertragung, Google Cloud 0,05 USD, Microsoft Azure ebenfalls 0,05 USD. Diese Gebühren funktionieren als finanzielle Barriere, die einen Plattformwechsel verteuert. Bei großvolumigen Workloads kann der Datentransfer allein schnell in die Millionen gehen – ein Mechanismus, der Kundenbindung durch Kostenstrukturen erreicht, nicht durch technische Überlegenheit.
Die CloudStack-Studie zur Total Cost of Ownership liefert konkrete Zahlen für Frankfurt als Referenzstandort. Für ein identisches Computeworkload über drei Jahre kalkuliert die Studie folgende Ausgaben: AWS kostet 8,1 Millionen USD, Microsoft Azure 9 Millionen USD, Google Cloud Platform 10,2 Millionen USD. Die gleiche Architektur auf Basis von On-Premises-CloudStack mit Colocation in der Region Frankfurt kostet 4,6 Millionen USD, inklusive Hardware, Datacenter-Betrieb und Personalkosten. Das ist knapp 46 Prozent des AWS-Preises, über alle drei Jahre gerechnet.
Solche Zahlen sind nicht marginal. Sie erklären auch, warum europäische Regierungen plötzlich wieder daran denken, Infrastruktur zu kontrollieren. Der Finanzierungsvorteil ist real, insbesondere wenn Workloads stabil, vorhersehbar und kontinuierlich sind – genau das Profil eines öffentlichen Verwaltungssystems. Die Hyperscaler haben traditionell argumentiert, dass ihre Skalierbarkeit, ihre Servicequalität und ihr technologischer Vorsprung diese Kostendifferenz rechtfertige. Aber das Argument schwächt sich ab, wenn die Alternativen bewiesen haben, dass sie funktionieren.
Die französische Plattform hatte 100 Millionen Dateien und täglich 330.000 aktive Nutzer Ende 2025. Das ist kein Pilotprojekt, keine akademische Spielerei. Das ist ein vollständiger Verwaltungs-Service mit Millionen von Interaktionen täglich, betrieben auf Open-Source-Software, mit der Hoheit über die eigene Infrastruktur.
Die architektonische Komplexität als Mythos: Föderale Systeme und Identitätsmanagement im Massstab
Ein verbreitetes Argument gegen staatliche Cloud-Infrastruktur lautet: Die technische Komplexität ist zu hoch. Wer habe die Expertise, um Millionen Identitäten zu managen, heterogene Systeme zu föderieren und gleichzeitig Sicherheitsstandards zu halten? Das Argument verdient ernstgenommen zu werden – es ist kein unseriöser Einwand. Aber die empirische Realität zeigt, dass es übertrieben ist.
Apps.education.fr operiert mit 1,2 Millionen Identitäten in ihrer Zielarchitektur. Das ist ein großflächiges, echtes Identitätsmanagementsystem. Die Plattform ist föderiert, das heißt es bestehen mehrere Instanzen, die zusammenarbeiten müssen – Nextcloud-Cluster an mehreren Standorten, integriert mit Legacy-Systemen wie Tchap (einer französischen Chat-Lösung) und Zimbra (einem Mail-System). Diese Integration ist nicht trivial. Aber Sie ist gelöst worden. Das Ministerium hat in 18 Monaten 150 Tickets mit dem Nextcloud-Entwickler bearbeitet – ein Tempo, das eher pragmatisch als perfektionistisch ist. Es ist die Mentalität einer Behörde, die mit Rückschlägen rechnet und sie systematisch bearbeitet, nicht von Anfang an auf Perfektion setzt.
Die Skalierbarkeit von Open-Source-Lösungen wird häufig bezweifelt. Linux, Kubernetes, Docker, PostgreSQL werden kritisiert, als wären sie Hobbyisten-Projekte. Das ist historisch falsch. Der Kern dieser Software-Ökosysteme ist heute Teil der kritischen Infrastruktur von Tausenden Organisationen. LinkedIn läuft auf Linux-Kerneln, Netflix operiert Millionen von Containern mit Kubernetes, europäische Banken vertrauen Datenbanken wie PostgreSQL. Die Tatsache, dass diese Software open-source ist, macht sie nicht kleiner oder weniger leistungsstarker – es bedeutet nur, dass der Code für Inspektion offen liegt und dass niemand auf den Wohlwollen eines amerikanischen Unternehmens angewiesen ist, um Sicherheitspatches zu erhalten.
