
Wissenswertes zum NATO-Gipfel Abschluss in Den Haag: Ein historisches Treffen zur Stärkung der westlichen Verteidigungsallianz – Bild: Xpert.Digital
Trump dominiert NATO-Gipfel: Europäische Verbündete machen weitreichende Zugeständnisse
Superlative und Kompromisse: Den Haag markiert kostspieligen Neuanfang der Westverteidigung
Der NATO-Gipfel in Den Haag am 24. und 25. Juni 2025 markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des Nordatlantischen Bündnisses. Zum ersten Mal seit der Gründung der NATO im Jahr 1949 fungierte die Niederlande als Gastgeber eines Gipfeltreffens. Das Treffen fand im World Forum in Den Haag statt und brachte Vertreter aller 32 Mitgliedsstaaten zusammen, darunter Staats- und Regierungschefs sowie Außen- und Verteidigungsminister.
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Grundlage und Vorbereitung des Gipfels
Die Vorbereitungen für diesen Gipfel liefen seit der Entscheidung beim NATO-Gipfel 2023 in Vilnius, dass die Niederlande die Gastgeberrolle übernehmen würde. Mark Rutte, der neue NATO-Generalsekretär und ehemalige niederländische Ministerpräsident, führte das Bündnis in seiner Heimatstadt an. Die Stadt Den Haag, als “Stadt des Friedens und der Gerechtigkeit” bekannt, bot den symbolisch passenden Rahmen für die wichtigen Entscheidungen des Bündnisses.
Das Treffen wurde bewusst auf eine kurze Dauer von nur zweieinhalb Stunden Arbeitssitzung beschränkt – ein ungewöhnlich kurzes Format für einen NATO-Gipfel. Diese Entscheidung erfolgte strategisch, um US-Präsident Donald Trump bei Laune zu halten und die Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Überraschungen zu minimieren.
Die zentrale Rolle von Donald Trump
Der Gipfel war in außergewöhnlichem Maße auf die Bedürfnisse und Wünsche von US-Präsident Donald Trump zugeschnitten. Bereits im Vorfeld erhielt Trump königlichen Empfang: Das niederländische Königspaar Willem-Alexander und Königin Maxima luden zu einem Galadinner ins Schloss ein, und Trump durfte als einziger ausländischer Staatschef im Palast übernachten. Diese besondere Behandlung spiegelte die Erkenntnis wider, dass Trumps Unterstützung für die NATO-Beistandsverpflichtung von entscheidender Bedeutung für das Bündnis war.
NATO-Generalsekretär Rutte ging dabei bemerkenswert weit in seinen Bemühungen, Trump zu umgarnen. In einer vor dem Gipfel versendeten SMS lobte Rutte überschwänglich Trumps “entschlossenes Handeln im Iran” und übernahm sogar Trumps charakteristischen Schreibstil mit Großbuchstaben. Trump veröffentlichte diese private Nachricht später vollständig auf seiner Plattform Truth Social, was die ungewöhnliche Dynamik der Beziehung verdeutlichte.
Der historische Beschluss zu den Verteidigungsausgaben
Das Herzstück des Gipfels bildete die Vereinbarung über eine drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Die 32 NATO-Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, bis spätestens 2035 jährlich fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung und Sicherheit aufzuwenden. Dies stellte eine mehr als Verdoppelung des bisherigen Ziels von zwei Prozent dar und bedeutete die höchsten Verteidigungsausgaben seit dem Ende des Kalten Krieges.
Die Aufteilung erfolgte nach einem Vorschlag von Generalsekretär Rutte: Mindestens 3,5 Prozent des BIP sollten für “harte Verteidigung” – also Waffen, Truppen und klassische Militärausgaben – verwendet werden, während 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur wie panzertaugliche Brücken, militärisch nutzbare Bahnstrecken, erweiterte Häfen, Cybersicherheit und Terrorismusbekämpfung eingeplant wurden.
Für Deutschland bedeutete diese Verpflichtung jährliche Mehrausgaben von 60 bis 70 Milliarden Euro, was etwa einem Viertel des gesamten Bundeshaushalts entspricht. Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte an, Deutschland wolle das 3,5-Prozent-Ziel bereits bis 2029 erreichen und bezeichnete den Beschluss als “historisch”.
