Das EWS Live Briefing vom 2. Dez. 2025 | Dual Use als Wirtschaftsstrategie: Warum Europas Infrastruktur neu erfunden werden muss
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Veröffentlicht am: 8. Dezember 2025 / Update vom: 8. Dezember 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein

Dual Use als Wirtschaftsstrategie: Warum Europas Infrastruktur neu erfunden werden muss – Bild: Xpert.Digital
Vom Friedensnarrativ zur Verwundbarkeit: Wie Effizienzwahn Europa strategisch entkernt hat
Sicherheit ohne Reserven ist eine Illusion – und Europa steht ökonomisch mit dem Rücken zur Wand
Das EWS Live Briefing Anfang Dezember 2025 markiert mehr als nur eine weitere sicherheitspolitische Diskussionsrunde in Brüssel. Es ist Ausdruck einer Verschiebung im europäischen Denken: weg von der Vorstellung, Sicherheit lasse sich primär diplomatisch organisieren, hin zu einer nüchternen Betrachtung von Infrastruktur, Logistik und industrieller Basis als entscheidende strategische Ressourcen.
Das EWS Live Briefing ist ein digitales Senatoren-Briefing des Europäischen Wirtschaftssenat (EWS). Es handelt sich um einen monatlich stattfindenden Video-Live-Talk.
Das EWS Live Briefing findet jeden ersten Dienstag im Monat um 17:00 Uhr im virtuellen Raum statt. Die Veranstaltung wird von Dr. Ingo Friedrich, dem Präsidenten des Europäischen Wirtschaftssenat, geleitet.
Das Briefing konzentriert sich auf aktuelle europäische Themen und folgt einem strukturierten Format:
• Gastvortrag aus Politik und Wirtschaft
• Diskussionsrunde im Anschluss an den Vortrag
• Allgemeiner Austausch zwischen den TeilnehmernDie Veranstaltung richtet sich an Senatoren und Mitglieder des Europäischen Wirtschaftssenat, die sich zu europäischen Fragen austauschen und von führenden Experten aus Politik und Wirtschaft informieren möchten.
Das Format kombiniert somit Information, Diskussion und Netzwerkarbeit zu relevanten europäischen Themen in einem virtuellen Setting.
Das Format des Europäischen Wirtschaftssenats bringt Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik in einem strukturierten, digital organisierten Austausch zusammen. Diese Konstellation ist wirtschaftspolitisch bemerkenswert: Es handelt sich nicht um eine klassische sicherheitspolitische Konferenz, sondern um ein wirtschaftsnahes Forum, in dem Security nicht als Kostenfaktor, sondern als Bestandteil von Standortqualität und Wettbewerbsfähigkeit diskutiert wird.
Mit Markus Becker als Gastredner war ein Vertreter präsent, der beide Welten glaubwürdig verbindet: industrielle Automatisierung und Logistik auf der einen, militärische Einsatz- und Stabserfahrung auf der anderen Seite. Diese Doppelperspektive ist zentral für das Verständnis des Themas. Dual Use ist kein technischer Randaspekt, sondern die Übersetzung von Sicherheitsanforderungen in marktfähige, skalierbare Geschäftsmodelle – und umgekehrt die Übersetzung betriebswirtschaftlicher Logik in robuste, krisenfeste Infrastrukturen.
Die in diesem Rahmen diskutierten Konzepte – automatisierte, hochdichte Logistikhubs, militärische Mobilität entlang europäischer Korridore, integrierte Finanzierung von zivilen und militärischen Anwendungen, systematische Einbindung des Mittelstands – bilden einen Baukasten, mit dem sich die ökonomische und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Europas neu definieren lässt. Der Ausgangspunkt dafür ist eine schonungslose Analyse der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte.
Passend dazu:
- Die Integration fortschrittlicher Terminalsysteme in ein Dual-Use-Rahmenwerk für die zivile wie militärische Schwerlastlogistik
Von der Friedensdividende zur Risikoökonomie: Europas strukturelle Fehlanreize
Über Jahre hinweg hat Europa auf eine Kombination aus Globalisierung, Just-in-Time-Logistik und politischer Entspannung gesetzt. Lagerbestände wurden abgebaut, industrielle Puffer heruntergefahren, kritische Infrastruktur auf Effizienz getrimmt. Das galt für militärische Depots ebenso wie für zivile Versorgungssysteme, von Medikamenten über Energie bis hin zu Ersatzteilen.
Ökonomisch betrachtet war dies zunächst rational: Kapitalbindung in Lagerbeständen gilt in klassischen Finanzmodellen als unproduktiv, Fixkosten in Reservekapazitäten drücken auf Margen, und globale Lieferketten versprachen Skaleneffekte und Kostenvorteile. Die „Friedensdividende“ bestand nicht nur im Rückgang der Verteidigungsausgaben, sondern auch in einem impliziten Verzicht auf Redundanz in den Wertschöpfungsketten.
Diese Logik geriet spätestens mit der Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine massiv unter Druck. Plötzlich zeigte sich, dass eingesparte Lager und Puffer zwar kurzfristig die Bilanz verschönert hatten, aber langfristig erhebliche volkswirtschaftliche Risiken aufgebaut wurden. Engpässe bei Masken und Medikamenten, verspätete Lieferungen von Komponenten, Energiepreisschocks und Transportengpässe machten deutlich: Eine Ökonomie, die ihre physische Basis ausdünnt, verdient zwar tijdelijk an Effizienzgewinnen, zahlt aber mit zunehmender Systemfragilität.
