Veröffentlicht am: 17. April 2025 / Update vom: 17. April 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein
Weißer Wasserstoff – Deutscher Energie-Coup in Nordbayern: Natürlicher Wasserstoff transformiert die Energiewende? – Bild: Xpert.Digital
Natürlicher Wasserstoff könnte Importe überflüssig machen: Die Entdeckung einer vielversprechenden Energiequelle
Bye-bye Kohle? Natürlicher Wasserstoff in Deutschland – Gamechanger für die Industrie?
Die Energielandschaft Deutschlands könnte vor einem bedeutenden Wendepunkt stehen. In Nordbayern haben Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) einen Fund gemacht, der das Potenzial hat, die heimische Energieversorgung zu revolutionieren: natürlicher Wasserstoff, der direkt aus dem Untergrund gewonnen werden kann. Dieser als “weißer Wasserstoff” bekannte Energieträger könnte eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen und Deutschland einen Schritt näher an die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen bringen. Die Entdeckung reiht sich ein in eine wachsende Zahl von Funden weltweit und weckt Hoffnungen auf bisher ungeahnte Energiequellen direkt unter unseren Füßen, die klimaneutral und nachhaltig genutzt werden könnten.
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Die überraschende Entdeckung in Nordbayern
Im August 2024 machten Masterstudenten der FAU im Rahmen des Forschungsprojekts “Natürlicher Wasserstoff in Nordbayern” eine bemerkenswerte Entdeckung. Bei Bodenluftmessungen in sorgfältig ausgewählten Gebieten stießen sie auf Wasserstoffkonzentrationen, die die obere Messgrenze ihres Sensors von 1000 ppm übertrafen. Felix Gsell, einer der beteiligten Studenten, beschrieb seine erste Reaktion als “eine Mischung aus Erleichterung, dass ich nicht monatelang im Gelände unterwegs war, ohne überhaupt etwas zu messen, und Zweifeln, ob die hohen Werte tatsächlich stimmen”.
Die Methode zur Entdeckung war dabei ebenso einfach wie schweißtreibend: Mit einem Hammer schlugen die Studenten einen ein Meter langen Bohrstab in den Untergrund, führten eine Sonde ein, die das Bohrloch abdichtete, und maßen dann mittels eines mobilen Wasserstoffmessgeräts die Konzentration in der abgepumpten Bodenluft. Der Fund ist bemerkenswert, da derart hohe Wasserstoffkonzentrationen bei Bodenluftmessungen bisher in der Fachliteratur nicht dokumentiert wurden.
Auch in anderen Regionen Deutschlands könnten solche Vorkommen existieren. So zeigen die jüngsten Entdeckungen in den Haßbergen in Nordbayern, dass der unscheinbare Waldboden tatsächlich Wasserstoff enthält. Diese Funde sind Teil einer wachsenden Zahl von Entdeckungen natürlicher Wasserstoffvorkommen weltweit.
Was ist natürlicher Wasserstoff und wie entsteht er?
Natürlicher oder “weißer” Wasserstoff unterscheidet sich grundlegend von industriell erzeugtem Wasserstoff. Während grüner Wasserstoff durch Elektrolyse mit Hilfe erneuerbarer Energien oder grauer Wasserstoff aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird, kommt natürlicher Wasserstoff direkt in Lagerstätten im Untergrund vor und ist damit ein Primärenergieträger.
Die Entstehung von natürlichem Wasserstoff in der Erdkruste kann auf verschiedene geologische Prozesse zurückgeführt werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei Vorgänge in Gebirgszügen, wo es durch plattentektonische Aktivitäten zu chemischen Reaktionen kommt. Wenn sich Faltengebirge bilden, weil sich eine Kontinentalplatte unter eine andere schiebt, gelangt Gestein aus dem Erdmantel in Kontakt mit Wasser. Dabei findet ein als “Serpentinisierung” bezeichneter Prozess statt, bei dem die Minerale im Gestein reagieren und Wasserstoff freisetzen.
Geologen des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geoforschung in Potsdam haben mittels Computersimulationen nachgewiesen, dass die jährliche Wasserstoff-Erzeugungskapazität in Gebirgen bis zu 20-mal größer sein kann als am Boden der Ozeane. Besonders in Regionen, in denen ursprünglich tief im Erdinneren liegendes Mantelgestein bis in oberflächennahe Bereiche gelangt ist, könnten optimale Bedingungen für die natürliche Wasserstoffentstehung und großflächige Ansammlungen von gasförmigem Wasserstoff vorliegen.
Geologische Voraussetzungen in Deutschland
Die geologischen Bedingungen in Deutschland bieten durchaus Potenzial für natürliche Wasserstoffvorkommen. Während viele bisherige Funde in Gebirgszügen wie den Pyrenäen oder den Alpen gemacht wurden, zeigen die Entdeckungen in Nordbayern, dass auch andere geologische Formationen Wasserstoff enthalten können.