Spaniens Sonderstellung und interne Spannungen
Nicht alle Mitgliedsstaaten zeigten sich gleichermaßen begeistert von den neuen Ausgabenverpflichtungen. Spanien unter Ministerpräsident Pedro Sánchez handelte eine Ausnahmeregelung aus: Das Land muss das Fünf-Prozent-Ziel nicht erreichen, solange es die geforderten militärischen Fähigkeiten auch mit geringerem Budget bereitstellen kann. Diese Regelung sorgte für Unmut, insbesondere bei Trump, der Spaniens Verhalten als “unfair” gegenüber den anderen Ländern kritisierte.
Die belgische Führung warnte, dass eine solche Interpretation anderen Ländern Tür und Tor öffnen könnte, die Vereinbarung nach eigenem Gutdünken auszulegen. Diese Spannungen verdeutlichten, dass trotz der offiziellen Einigkeit erhebliche Meinungsunterschiede über die praktische Umsetzung der Beschlüsse bestanden.
Die Frage der Beistandsverpflichtung – Donald Trump: “Wir stehen voll und ganz hinter ihnen”
Eine der kritischsten Momente des Gipfels entstand durch Trumps mehrdeutige Äußerungen zur NATO-Beistandsverpflichtung nach Artikel 5. Bereits auf dem Flug nach Den Haag hatte Trump auf die Frage, ob die USA zu Artikel 5 stünden, ausweichend geantwortet: “Das hängt von der Definition ab. Es gibt viele Interpretationen von Artikel 5”. Diese Aussage löste erhebliche Besorgnis unter den europäischen Verbündeten aus.
Während der offiziellen Gipfelsitzung korrigierte Trump seine Position und erklärte: “Wir stehen voll und ganz hinter ihnen”. In der Abschlusserklärung bekräftigten die Staats- und Regierungschefs ihr “unverbrüchliches Bekenntnis zur kollektiven Verteidigung, wie in Artikel 5 des Nordatlantikvertrags festgelegt – ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle”.
Dennoch fehlte in der diesjährigen Erklärung die in früheren Jahren verwendete Formulierung, dass man “jeden Zentimeter des Bündnisgebiets zu jeder Zeit” verteidigen werde. Diese Auslassung wurde als Kompromiss interpretiert, um Trumps Bedenken Rechnung zu tragen.
Die Ukraine im Schatten der Verhandlungen
Im Gegensatz zu früheren NATO-Gipfeln spielte die Ukraine diesmal eine deutlich untergeordnete Rolle. Präsident Wolodymyr Selenskyj stand nicht auf der offiziellen Tagesordnung des Gipfels, sondern war lediglich zu bilateralen Gesprächen eingeladen. Sein Treffen mit Trump dauerte etwa 50 Minuten und wurde von Selenskyj als “lang und bedeutungsvoll” beschrieben.
In der Abschlusserklärung wurde die Ukraine nur mit einem vagen Satz erwähnt: “Die Alliierten bekräftigen ihre dauerhaften souveränen Verpflichtungen zur Unterstützung der Ukraine, deren Sicherheit zu unserer eigenen beiträgt”. Das Wort “souverän” signalisierte dabei, dass die Ukraine-Unterstützung als Angelegenheit der einzelnen Mitgliedsstaaten und nicht als NATO-weite Verpflichtung betrachtet wurde.
Die Rolle von Russland und regionalen Bedrohungen
Russland wurde in der Abschlusserklärung als direkte Bedrohung für die NATO bezeichnet, erhielt jedoch weniger Aufmerksamkeit als in früheren Gipfelerklärungen. Bundeskanzler Merz warnte in seiner Pressekonferenz eindringlich: “Es soll bitte niemand wagen, die NATO anzugreifen, und zwar an keiner Stelle”. Er betonte, dass Russland zwar nicht stark genug sei, die NATO als Ganzes anzugreifen, man aber nicht wisse, ob Moskau die Verteidigungsbereitschaft des Bündnisses eines Tages testen werde.
Die verschärfte Bedrohungslage durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine diente als Hauptbegründung für die drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Gleichzeitig wurden auch andere Bedrohungen wie Iran, China und Nordkorea als Herausforderungen für die transatlantische Sicherheit identifiziert.
Nahost-Krise als Hintergrundfaktor
Der Gipfel fand vor dem Hintergrund einer eskalierenden Krise im Nahen Osten statt. Kurz vor dem Treffen war eine von Trump vermittelte Waffenruhe zwischen Israel und Iran zustande gekommen, nachdem die USA iranische Nuklearanlagen bombardiert hatten. Diese Waffenruhe erwies sich jedoch als fragil, und Trump zeigte sich öffentlich frustriert über die anhaltenden Spannungen zwischen den beiden Ländern.