Die Architektur, die das französische Bildungsministerium für Apps.education.fr gewählt hat, ist sogar bewusst konservativ in ihren Ambition. Sie nutzt CEPH als verteiltes Speichersystem (dasselbe System, das Facebook, Dropbox und andere massive Operationen nutzen), Apache-Webserver für den Frontend, Redis für Caching und Galera-Cluster für die Datenbank. Keine dieser Komponenten ist experimentell. Sie sind alle Jahrzehnte erprobt, in millionenfach größeren Installationen. Die Komplexität liegt nicht in den einzelnen Komponenten, sondern in deren orchestriertem Zusammenspiel – und für diese Art von Kompositional Engineering gibt es mittlerweile robuste Best Practices.
Das Narrativ der Abhängigkeit und seine stillschweigende Umkehrung
Ein Phänomen in der deutschen Debatte ist bemerkenswert: Das Risiko des Vendor Lock-in wird bei europäischen oder eigenen Lösungen ständig beschworen, während es bei den Hyperscalern nahezu ignoriert wird. Das ist analytisch unkoherent. Ein Vendor Lock-in existiert bei Microsoft Azure, AWS und Google Cloud ganz genauso – nur dass er strukturell schwächer zu durchschauen ist, weil die Integration tiefer sitzt.
Wenn ein Unternehmen seine Anwendungslogik tief in die proprietären Services von Azure einwebt – wenn es Microsoft Cognitive Services für KI nutzt, Azure SQL Database mit ihren speziellen Features, Azure DevOps für die CI/CD-Pipeline, dann ist ein Wechsel zu Alternativen nicht unmöglich, aber massiv kostspielig. Die Ausstiegskosten umfassen nicht nur den Datentransfer (bei AWS können das Millionen sein), sondern auch die Neuentwicklung von Integrationen, die Umschulung von Teams auf andere Tools und die lange Übergangsphase, in der zwei Systeme parallel laufen.
Die versteckten Kosten dieser Abhängigkeit sind Gegenstand konzentrierter Forschung geworden. Eine European Cloud-Studie dokumentierte, dass europäische Cloud-Provider im Durchschnitt deutlich niedrigere Egress-Kosten haben als die Hyperscaler. Während AWS 0,09 USD/GB verrechnet, berechnen viele europäische Anbieter gar nichts oder Bruchteile davon. Das ist keine marginale Ersparnis – bei großvolumigen Transfers zwischen Applikationen kann das Tausende oder Millionen sparen. Ein Unternehmen, das Daten innerhalb einer souveränen Cloud-Infrastruktur bewegt, zahlt dafür nichts zusätzlich. Ein Unternehmen, das Azure nutzt, zahlt für jeden Transfer zwischen Servern in verschiedenen Zonen.
Frankreich hat diese Kostenstruktur beobachtet, kalkuliert und eine strategische Entscheidung getroffen: Es will nicht das Lock-in-Risiko anderer eingehen. Statt sich davon abhängig zu machen, dass ein Hyperscaler seine Pricing-Politik nicht ändert, dass er nicht abschaltet, dass er nicht seine Services modifiziert – statt sich also der geopolitischen Stimmung in Washington oder dem Strategiewechsel eines CEO zu unterwerfen – hat es sich entschieden, selbst die Kontrolle zu behalten.
Das französische Modell verlagert die Abhängigkeit vom externen Anbieter auf die interne Kompetenz. Das ist nicht dasselbe. Die interne Kompetenz muss gepflegt, aktualisiert und entwickelt werden. Aber sie ist unter staatlicher Kontrolle. Sie kann nicht von außen abgeschaltet oder plötzlich verteuert werden.
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Open-Source statt Hyperscaler: Die wirtschaftliche Logik hinter Frankreichs Erfolg
Geopolitische Realität und ihre ökonomischen Folgen
Die gegenwärtige geopolitische Konstellation macht die Kontrollfrage konkret. Die Vereinigten Staaten haben wiederholt signalisiert, dass sie ihre Cloud-Infrastruktur als Instrument ihrer Außenpolitik verstehen. Der Cloud Act von 2018 gibt dem FBI das Recht, Zugriff auf Daten zu fordern, die von US-Unternehmen gespeichert werden, unabhängig davon, wo diese Daten physisch lokalisiert sind. Microsoft hat diese Rechtsposition mehrfach verteidigt und bekräftigt, dass es Anforderungen nachkommt, auch wenn europäische Datenschutzgesetze das verbieten würden.