Ökonomisch lässt sich dies als Verschiebung im Verhältnis von Effizienz zu Resilienz beschreiben. Während in den 1990er- und 2000er-Jahren Effizienzgewinne pro zusätzlicher eingesparter Redundanz hoch schienen, haben sich die Rahmenbedingungen umgekehrt: Die Grenzkosten weiterer Effizienzsteigerungen steigen, die Grenznutzen zusätzlicher Resilienz nehmen zu. In einer Welt permanenter Schocks – ob geopolitisch, klimatisch oder technologisch – ist eine rein kostenorientierte Infrastrukturpolitik nicht mehr tragfähig.
Genau hier setzt die Dual-Use-Perspektive an: Sie versucht, das vermeintliche Nullsummenspiel zwischen Effizienz und Sicherheit aufzulösen, indem dieselben Investitionen zugleich wirtschaftliche Performance im Alltag und strategische Handlungsfähigkeit in der Krise liefern.
Ökonomische Logik von Resilienz: Lager, Redundanzen und Puffer als produktive Investitionen
Die zentrale ökonomische Frage lautet: Wie lassen sich höhere Resilienzanforderungen so in Infrastruktur und Logistik übersetzen, dass sie nicht als reine Kostenblöcke wirken, sondern dauerhaft Wertschöpfung generieren?
Klassisch wurde Resilienz vor allem mit Vorräten und Redundanz verbunden – also mit zusätzlichem Material, zusätzlichen Kapazitäten und aus Sicht der Betriebswirtschaft überflüssiger „Schwere“. Historisch waren militärische Depots, Zivilschutzlager oder Reservekraftwerke typischerweise reine Standby-Strukturen, die über Jahrzehnte Kapital banden, ohne im normalen Wirtschaftsbetrieb Erträge zu liefern.
Im Gegensatz dazu beschreibt der Dual-Use-Ansatz eine andere Finanzierungs- und Betriebslogik: Infrastruktur wird so konzipiert, dass sie im Normalbetrieb als produktiver Teil der Wertschöpfungskette läuft – als Logistikdrehscheibe, Energiepuffer, Distributionszentrum oder Reservekapazität für kritische Branchen – und im Krisen- oder Verteidigungsfall ihre Rolle wechselt, ohne dass dafür eine separate, exklusiv militärische Struktur notwendig wäre.
Aus ökonomischer Sicht entstehen mehrere Effekte:
- Die Abschreibungen auf Infrastruktur können größtenteils zivilwirtschaftlich getragen werden, weil die Anlagen permanent genutzt werden.
- Die Opportunitätskosten der Vorhaltung militärisch nutzbarer Kapazitäten sinken, weil deren ziviler Nutzen eigenständige Cashflows erzeugt.
- Die volkswirtschaftliche Wohlfahrt steigt, weil dieselben physisch-technischen Ressourcen mehrere Nutzenstiftungen realisieren: Versorgungssicherheit, Krisenfestigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, lokale Beschäftigung und militärische Handlungsfähigkeit.
- Politisch-fiskalisch lassen sich notwendige Investitionen leichter rechtfertigen, weil sie nicht ausschließlich in Verteidigungsetats verbucht werden müssen, sondern auch als Infrastruktur- und Industriepolitik verankert werden können.
Resilienz ist in diesem Modell kein passiver Versicherungsvertrag mehr, sondern wird zur aktiven, erlösrelevanten Komponente von Geschäftsmodellen. Damit verändert sich die Anreizstruktur für Unternehmen: Wer in dual-use-fähige Infrastruktur investiert, erschließt neue Märkte (etwa im Bereich Katastrophenschutz, Energiepuffer, kritische Infrastrukturen) und positioniert sich zugleich als Partner für öffentliche Auftraggeber mit sicherheitspolitischem Fokus.
Dual-Use-Logistikhubs: Hochverdichtete Drehscheiben als Kern physischer Souveränität
Im Zentrum des EWS-Briefings stand das Konzept hochautomatisierter, dual-use-fähiger Logistikhubs. Diese Hubs unterscheiden sich fundamental von klassischen Lager- oder Umschlagplätzen: Sie kombinieren extreme Flächeneffizienz, hohe Umschlagsgeschwindigkeit, digitale Transparenz und skalierbare Sicherheitsstandards.
Ökonomisch betrachtet erfüllen solche Hubs mehrere Funktionen gleichzeitig:
Sie dienen als physische Puffer entlang zentraler Lieferketten. In einer Just-in-Time-Welt wurden Materialflüsse eng getaktet, um Lagerhaltungskosten zu senken. Strategische Hubs erlauben es, bewusst wieder Puffer einzuziehen, ohne die Produktivität massiv zu beeinträchtigen. Im Gegenteil: Durch Automatisierung und digitale Bestandsführung lassen sich Bestände präziser steuern, Verluste und Veralterung minimieren und Beschaffungsrisiken diversifizieren.
Sie fungieren als Flexibilitätsreserve für Spitzenlasten – im zivilen wie im militärischen Bereich. In Friedenszeiten können sie saisonale Peaks im Handel, in der Industrie oder in der humanitären Logistik abfedern. Im Krisenfall können dieselben Kapazitäten kurzfristig für militärische Versorgungsaufgaben oder zivilen Katastrophenschutz umkonfiguriert werden.