Bundeskanzler Merz äußerte sich “einigermaßen zuversichtlich” über die Lage in Nahost, warnte jedoch vor einer möglichen Eskalation bei einer Blockade der strategisch wichtigen Straße von Hormus. Die Nahost-Krise verdeutlichte die globalen Dimensionen der Sicherheitsherausforderungen, mit denen sich die NATO konfrontiert sah.
Die Führungsrolle europäischer Staatschefs
Neben Trump spielten auch die europäischen Staats- und Regierungschefs wichtige Rollen bei dem Gipfel. Bundeskanzler Merz sah Deutschland nach dem Beschluss in einer “gewissen Führungsrolle” innerhalb der NATO. Er betonte, dass ohne Deutschlands Bereitschaft als zweitgrößter Beitragszahler, die Schuldenbremse auszusetzen, die Einigung möglicherweise nicht zustande gekommen wäre.
Der französische Präsident Emmanuel Macron betonte die Notwendigkeit, dass Europa mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernehme und stärker in gemeinsame Verteidigungsstrukturen investiere. Diese Forderung nach europäischer Eigenverantwortung war auch ein langjähriges Anliegen der amerikanischen Seite.
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Operative Herausforderungen und Sicherheitsmaßnahmen
Die Durchführung des Gipfels stellte eine der größten Sicherheitsoperationen in der niederländischen Geschichte dar. Unter dem Codenamen “Orange Shield” waren rund 5.000 Polizisten im Einsatz – etwa die Hälfte aller Polizeibeamten des Landes – sowie mehr als 10.000 Soldaten. Insgesamt wurden etwa 9.000 Besucher erwartet, darunter 2.000 Journalisten.
Die straffe Zeitplanung und die hohen Sicherheitsanforderungen spiegelten die Bedeutung wider, die dem Treffen beigemessen wurde. Der Gipfel musste nicht nur inhaltliche Ergebnisse liefern, sondern auch die Einheit und Handlungsfähigkeit des Bündnisses unter Beweis stellen.
Langfristige Auswirkungen und Bewertung
NATO-Generalsekretär Rutte bewertete die Ergebnisse des Gipfels als wegweisend für die Zukunft des Bündnisses. Er bezeichnete die Entscheidungen als “Quantensprung” und betonte, dass sie die NATO zu einem “gerechteren Bündnis” machten, in dem Europa und Kanada einen größeren Anteil der Verantwortung für die gemeinsame Sicherheit übernähmen.
Gleichzeitig mahnte Rutte, dass mit dem Gipfel die Arbeit erst begonnen habe. “Dies ist Tag eins”, sagte er und forderte alle Alliierten auf, “die Ärmel hochzukrempeln, um diesen neuen Plan in die Tat umzusetzen”. Die Umsetzung der ehrgeizigen Ausgabenziele werde in den kommenden Jahren die wahre Bewährungsprobe für das Bündnis darstellen.
Ein Gipfel der Superlative und Kompromisse
Der NATO-Gipfel in Den Haag wird als historisches Ereignis in die Annalen des Bündnisses eingehen. Die Verdoppelung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts stellte eine beispiellose finanzielle Verpflichtung dar, die das Ende der “Friedensdividende” nach dem Kalten Krieg markierte.
Gleichzeitig offenbarte der Gipfel die komplexen Machtdynamiken innerhalb der NATO. Trumps dominante Rolle und die Bereitschaft der europäischen Verbündeten, weitreichende Zugeständnisse zu machen, um seine Unterstützung zu sichern, verdeutlichten die Abhängigkeit des Bündnisses von amerikanischer Führung.
Die erfolgreiche Einigung auf die Ausgabenziele verhinderte zunächst das von vielen befürchtete Auseinanderdriften der NATO nach Trumps Wahlsieg. Ob diese Einheit jedoch von Dauer sein wird, hängt von der praktischen Umsetzung der Beschlüsse und der weiteren Entwicklung der internationalen Sicherheitslage ab. Der Gipfel von Den Haag markierte somit sowohl einen Höhepunkt der transatlantischen Zusammenarbeit als auch den Beginn einer neuen, kostspieligen Phase der westlichen Verteidigungspolitik.
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