Das ist nicht Spekulation. Microsoft hat mit seinen “Sovereign Cloud”-Angeboten genau auf dieses Risiko reagiert. Google hat eine “European Sovereign Cloud” angekündigt. Diese Angebote sind damit ein implizites Eingeständnis, dass die Standard-Cloud-Services eben nicht unter europäischer Kontrolle stehen.
Für Deutschland ist diese Realität besonders drückend. Die Bundesregierung hat sich entschieden, Milliardenvolumina in Microsoft-Verträge auszulagern – teilweise ohne offene Ausschreibung, über die sogenannten Microsoft-Konditionenverträge. Ein Beispiel: Die Autobahn GmbH wollte 60 Millionen Euro für vier Jahre Cloud-Dienste ausgeben und initiierte eine Ausschreibung, die faktisch nur Microsoft offenstand. Nachdem Interventionen von Konkurrenten die Auschreibung zu Fall brachten, wurden die Bedingungen neu formuliert. Aber das Muster ist beständig: Deutschland zahlt Milliarden, während die Datenhoheit in San Francisco sitzt.
Frankreich hat diesen Weg nicht gewählt. Das heißt nicht, dass Frankreich die Hyperscaler ignoriert. Aber es hat für den öffentlichen Sektor, für Bildung, für kritische Infrastrukturen eine andere Entscheidung getroffen: Es behält Kontrolle. Apps.education.fr ist nur ein Symptom dieser grundsätzlichen Ausrichtung.
Die Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter als Kompetenzvorteil
Eine häufig übersehene Dimension dieser Entscheidung ist ihre Auswirkung auf die langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Eine Boston Consulting Group-Studie zeigt, dass französische Unternehmen und Organisationen deutlich mehr in digitale Innovation investieren als deutsche: 28 Prozent der französischen C-Level planen, 30-50 Prozent ihres Budgets in Technologie zu investieren, während es in Deutschland nur 18 Prozent sind. Noch aussagekräftiger ist die Fokussierung: Französische Organisationen investieren stärker in kundenorientierte Plattformen (12 Prozent) und Geschäftsinnovation, während deutsche Unternehmen stärker auf Infrastruktur-Modernisierung setzen (32 Prozent). Das ist nicht falsch, aber es ist reaktiv statt proaktiv – es löst existierende Probleme statt neue Chancen zu gestalten.
Wenn Frankreich innerhalb seiner eigenen Verwaltung Kompetenzen im Cloud-Management, in Open-Source-Integration und in verteilten Systemen aufbaut, dann schafft es auch ein Know-how-Reservoir, das in der privaten Wirtschaft genutzt werden kann. Die Leute, die Nextcloud für eine Million Nutzer betreiben, können dieses Wissen an französische Technologieunternehmen weitergeben. Sie können zu Startups wechseln oder Consulting-Firmen gründen. Dieser Technologie-Transfer ist automatisch – er ergibt sich aus der organisierten Praxis.
Umgekehrt bedeutet es, wenn ein Land seine digitale Infrastruktur vollständig an externe Anbieter auslagert, dass es diese Kompetenzen nach außen verliert. Die deutschen IT-Abteilungen in Behörden und Unternehmen werden zu Administratoren von Microsoft-Instanzen, nicht zu Architekten souveräner Systeme. Sie erwerben das Fachwissen über Microsoft-Dienste, das nur Microsoft nutzen kann. Die technologische Kompetenz der Nation wird in proprietären Formaten gespeichert, die nicht portabel sind.
Frankreich hat diesen Weg anders verstanden: als Investition in eigene Fähigkeiten. Und diese Fähigkeiten werden in einer Welt, in der digitale Souveränität immer kritischer wird, zum strategischen Vorteil.
Die Kosten-Wahrheit: Warum der einfache Vergleich täuscht
Die vorschnelle Schlussfolgerung aus Kostenvergleichen ist, dass On-Premises immer günstiger sei als Cloud. Das ist falsch. Aber es ist auch falsch, zu sagen, dass Cloud immer teurer ist. Die Wahrheit ist kontextabhängig.
Für startups und volatile Workloads ist Cloud rational. Die Flexibilität hat einen Preis, aber dieser Preis ist für viele Anwendungen gerechtfertigt. Für stabile, große, vorhersagbare Workloads – wie ein Bildungsmanagementsystem für ein ganzes Land – ist die TCO-Kalkulation anders. Über fünf Jahre betrachtet, kann On-Premises oder Private Cloud deutlich billiger sein.