Sie erhöhen die Standortattraktivität ganzer Regionen. Unternehmen siedeln sich dort an, wo sie schnelle, verlässliche und kosteneffiziente Logistik erwarten können. Ein dichtes Netz solcher Hubs entlang der europäischen Verkehrsachsen stärkt nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern auch die industrielle Wettbewerbsfähigkeit.
Sie ermöglichen neue Geschäftsmodelle im Energie- und Infrastrukturbereich. Containerbasierte Batteriespeicher, modulare Energieinfrastruktur, Reservekapazitäten für kritische Branchen – all dies lässt sich in denselben physischen Strukturen integrieren, in denen auch militärische Güter oder Katastrophenschutzausrüstung gelagert werden können.
Technisch erlaubt der Stand der Automatisierung, Logistik auf relativ kleinen Flächen hochzudichten. Dadurch wird der Bodenverbrauch begrenzt, was politisch und ökologisch relevant ist. Unterirdische oder teilversenkte Anlagenbauten, wie sie in der Schweiz oder in alpinen Regionen seit Jahrzehnten im Zivilschutz üblich sind, können als Vorbild dienen – allerdings mit einem anderen wirtschaftlichen Grunddesign: statt einsamer, reiner Vorratsbunker hochintegrierte, digital vernetzte Drehscheiben, die im Normalbetrieb zum Rückgrat moderner Lieferketten gehören.
Aus ökonomischer Sicht ist hier entscheidend: Die Kapitalintensität solcher Infrastrukturen ist hoch, aber die potenziellen Erlösströme sind vielfältig. Wer die Architektur der Cashflows klug gestaltet, kann langfristige, stabile Einnahmen aus Logistikdiensten, Energiepuffern, Industrieversorgung und – bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung – aus Verteidigungs- und Zivilschutzleistungen kombinieren.
Militärische Mobilität und europäische Korridore: Wenn Abschreckung über Fahrplanrobustheit entschieden wird
Ein wesentlicher Aspekt der Diskussion ist die Frage, wie schnell sich militärische Verbände über den Kontinent verlegen lassen. Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, dass Abschreckung in Europa heute weniger durch abstrakte Rüstungszahlen als durch konkrete Verlegefähigkeit bestimmt wird. Die Fähigkeit, binnen weniger Tage substanzielle Kräfte an die östliche Flanke zu bringen, beeinflusst die politische Kalkulation potenzieller Aggressoren unmittelbar.
Ökonomisch ist diese Frage eng verbunden mit der Leistungsfähigkeit des zivilen Verkehrsnetzes. Schienennetze, Straßenkorridore, Brückenlasten, Tunnelprofile, Hafen- und Terminalinfrastruktur – all das ist in Friedenszeiten primär für den Güter- und Personenverkehr wirtschaftlich relevant. Dieselben Trassen entscheiden im Ernstfall aber darüber, ob schwere Fahrzeuge rechtzeitig und in ausreichender Menge ankommen.
Die Dual-Use-Logik bedeutet in diesem Kontext:
Ein europäisches Netz aus Schienenkorridoren, Straßenachsen und Hafenanbindungen, das für schwere militärische Lasten ertüchtigt wird, schafft gleichzeitig Effizienzgewinne für den schweren zivilen Güterverkehr. Engpässe, Gewichtsbeschränkungen und kapazitative Flaschenhälse, die heute Transportkosten in die Höhe treiben, würden im Zuge militärischer Mobilitätsinvestitionen mit beseitigt.
Digitalisierte Koordinationsplattformen, die militärische Transporte über Grenzen hinweg priorisieren und synchronisieren können, lassen sich in abgewandelter Form für den zivilen Güterverkehr nutzen – etwa zur besseren Slot-Steuerung an Terminals, zur dynamischen Routenplanung oder zur Kapazitätsoptimierung.
Zeitgewinne, die im Krisenfall über Tage oder Wochen entscheiden, sind im zivilen Betrieb ebenfalls wertvoll: Sie reduzieren Umlaufzeiten, Kapitalbindung in Lagerbeständen und indirekte Kosten durch Verzögerungen. Was für einen Panzertransport zählt, gilt auch für einen zeitkritischen Containerzug mit Ersatzteilen oder Lebensmitteln.
Die im EWS-Briefing angesprochenen Simulationen, wonach sich Verlegezeiten an die NATO-Ostflanke von mehreren Wochen auf etwa eine Woche reduzieren ließen, illustrieren die Größenordnung potenzieller Effizienzgewinne. Diese Zeitersparnis ist nicht nur militärisch relevant, sondern ökonomisch, weil dieselben Infrastrukturen tagtäglich für Milliardenwerte an Gütern genutzt werden.
Die Kehrseite: Die bisherige Fragmentierung europäischer Genehmigungs- und Standardregelwerke führt zu enormen Verzögerungs- und Transaktionskosten. Unterschiedliche technische Normen, divergierende Sicherheitsvorschriften, komplexe Genehmigungsverfahren und mangelnde Dateninteroperabilität bremsen sowohl militärische als auch zivile Logistik aus. Dual-Use-Investitionen entfalten ihr Potenzial nur, wenn sie mit einer konsequenten regulatorischen Harmonisierung verknüpft werden.
