3D-Drucker & Logistik
Veröffentlicht am: 15. September 2015 / Update vom: 26. November 2018 – Verfasser: Konrad Wolfenstein
Schreckgespenst oder Chance?
Turnschuhe, Ersatzteile, Leckereien aus Zuckerguss oder gar das 3D-Modell eines menschlichen Herzens: Inzwischen vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein neues, per 3D-Druck hergestelltes Produkt Schlagzeilen macht. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass inzwischen Unternehmen unterschiedlichster Branchen den Einsatz von 3D-Druckern prüfen. Auch Logistikdienstleister starten erste Pilotprojekte zwecks Klärung, ob und wie die neue Technik ihre Geschäftsmodelle beeinflussen wird.
Klar ist, der Marktanteil der „additiven Fertigung“ (= die Herstellung von Artikeln oder Teilen mit Hilfe von 3D-Drucktechnologien) wird in Zukunft weiter wachsen. Dabei ist jedoch noch völlig unklar, wann und inwieweit diese Produktionstechnik in der Lage sein wird, traditionelle Herstellungsverfahren zu ergänzen oder gar zu ersetzen.
Anwendungsgebiete
Einfach konstruierte Artikel
Plastikbesteck, Knöpfe, Schrauben oder Kugelschreiberhüllen: All das sind einfache Waren, die heute schon aus dem 3-D-Drucker kommen. Aufgrund des geringen Personeneinsatzes und niedriger Arbeitskosten bei der automatisierten Fertigung dieser Teile sind sie auch in Hochlohnländern wie Deutschland wirtschaftlich herzustellen. Für technisch einfache Artikel und Teile ist die Technik also bereits jetzt relativ problemlos einsetzbar. So geht der Verwaltungsratsvorsitzende des Logistikunternehmens Kühne & Nagel, Karl Gernandt, davon aus, dass bei entsprechender Entwicklung der 3D-Drucktechnik ein beträchtlicher Anteil von Massenartikeln in Zukunft vor Ort in Deutschland produziert wird, statt aus Fabriken in Fernost zu kommen.
Ersatzteile
Durch 3D-Druck könnte eine ganz neue Art der Lagerhaltung Einzug halten. Statt jederzeit ein breites Sortiment an Ersatzteilen vorzuhalten, könnten die Teile per Print-on-Demand erst bei Bedarf gedruckt werden. Zeitpunkt und Stückzahl wären so punktgenau steuerbar. Aufwändige Bestellprozesse entfallen, wenn stattdessen lediglich der Druckauftrag an die Maschinen gesendet wird. Hier sind sogar automatische Lösungen vorstellbar, bei denen die Systeme bei Unterschreitung einer gewissen Mindestmenge der Teile den Auftrag autonom vergeben.
Langsamdreher
Selten abgerufene C-Teile, die bisher unnötig viel Lagerplatz belegen, aber beispielsweise aus Servicegründen permanent verfügbar sein müssen, könnten zukünftig erst bei Abruf gedruckt werden. Auf diese Weise ließe sich der wertvolle Platz sparen und die Lagerkosten im Rahmen halten.
Prototypen
Auch Prototypen lassen sich leicht erstellen. Statt aufwändig Formen zu gießen oder Maschinen um- und einzustellen reicht ein USB-Stick mit dem 3D-Modell des Teils, und schon kann gedruckt werden. Auch kann per 3D-Druck so gut wie jede geometrische Form, die sich dreidimensional darstellen lässt, gedruckt werden. Auf diese Weise werden Artikelformen machbar, die bislang nicht oder nur unwirtschaftlich reproduzierbar waren.
Die Technik des 3D-Drucks versetzt Unternehmen zudem in die Lage, individuelle Produkte auf Bestellung zu fertigen. Auch Sonderanfertigungen von Einzelteilen in Kleinstauflagen sind auf diese Weise wirtschaftlich produzierbar.
Produktionswerkzeuge für die Industrie
Der Autobauer VW erstellt bereits vereinzelt Montagehilfsmittel und Produktionswerkzeuge per Druck. Nach ausgiebigen Tests sind diese am Standort Wolfsburg in den Serieneinsatz gegangen.
Vor den Unternehmen mag noch ein gewisser Weg bis zur On Demand-Produktion ohne Lager oder Werkzeuge liegen, doch die ersten Schritte sind getan.