Die französische Entscheidung für Apps.education.fr war nicht getroffen worden, weil jemand eine Kostenrechnung gemacht hat. Sie war getroffen worden, weil die OVH-Katastrophe gezeigt hat, dass selbst europäische Provider unter die Räder kommen können und weil die Kontrollfrage überwiegend wurde. Aber die Kostenrechnung hätte diese Entscheidung auch unterstützt.
Ein einfaches Beispiel: 1,2 Millionen Nutzer mit je 100 GB Speicher sind 120 Petabyte. Bei AWS würden Egress-Kosten allein bei intensiver Nutzung mehrere Millionen pro Jahr anfallen. Bei Apps.education.fr fallen diese Kosten nicht an – sie sind in der bestehenden Infrastruktur absorbiert. Das ist kein theoretischer Vorteil, es ist ein struktureller Vorteil, der sich Jahr für Jahr auszahlt.
Die Ironie der europäischen Cloud-Initiative Gaia-X und ihre begrenzte Wirkung
Interessanterweise hat die europäische Debatte auf diese französische Realität mit Initiativen wie Gaia-X geantwortet – einem Projekt, das darauf abzielt, europäische Cloud-Infrastruktur zu standardisieren und zu föderieren. Gaia-X ist von 2019 bis heute vorangetrieben worden und soll eine Dateninfrastruktur schaffen, die europäischen Datenschutzstandards genügt und Interoperabilität ermöglicht.
Gaia-X ist eine willkommene Initiative. Aber sie illustriert auch ein europäisches Dilemma: Frankreich hat nicht auf eine europaweite Initiative gewartet, sondern hat einfach angefangen. Apps.education.fr existiert seit 2018. Gaia-X wurde 2019 gegründet und ist immer noch in der Pilotphase. Der französische Pragmatismus – nicht warten, sondern handeln – hat zu praktischen Ergebnissen geführt, während die europäische Koordination noch debattiert.
Das bedeutet nicht, dass Gaia-X sinnlos ist. Es bedeutet nur, dass nationale Initiativen manchmal schneller Ergebnisse bringen als europäische Harmonisierungsprojekte. Und es bedeutet, dass Länder, die bereit sind, national zu handeln, einen First-Mover-Vorteil haben.
Die deutsche Lähmung und ihre strukturellen Ursachen
Deutschland befindet sich in einer eigenartigen Lage. Die Befunde sind eindeutig: 91 Prozent der deutschen Unternehmen sind abhängig von außereuropäischen Technologieanbietern. 60 Prozent rechnen damit, dass diese Abhängigkeit wächst. 89 Prozent fordern von der Bundesregierung eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Und doch ändern sich die Investitionsmuster nicht. Deutschland investiert weniger in digitale Souveränität als Frankreich und setzt mehr auf Infrastruktur-Modernisierung als auf innovative Geschäftsmodelle.
Warum diese Lähmung? Ein Grund liegt in der institutionellen Struktur der Entscheidungsfindung. IT-Großprojekte in Deutschland werden oft nach Prinzipien der Risikovermeidung geplant, nicht der Risikooptimierung. Ein Projekt mit offener Source wird als riskant bewertet, weil es keine Single Point of Authority gibt, auf die man bei Problemen verweisen kann. Ein Projekt mit Microsoft wird als sicher bewertet, weil Microsoft existiert und Verträge existieren. Dass diese Risikobewertung irrational ist – dass der Vendor Lock-in mit Microsoft oft größer ist als der mit Open-Source – wird systematisch ignoriert.
Ein zweiter Grund liegt in der Pfadabhängigkeit. Deutschland hat sich für Microsoft-Ökosysteme entschieden, vor Jahrzehnten, und diese Entscheidung perpetuiert sich selbst. Die Leute, die Windows nutzen, lernen Windows. Die Firmen, die auf Azure laufen, schaffen Expertise in Azure. Ein Wechsel würde bedeuten, diese Expertise zu entwerten. Das ist ein echtes Kosten-Argument, aber es ist ein Argument für Status-quo-Bias, nicht für rationale Optimierung.
Frankreich hat diese Pfadabhängigkeit nicht. Oder vielmehr: Es hat sie anders gesetzt. Indem es Public-Sector-IT auf Open-Source-Grundlagen baut, schafft es neue Pfade, die nicht zu US-Anbietern führen.