Mittelstand und Start-ups: Der unterschätzte Hebel strategischer Innovationsfähigkeit
Ein besonders kritischer Punkt des Briefings war der Blick auf die Rolle kleiner und mittlerer Unternehmen in Europas Sicherheits- und Verteidigungsökosystem. Ein Großteil der technologischen Innovation – etwa in Sensorik, Robotik, Software, Materialtechnik oder Datenanalyse – stammt aus dem Mittelstand und aus Start-ups. Gleichzeitig dominieren in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Beschaffungspraxis einige wenige große Systemhäuser.
Ökonomisch führt diese Konstellation zu einem Paradox: Während die Wertschöpfungstiefe und Innovationskraft stark in der Breite des Unternehmensspektrums liegen, sind die Schnittstellen zu den großen staatlichen Nachfragern oft zu schmal und zu komplex. Kleine Unternehmen scheitern an langen Ausschreibungsfristen, komplexen Zertifizierungen oder intransparenten Vergabeverfahren. Ihre Technologie reift in zivilen Märkten oder wandert in außereuropäische Ökosysteme ab, statt in europäische Sicherheitsarchitekturen integriert zu werden.
Für Dual-Use-Infrastrukturen ist dies besonders problematisch, weil deren Leistungsfähigkeit maßgeblich von Software, Datenintegration, Automatisierung und hochtechnologischer Nischenkompetenz abhängt – genau den Bereichen, in denen der Mittelstand stark ist. Automatisierte Lagertechnik, digitale Zwillinge, KI-gestützte Bestandsoptimierung, sicherheitskritische Steuerungssoftware oder Cyber-Resilienz-Lösungen entstehen häufig nicht bei den großen Rüstungskonzernen, sondern bei hochspezialisierten Technologieunternehmen.
Eine ökonomisch rationale Dual-Use-Strategie müsste daher:
- Beschaffungsprozesse so gestalten, dass modulare, interoperable Bausteine kleiner und mittlerer Unternehmen leichter integriert werden können.
- Zertifizierungs- und Testumgebungen schaffen, in denen neue Lösungen pragmatisch, aber dennoch sicher und nachvollziehbar für militärische und kritische Infrastrukturanwendungen qualifiziert werden.
- Finanzierungsinstrumente bereitstellen, die explizit auf dual-use-orientierte Technologieunternehmen abzielen, ohne sie auf rein militärische Märkte festzulegen – etwa über Beteiligungsfonds, Garantien oder spezielle Kreditlinien.
- Cluster und Netzwerke stärken, in denen Mittelstand, große Systemhäuser, Forschungsinstitute und Sicherheitsbehörden gemeinsam an skalierbaren Lösungen arbeiten, statt parallel Einzellösungen zu entwickeln.
Europa riskiert sonst, dass seine technologische Basis zwar innovativ bleibt, aber strukturell zu wenig Hebelwirkung auf die eigene Sicherheitsfähigkeit und Infrastrukturentwicklung entfaltet – und damit auch zu wenig auf seine geoökonomische Verhandlungsmacht.
Standardisierung und Regulierung: Der unsichtbare Preis der Langsamkeit
Ein weiterer, oft unterschätzter ökonomischer Faktor sind Normen und Standards. Im Bereich Dual Use treffen mehrere Ebenen aufeinander: NATO-Standards, EU-Regelwerke, nationale Vorschriften und zivile Industrienormen. Jede dieser Ebenen ist in sich begründbar, doch ihre Kombination erzeugt einen hohen Koordinationsaufwand.
Für Unternehmen bedeutet das:
- Längere Time-to-Market-Zeiten für neue Produkte, weil parallel mehrere Zertifizierungs- und Konformitätsprozesse durchlaufen werden müssen.
- Erhöhte Fixkosten, weil eigene Compliance- und Engineering-Ressourcen dauerhaft mit Normenharmonisierung und Dokumentation beschäftigt sind.
- Investitionsrisiken, weil unklar ist, ob eine einmal gewählte technische Lösung später den Anforderungen unterschiedlicher Märkte oder Auftraggeber genügt.
Gerade im Logistik- und Infrastrukturbereich führt dies zu enormen wirtschaftlichen Reibungsverlusten. Ein dual-use-fähiger Hafen, ein Terminal oder eine Brücke muss sowohl zivilen Sicherheitsnormen als auch militärischen Last- und Profilanforderungen entsprechen. Wenn diese Anforderungsprofile erst spät zusammengeführt werden, drohen Umplanungen, Kostensteigerungen und Verzögerungen – und im schlimmsten Fall Fehlinvestitionen.
Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive ist dies nicht nur ein administratives Problem, sondern eine Frage der Allokation von Kapital. Je länger und unsicherer Planungs- und Genehmigungsphasen, desto höher die Risikoprämien, die Investoren verlangen. Dies verteuert Projekte, die ohnehin kapitalintensiv sind. Für Europa, das gleichzeitig die Energiewende, die Digitalisierung und die Verteidigungsfähigkeit stemmen muss, ist dies ein strategischer Wettbewerbsnachteil.
Eine stringente Dual-Use-Strategie impliziert deshalb auch eine innovationsorientierte Normenpolitik:
- Technische Anforderungen sollten frühzeitig unter Einbindung militärischer, ziviler und industrieller Akteure abgestimmt werden, statt sequentiell übereinander geschichtet zu werden.
- Zertifizierungsverfahren müssen beschleunigt und, wo möglich, gegenseitig anerkannt werden, ohne den Sicherheitsstandard zu senken.