Auswirkungen auf die Logistik
Die Liste zeigt, dass Unternehmen sicher gut beraten sind, sich bereits heute auf die Chancen oder Herausforderungen der neuen Technologie einzustellen. Denn fest steht, dass sich mit Hilfe der Apparate Artikel und Teile unterschiedlichster Machart und Form vergleichsweise leicht produzieren lassen.
Natürlich gibt es neben all der Möglichkeiten auch Risiken durch den 3D-Druck. So können beispielsweise Produktfälschungen in Umlauf gebracht werden; mit teilweise gefährlichen Folgen. Auch Plagiate sind leicht herstellbar, sobald Unbefugte an die Druckdaten gelangen. Dazu mangelt es oftmals an der Verschleiß- oder Bruchfestigkeit der verwendeten Materialien. Auch weichen die Materialeigenschaften identischer, nacheinander gedruckter Teile oftmals minimal voneinander ab. Dies führt zu einer nicht gleichbleibenden Qualität und macht die Teile damit für viele Anwendungen uninteressant.
Dezentrale Produktion
Hat der 3D-Druck trotzdem das Potential, die Logistik von morgen zu verändern? Neben einem Schub für den Produktionsstandort Deutschland würde durch den just in time-Druck von seltener benötigten Ersatz- oder Bauteilen und anderen langsam drehenden Artikeln zuerst einmal der Lagerflächenbedarf verringert. Eine gute Nachricht für Unternehmen, die generell mit steigenden Mengen an Lagergütern zu kämpfen haben; eine weniger gute für Logistikdienstleister, die demnach mit sinkender Nachfrage für ihr Angebot von Lagerräumen und Transportleistungen konfrontiert wären.
Jedoch könnten Logistiker den Spieß ganz einfach umdrehen, indem sie sich selbst zu Vorreitern der neuen Technik machen.
Logistiker als 3D-Druck-Dienstleister
Gerade im Bereich der Ersatzteillogistik bieten sich hier Chancen. Denn wenn künftig benötigte Teile per 3D-Druck gefertigt werden, ist damit zu rechnen, dass sich nicht jeder Hersteller die Kompetenz zutraut, diese Artikel in gewünschter Quantität und Qualität zur Verfügung zu stellen. Es ist also damit zu rechnen, dass für diesen Markt spezialisierte Dienstleister entstehen, die 3D-Druckaufträge externer Kunden abwickeln. Warum sollten dies nicht Logistikunternehmen sein, die über ausreichend Flächen zur Installation der Drucker verfügen?
Der Logistikdienstleister TNT hat auf die Herausforderung bereits reagiert, indem er an mehreren seiner deutschen Standorte 3D-Druck-Stationen eingerichtet hat. Mit seinem Angebot will TNT dabei sowohl Großunternehmen als auch kleinere und mittelständische Firmen ansprechen und ihnen so die Möglichkeiten der additiven Fertigung näher bringen. Sollte sich die Technik durchsetzen, will TNT seinen Kunden auf lange Sicht individuelle Druck- und Supply-Chain-Lösungen anbieten. Der Wandel vom reinen Logistikanbieter zu hin zu einem vertikal ausgerichteten Dienstleister mit eigenen Produktionsstrukturen in Form von leistungsstarken 3D-Druck-Stationen wäre damit vollzogen.
Zunahme individueller Lieferverkehre
Je mehr Produkte nicht mehr aus Asien verschifft werden und stattdessen vor der Haustür gedruckt werden, desto stärker reduziert sich der globale Lieferverkehr. Gleichzeitig aber nimmt das lokale Transportvolumen zu. Denn egal, ob nun die Logistiker selbst oder andere Unternehmen die Druckaufträge ausführen, die Artikel und Teile müssen nach Auftragserfüllung zu den Kunden. Und wer ist dafür besser geeignet als die von Haus aus auf den Transport der Waren zum Kunden spezialisierten Logistikunternehmen mit ihren durchoptimierten Lieferketten?
Lagerhaltung von Ausgangsstoffen
Es wird jedoch nicht nur der lokale Transport der gedruckten Teile zunehmen, müssen doch auch die Rohmaterialen, die als Ausgangsbasis für die Artikel dienen, zu den 3D-Druckern gelangen. Logistiker werden deshalb immer Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zu transportieren haben, ganz zu schweigen von Ersatzteilen für die Drucker. Wobei die Geräte diese letztendlich wohl selbst produzieren werden.
Chancen gibt es also zuhauf – für Fertigungsunternehmen wie auch Logistiker. Sie müssen nur ergriffen werden.