Digitale Souveränität als strategisches Konzept und seine wirtschaftliche Realität
Die Debatte um digitale Souveränität wird oft moralisch geführt: als ob es um nationale Ehre ginge oder um Ideologie. Das ist ein Missverständnis. Digitale Souveränität ist wirtschaftlich rational. Es geht darum, die Kontrolle über strategische Infrastrukturen in der Hand zu behalten und nicht davon abhängig zu sein, dass ein ausländisches Unternehmen seine Geschäftsbedingungen ändert oder dass ein ausländischer Staat einen anderen Interessenkonflikt hat als der eigene.
Ein Land, das seine Cloud-Infrastruktur kontrolliert, kann:
– Datenschutzstandards durchsetzen, ohne dass ein Gericht in Kalifornien eine andere Gewichtung vornimmt
– Kosten optimieren, ohne dass ein Unternehmen seine Preise erhöht, weil es zu abhängig ist
– Innovationen gezielt unterstützen, indem es Infrastruktur bereitstellt, die nicht proprietär ist
– Krisenfestigkeit aufbauen, indem es nicht vollständig auf die Verfügbarkeit einer ausländischen Infrastruktur angewiesen ist
– Arbeitsplätze im Technologie-Sektor aufbauen, indem es Kompetenz-Anforderungen schafft, die nicht auf ein Produkt begrenzt sind
Das französische Modell hat alle diese Funktionen. Es ist nicht perfekt. Es ist auch nicht für alle Anwendungen das richtige Modell – manche Workloads sind auf spezialisierte Cloud-Services angewiesen, die nur die Hyperscaler anbieten. Aber für Kernfunktionen, für Verwaltung, für Bildung, für kritische Infrastrukturen ist es rational und zunehmend obligatorisch.
Das Fehlen einer Gestaltungsalternative: Eine Analyse des französisch-deutschen Gegensatzes
Der fundamentale Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland liegt in der Frage: Ist digitale Infrastruktur Gestaltungsobjekt oder Schicksal? Frankreich antwortet: Gestaltungsobjekt. Deutschland antwortet zunehmend: Schicksal.
Diese Antwort ist nicht unvermeidlich. Sie ist das Ergebnis von Entscheidungen: Entscheidungen in Finanzministerien, IT-Ämtern und Ausschreibungsverfahren. Sie ist das Ergebnis von Pfadabhängigkeiten, die sich verselbstständigt haben. Aber sie ist nicht technisch notwendig.
Apps.education.fr zeigt, dass der andere Weg möglich ist. Mit Open-Source-Software, mit föderalen Architekturen, mit pragmatischen Erwartungen an Perfektion und mit kontinuierlicher Verbesserung statt Hoffnung auf Vendor-Support können Staaten und Verwaltungen Infrastruktur betreiben, die kontrollierbar ist, kostsparend ist und nachhaltig ist.
Wer diesen Weg nicht gehen möchte, sollte das klar sagen: Wir wollen die Hyperscaler, weil wir ihre Innovationskraft brauchen, weil wir keine Kompetenz aufbauen wollen, weil wir bereit sind, das Lock-in-Risiko einzugehen. Das wäre ehrlich. Stattdessen wird argumentiert, es gebe keine Alternative. Das ist falsch. Die Alternative existiert und arbeitet mit einer Million Nutzern in einem demokratischen Land mit hohem Datenschutz-Standard.
Resümee: Kontrolle ist eine Wahl, keine Notwendigkeit
Die Analyse von Apps.education.fr und seinem Kontext führt zu einer unbequemen Schlussfolgerung: Die europäische Abhängigkeit von amerikanischen Hyperscalern ist nicht technisch unvermeidbar. Sie ist politisch entschieden. Länder, die bereit sind, in Infrastruktur-Kontrolle zu investieren, können das tun. Länder, die das nicht tun, zahlen dafür – nicht nur in Kosten, sondern auch in Kontrolle, in Sicherheitsrisiken und in verlorener Kompetenz-Entwicklung.
Frankreich hat eine andere Entscheidung getroffen. Mit Apps.education.fr betreibt es eine Million Menschen unterstützende Cloud-Infrastruktur auf der Basis von Open-Source-Software. Die Plattform ist komplex, aber keine Hexerei. Sie funktioniert. Sie ist günstiger als die Hyperscaler. Und sie ist kontrollierbar.
Deutschland könnte das gleiche tun. Die Technologie existiert. Die Expertise ist aufbaubar. Die Kosten sind vergleichbar oder geringer. Es ist eine Frage der Entscheidung. Und die Entscheidung wird nicht getroffen in San Francisco, sondern in Berlin.
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