- Digitale Standards – etwa für Datenformate, Schnittstellen, Sicherheitsprotokolle – sollten so gesetzt werden, dass modulare Innovationen leicht andocken können, statt proprietäre Silos zu zementieren.
Die ökonomische Kernbotschaft: Geschwindigkeit ist nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch finanziell entscheidend. Jedes Jahr Verzögerung bei einem großvolumigen Infrastrukturprojekt bedeutet entgangene Produktivitätsgewinne, höhere Finanzierungskosten und, im Dual-Use-Bereich, eine verlängerte Phase strategischer Verwundbarkeit.
Hub für Sicherheit und Verteidigung - Beratung und Informationen
Der Hub für Sicherheit und Verteidigung bietet fundierte Beratung und aktuelle Informationen, um Unternehmen und Organisationen effektiv dabei zu unterstützen, ihre Rolle in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken. In enger Verbindung zur Working Group Defence der SME Connect fördert er insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit im Bereich Verteidigung weiter ausbauen möchten. Als zentraler Anlaufpunkt schafft der Hub so eine entscheidende Brücke zwischen KMU und europäischer Verteidigungsstrategie.
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Dual-Use-Infrastruktur: Wie Europa mit neuen Geschäftsmodellen Resilienz und Wachstum finanziert
Finanzierung und Geschäftsmodelle: Dual Use als neue Infrastruktur-Assetklasse
Dual-use-fähige Logistikhubs, ertüchtigte Mobilitätskorridore, integrierte Energie- und Versorgungsinfrastruktur – all dies erfordert gewaltige Investitionssummen. Allein die Modernisierung und Verstärkung ausgewählter europäischer Transportachsen, die Lager- und Terminalinfrastruktur sowie dazugehörige digitale Plattformen summieren sich rasch in eine Größenordnung von vielen zehn bis hundert Milliarden Euro.
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- Integration von Hochregallagern in ein trimodales Dual-Use-Logistiknetzwerk – Trimodal und digital: Ein synergetisches Modell
Die klassische Frage lautet: Wer zahlt?
Eine reine Finanzierung über Verteidigungshaushalte ist politisch kaum durchsetzbar und ökonomisch ineffizient, weil sie die zivilen Nutzen dieser Infrastruktur unterschätzt. Eine reine Finanzierung über private Logistik- oder Infrastrukturanbieter verkennt dagegen den öffentlichen Gut-Charakter von Resilienz und Sicherheit. Notwendig ist eine hybride Finanzierungsarchitektur, die den Dual-Use-Charakter auch finanziell abbildet.
Denkbare Elemente dieser Architektur
Langfristige Nutzungsverträge mit öffentlichen Auftraggebern, in denen bestimmte Kapazitäten oder Funktionen für Katastrophenschutz, strategische Reserven oder militärische Nutzung vertraglich gesichert werden. Diese Verträge schaffen planbare Cashflows und können als Grundlage für Infrastrukturfinanzierungen dienen.
Beteiligungen von Pensionsfonds, Versicherungen und Infrastrukturinvestoren, die an planbaren, langfristig stabilen Erträgen interessiert sind und gleichzeitig in Anlagen investieren wollen, die zu Resilienz und Nachhaltigkeit beitragen.
Gezielte Förderinstrumente, die den sicherheitspolitischen Mehrwert abbilden – etwa in Form von zinsgünstigen Krediten, Garantien oder Zuschüssen für den „Resilienzanteil“ eines Projekts, während der Großteil der Finanzierung marktbasiert erfolgt.
Spezialisierte Public-Private-Partnership-Modelle, bei denen staatliche Stellen Flächen, regulatorische Privilegien oder Grundinfrastruktur bereitstellen, während private Betreiber Technologie, Betrieb und Innovation verantworten.
Die Herausforderung liegt dabei weniger in der Finanzierbarkeit als in der Klarheit der Rollen und Risikoverteilung. Märkte sind grundsätzlich bereit, in ausgereifte, regulativ abgesicherte Infrastrukturprojekte zu investieren – zumal in einer Zinswelt, in der verlässliche, physisch unterlegte Cashflows begehrt sind. Was viele Projekte bislang bremst, ist nicht das fehlende Kapital, sondern die Unschärfe in den Geschäftsmodellen: unklare Zuständigkeiten zwischen zivilen und militärischen Nutzern, unzureichend definierte Leistungsversprechen im Krisenfall, fehlende Standardisierung von Vertragsmodellen.
Dual Use kann hier als Katalysator wirken, wenn es gelingt, typische Infrastrukturlogik (lange Laufzeiten, stabile Nutzung) mit sicherheitspolitischen Anforderungen (Redundanz, Priorisierung im Ernstfall, Geheimschutz) in standardisierte Vertrags- und Betreibermodelle zu übersetzen.
Die Schweiz als Lehrbeispiel: Zivilschutz, strategische Vorräte und multifunktionale Untergrundinfrastruktur
Ein besonders anschauliches Referenzmodell für physische Resilienz bietet die Schweiz. Das Land hat über Jahrzehnte konsequent in Zivilschutzinfrastruktur und Pflichtlager investiert – und dabei bereits lange vor der aktuellen Dual-Use-Debatte Strukturen geschaffen, die für zivile und sicherheitsrelevante Zwecke gleichermaßen nutzbar sind.
Unterirdische Schutzräume und Bunkeranlagen wurden so geplant, dass sie im Normalbetrieb häufig als Lager-, Archiv- oder Spezialflächen dienen, bei Bedarf aber innert kurzer Zeit in Schutzräume für Bevölkerung oder Regierungseinrichtungen umgewandelt werden können. Ähnliches gilt für die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtlagerbestände an Lebensmitteln, Energie- und Grundstoffen, die von privaten Unternehmen gehalten, aber staatlich reguliert und im Krisenfall verfügbar gemacht werden.
Ökonomisch ist dies bemerkenswert, weil es zeigt, dass physische Sicherheitsarchitekturen durchaus mit marktwirtschaftlichen Prinzipien vereinbar sind. Pflichtlager werden von der Privatwirtschaft bewirtschaftet und abgerechnet, die Infrastruktur wird in vielen Fällen privat gebaut und genutzt, der Staat setzt lediglich den Rahmen, definiert Mindestmengen und Zugriffsmöglichkeiten und kompensiert gegebenenfalls Mehrkosten oder Verluste bei Krisenabgaben.
Übertragen auf die europäische Ebene und auf moderne, automatisierte Logistikhubs heißt das:
- Staatliche Stellen müssen nicht alle Infrastruktur selbst betreiben, um Zugriff im Ernstfall zu haben. Vertragsrechtliche Regelungen, klar definierte Vorrangrechte und transparente Vergütungsmechanismen genügen, um strategische Verfügbarkeit zu sichern.
- Unterirdische oder besonders geschützte Lagerinfrastrukturen können im Normalbetrieb hochrentable Nutzungen ermöglichen – etwa als Datacenter, Wertlager, Spezialarchive oder Hochsicherheitslogistik –, solange ihre im Krisenfall benötigten Funktionsweisen mitgedacht und regelmäßig erprobt werden.
- Verpflichtende oder incentivierte Vorratshaltung für definierte Gütergruppen – Medizin, Energie, kritische Rohstoffe, wichtige Lebensmittel – lässt sich in moderne, digitale Logistiksysteme integrieren, ohne zwangsläufig massive Ineffizienzen zu erzeugen. Moderne Bestandsführung, Rotationsprinzipien und präzise Bedarfsprognosen reduzieren Abschreibungs- und Veralterungsrisiken.
Europa kann dieses Modell nicht eins zu eins kopieren; politische Kultur, Größe und Heterogenität sind andere. Aber es zeigt, dass Resilienz nicht zwangsläufig in Beton gegossene, brachliegende Kosten bedeutet, sondern intelligent eingebettet werden kann – räumlich, rechtlich und betriebswirtschaftlich.
Geoökonomische Dimension: Dual Use als Antwort auf Abhängigkeiten bei Energie, Rohstoffen und Technologien
Dual-use-fähige Infrastruktur ist nicht nur im engeren militärischen Sinne relevant. Sie ist auch ein Instrument zur Verringerung geoökonomischer Verwundbarkeiten. Europa ist in zentralen Bereichen – Energie, kritische Rohstoffe, digitale Plattformen, bestimmte Technologien – stark importabhängig und damit angreifbar für Lieferunterbrechungen, Preisschocks oder politisch motivierte Restriktionen.
In dieser Perspektive lassen sich mehrere Ebenen unterscheiden:
Energie
Speicherinfrastrukturen, flexible Netze und modulare Reservekapazitäten, die sowohl zivilen als auch militärischen Bedürfnissen dienen, erhöhen die Fähigkeit, kurzfristige Schocks zu absorbieren. Containerbasierte Batteriespeicher, modulare Gaskraftwerke, transnationale Netzverknüpfungen und flexible Laststeuerung sind hier wichtige Bausteine. Werden sie so angelegt, dass auch kritische Einrichtungen, militärische Standorte oder Katastrophenschutzsysteme priorisiert versorgt werden können, entsteht dualer Nutzen.
Rohstoffe
Lager- und Umschlagslogistik für kritische Materialien – etwa für Batterien, Elektronik, Spezialstähle oder seltene Metalle – kann so gestaltet werden, dass strategische Vorräte geografisch diversifiziert und physisch geschützt sind. Automatisierte Hochsicherheitslager in logistisch gut angebundenen Regionen schaffen die Basis für eine aktiv gesteuerte Vorratspolitik, die nicht nur ökonomische, sondern auch sicherheitspolitische Ziele verfolgt.
Technologie
Dateninfrastruktur, Cloud-Kapazitäten, Rechenzentren und Kommunikationsnetze sind längst dual-use-kritisch. Rechenzentren, die physisch geschützt und redundant angebunden sind, dienen im Alltag als kommerzielle IT-Infrastruktur, sichern aber im Krisenfall staatliche Führungsfähigkeit, Finanzsysteme oder kritische Dienste. Auch hier gilt: Die wirtschaftliche Tragfähigkeit entsteht aus der zivilen Nutzung, der sicherheitspolitische Mehrwert aus der resilienten Architektur und Governance.
Dual Use wird in dieser geoökonomischen Lesart zu einem Mechanismus, mit dem Europa seine Verwundbarkeit gegenüber externen Schocks verringern kann, ohne sich von internationalem Handel abzuschotten. Es geht nicht um Autarkie, sondern um die Fähigkeit, kritische Phasen zu überbrücken, Alternativen aufzubauen und politische Entscheidungen nicht unter akutem Erpressungsdruck treffen zu müssen.
Szenarien bis 2035: Zwischen geordneter Transformation und erzwungener Improvisation
Um die Tragweite der diskutierten Ansätze zu erfassen, lohnt sich ein Blick auf mögliche Entwicklungspfade bis 2035. Drei vereinfachte Szenarien verdeutlichen die Spannbreite:
Szenario 1: Weiterwursteln im „Business as Usual“
Europa investiert zwar punktuell in Verteidigung und Infrastruktur, aber ohne klare Dual-Use-Strategie. Mittel werden auf viele kleine Projekte verteilt, Normen bleiben fragmentiert, Mittelstand und Start-ups erhalten keine systematische Rolle, Finanzierungsmodelle bleiben konservativ sektoral getrennt.
In diesem Szenario steigen die Verteidigungsausgaben, ohne dass sich die strukturelle Handlungsfähigkeit im gleichen Maß erhöht. Logistik bleibt anfällig, Infrastrukturmodernisierung hinkt hinterher, und im Ernstfall muss improvisiert werden – mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten und politischem Gesichtsverlust. Die Abhängigkeit von außereuropäischen Technologie- und Sicherheitsgarantien bleibt hoch.
Szenario 2: Reaktive Aufrüstung ohne Infrastruktur-Reform
Ausgelöst durch eine Verschärfung der Sicherheitslage erhöhen europäische Staaten ihre Verteidigungsausgaben massiv, beschaffen zusätzliches Gerät, verstärken Truppen, aber vernachlässigen weiterhin die Unterfütterung durch Logistik, Infrastruktur und industrielle Basis. Dual-Use-Konzepte werden zwar rhetorisch aufgegriffen, aber nicht konsequent umgesetzt.
Ökonomisch führt dies zu stark steigenden Verteidigungsausgaben, die mit Steuererhöhungen, Umverteilung aus anderen Haushaltsbereichen oder höherer Verschuldung finanziert werden – ohne parallel die Produktivitätsbasis durch effizientere Logistik und Infrastruktur zu stärken. Die Belastung für die Volkswirtschaften steigt, ohne dass entsprechende Wachstumsimpulse entstehen. Politisch wächst die Skepsis gegenüber „Rüstungsprogrammen“, weil ihr volkswirtschaftlicher Nutzen nicht erkennbar ist.
Szenario 3: Strategische Dual-Use-Transformation
Europa bündelt Infrastruktur-, Industrie- und Sicherheitspolitik in einem kohärenten Dual-Use-Ansatz. Militärische Mobilitätsanforderungen werden integraler Bestandteil der europäischen Verkehrsplanung, automatisierte Logistikhubs werden gezielt entlang zentraler Korridore aufgebaut, Mittelstand und Start-ups werden über angepasste Förder- und Beschaffungsinstrumente eingebunden, Normen und Standards werden frühzeitig harmonisiert.
In diesem Szenario fließen Investitionen in physische Infrastruktur, die sowohl die Produktivität der zivilen Wirtschaft als auch die militärische Handlungsfähigkeit erhöht. Logistikkosten sinken, Lieferketten werden robuster, neue Märkte für Resilienzlösungen entstehen. Verteidigungsausgaben werden zu einem Teil über produktivitätssteigernde Nebeneffekte „quersubventioniert“. Politisch lässt sich eine solche Strategie als Wachstums- und Sicherheitsprogramm zugleich verkaufen – vorausgesetzt, die Governance-Strukturen sind transparent und die Verteilung der Lasten nachvollziehbar.
Realistisch ist, dass sich die Zukunft irgendwo zwischen diesen Szenarien bewegen wird. Entscheidend ist, inwiefern Europa bereit ist, die strukturellen Voraussetzungen für Szenario 3 zu schaffen – insbesondere die Bereitschaft, Ressortgrenzen zu überwinden, regulatorische Pfadabhängigkeiten aufzubrechen und private wie öffentliche Investitionen in großem Stil zu koordinieren.
Implikationen für Politik, Industrie und Mittelstand: Vom Projektdenken zur Systemarchitektur
Aus der ökonomischen Analyse ergeben sich mehrere Leitlinien für Akteure in Politik und Wirtschaft.
Für Regierungen und europäische Institutionen
- Dual-Use-Infrastruktur muss als eigenständige Kategorie in der Haushalts- und Investitionsplanung verankert werden, nicht als Nebenprodukt von Verteidigungs- oder Verkehrspolitik.
- Planungs- und Genehmigungsverfahren sollten für Projekte mit klar ausgewiesenem Dual-Use-Charakter beschleunigt und in besonderen Korridoren gebündelt werden, um Skaleneffekte zu erzielen und Signale an Märkte zu senden.
- Normen- und Standardisierungspolitik ist als strategisches Instrument der Sicherheits- und Industriepolitik zu begreifen, nicht als rein technisches Verwaltungsfeld.
- Mittelstands- und Innovationspolitik sollte explizit Dual-Use-Potenziale adressieren, etwa durch Programme, die die Schnittstellen zwischen zivilen Hightech-Märkten und Sicherheitsanwendungen stärken.
Für Großunternehmen in Logistik, Industrie und Infrastruktur
- Dual Use eröffnet neue Geschäftsmodelle entlang bestehender Kompetenzen. Wer heute Terminalbetreiber, Energieversorger oder Logistikdienstleister ist, kann sich zu Betreiber kritischer, sicherheitsrelevanter Infrastruktur entwickeln – mit entsprechenden Chancen, aber auch Verantwortung.
- Investitionen in Automatisierung, Digitalisierung und Datentransparenz zahlen doppelt: Sie erhöhen die Effizienz im Alltagsbetrieb und sind Voraussetzung für die Steuerung komplexer Krisenszenarien.
- Die Fähigkeit, mit staatlichen Stellen langfristige, verlässliche und transparente Partnerschaften einzugehen, wird zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die hier früh Kompetenzen aufbauen, werden bevorzugte Partner bei Großprojekten.
Für Mittelstand und Start-ups
- Dual Use ist keine Einladung zur „Rüstungsabhängigkeit“, sondern ein Zugang zu zusätzlichen Märkten für Technologien, die ohnehin in zivilen Anwendungen gebraucht werden – von KI und Robotik bis zu Cybersecurity und Datenanalyse.
- Unternehmen, die ihre Lösungen von vornherein auf Sicherheits- und Resilienzanforderungen auslegen, verschaffen sich einen Vorsprung in Ausschreibungen und Partnerschaften – auch ohne sich ausschließlich auf militärische Kunden zu fokussieren.
- Kooperationen in Ökosystemen – mit großen Systemhäusern, Forschungseinrichtungen und öffentlichen Auftraggebern – sind wichtiger als der Versuch, isoliert Komplettlösungen zu liefern. Dual-Use-Strukturen sind naturgemäß modular und vielschichtig.
Für alle Akteure gilt: Dual Use ist kein technisches Detail, sondern eine Governance-Frage. Wer entscheidet im Krisenfall über Prioritäten? Wie werden Zugriffsrechte und Kompensation geregelt? Wie werden Datenschutz, Geheimschutz und wirtschaftliche Nutzung in Einklang gebracht? Die Antworten darauf bestimmen, ob Dual Use als produktive Ordnungsidee akzeptiert wird oder als verkappte Militarisierung wahrgenommen wird.
Infrastruktur als Machtressource – zwischen Effizienz und Handlungsfähigkeit
Die Leitidee des EWS-Briefings lässt sich wirtschaftspolitisch klar formulieren: Infrastruktur darf in Europa künftig nicht mehr ausschließlich unter Kostengesichtspunkten und Effizienzkennzahlen betrachtet werden. Sie ist eine Machtressource, die über die Fähigkeit entscheidet, auf Schocks zu reagieren, politische Entscheidungen autonom zu treffen und im Ernstfall nicht improvisieren zu müssen.
Dual Use bietet dafür einen gangbaren Weg, weil er die traditionelle Trennung zwischen „ziviler Wirtschaft“ und „militärischer Sicherheit“ auflöst und durch ein integriertes System ersetzt, in dem dieselben physischen und digitalen Strukturen mehreren Zwecken dienen. Ökonomisch bedeutet das: Investitionen in Sicherheit werden zu einem Teil durch laufende Wertschöpfung amortisiert, Investitionen in Effizienz erhöhen gleichzeitig die Resilienz.
Europa steht vor der Wahl, ob es diesen Weg aktiv, koordiniert und vorausschauend geht – oder ob es in einer Folge von Krisen jeweils ad hoc nachbessert, mit hohen Kosten, politischen Spannungen und wachsender Abhängigkeit von externen Akteuren. Die Zeitfenster werden enger, die geopolitische Lage unberechenbarer, und der Investitionsbedarf konkurriert mit anderen Großprojekten wie Energiewende und Digitalisierung.
Ökonomisch spricht vieles dafür, Dual Use nicht als Spezialthema von Verteidigungsexperten zu behandeln, sondern als Kernfrage europäischer Standortpolitik. Wer Infrastruktur neu denkt, denkt nicht nur in Schienen, Brücken und Lagern, sondern in Handlungsfähigkeit. Und wer Handlungsfähigkeit sichern will, muss bereit sein, das Dogma der maximalen Kurzfristeffizienz zu brechen.
Die provokante, aber realistische Schlussfolgerung lautet: In einer Welt permanenter Unsicherheit ist das aschfahle Lagerhaus am Stadtrand mitunter politisch wertvoller als das nächste Glaspalast-Bürogebäude. Und der ökonomische Wohlstand Europas wird sich in den kommenden Jahren weniger daran messen lassen, wie schlank seine Lieferketten sind, sondern daran, wie gut sie Schocks überstehen, ohne das System zu zerreißen. Dual-use-fähige Logistikhubs, robuste Mobilitätskorridore und eine bewusst gestaltete Resilienzarchitektur sind dafür keine Option am Rand – sie sind der neue Kern.
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Die Weltwirtschaft durchlebt derzeit einen fundamentalen Wandel, einen Epochenbruch, der die Grundpfeiler der globalen Logistik erschüttert. Die Ära der Hyper-Globalisierung, die durch das unerschütterliche Streben nach maximaler Effizienz und das “Just-in-Time”-Prinzip geprägt war, weicht einer neuen Realität. Diese ist von tiefgreifenden strukturellen Brüchen, geopolitischen Machtverschiebungen und einer fortschreitenden wirtschaftspolitischen Fragmentierung gekennzeichnet. Die einst als selbstverständlich angenommene Planbarkeit internationaler Märkte und Lieferketten löst sich auf und wird durch eine Phase wachsender Unsicherheit ersetzt.
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Branchenschwerpunkte: B2B, Digitalisierung (von KI bis XR), Maschinenbau, Logistik, Erneuerbare Energien und Industrie
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