Geologen vermuten, dass auch im deutschen Teil des Rheingrabens Wasserstoffvorkommen möglich wären, da die Gesteine eine Entstehung und Ansammlung von Wasserstoff grundsätzlich ermöglichen könnten. Die Struktur des Untergrunds spielt dabei eine entscheidende Rolle – besonders Störungen im Gestein, also Brüche, an denen sich der Untergrund verschiebt und große Spannungen entstehen, können zur Freisetzung von Wasserstoff führen.
Frank Zwaan vom GFZ erklärt, dass entlang solcher großen Störungen manchmal erhöhte Konzentrationen von Wasserstoff zu finden sind. Diese Erkenntnisse könnten helfen, gezielt nach weiteren Vorkommen in Deutschland zu suchen.
Vergleich mit internationalen Funden
Die deutschen Funde sind Teil einer weltweiten Entdeckungswelle natürlicher Wasserstoffvorkommen. Das derzeit wohl größte bekannte Vorkommen befindet sich im französischen Lothringen, nahe der deutschen Grenze. In Folschviller im Département Moselle schätzen Wissenschaftler die Wasserstofflagerstätte auf etwa 60 Millionen Tonnen. Diese Entdeckung war ebenfalls ein Zufallsfund: Forscher suchten ursprünglich nach Methan und fanden stattdessen Wasserstoff, dessen Konzentration mit zunehmender Tiefe anstieg und in 1.200 Metern Tiefe bereits 20 Prozent erreichte.
Weitere bedeutende Funde wurden in Mali, in der Bulqizë-Chrom-Mine in Albanien und in den USA dokumentiert. In Albanien wurden über sechs Jahre hinweg Wasserstoffemissionen überwacht, wobei jährlich mindestens 200 Tonnen Wasserstoff freigesetzt werden – ein Mindestwert, da nicht das gesamte Luftvolumen der Mine erfasst wurde.
Eine US-amerikanische Studie vom Januar 2025 sorgte für Aufsehen mit der Berechnung, dass die weltweiten unterirdischen Wasserstoffvorkommen alle bisherigen Vorstellungen übertreffen könnten. Die errechnete Menge enthält etwa doppelt so viel Energie wie in allen bekannten Erdgasreserven der Erde vorhanden ist.
Bedeutung für Deutschlands Energiezukunft
Die Entdeckung natürlicher Wasserstoffvorkommen könnte für Deutschlands Energiestrategie von großer Bedeutung sein. Die Bundesregierung hat in ihrer Wasserstoffstrategie das Ziel festgelegt, bis 2030 Elektrolysekapazitäten von zehn Gigawatt aufzubauen. Dennoch wird prognostiziert, dass 50 bis 70 Prozent des benötigten Wasserstoffs importiert werden müssen.
Natürlicher Wasserstoff könnte diese Abhängigkeit von Importen reduzieren. Zudem hat weißer Wasserstoff gegenüber anderen Formen entscheidende Vorteile: Er muss nicht unter hohem Energieaufwand produziert werden und verursacht bei der Verbrennung keinerlei CO₂-Emissionen – es entsteht lediglich Wasser. Dies macht ihn zu einer idealen, sauberen Energiequelle für Industrie, Verkehr und Stromerzeugung.
Besonders für die Stahlindustrie, die zu den größten CO₂-Emittenten Deutschlands zählt, könnte Wasserstoff ein Gamechanger sein. Thyssenkrupp Steel in Duisburg plant bereits, seine Stahlproduktion bis 2045 klimafreundlich umzubauen und statt Kohle Wasserstoff einzusetzen. Dadurch könnten jährlich etwa 3,5 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden – eines der größten Dekarbonisierungsprojekte weltweit.
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Weißer Wasserstoff: Die ungelösten Rätsel der Erdkruste
Trotz des großen Potenzials gibt es noch erhebliche Herausforderungen. Die Entstehung und der Transport von weißem Wasserstoff in der Erdkruste sind wissenschaftlich noch nicht vollständig verstanden. Daher existieren bislang weder ausgereifte Explorationsstrategien noch zuverlässige Potenzialanalysen.
Eine weitere Herausforderung liegt in der Form, in der der Wasserstoff vorliegt. Anders als Erdgas bildet Wasserstoff nicht immer große Blasen, sondern ist oft im Grundwasser gelöst – “so wie Gas, das in einer Flasche Champagner oder einer Flasche Bier gelöst ist,” wie es der französische Forscher Jaques Pironon beschreibt.
Zudem ist unklar, welche Mengen tatsächlich wirtschaftlich gefördert werden können. Selbst wenn große Vorkommen lokalisiert werden, könnten sie zu tief unter der Erde eingeschlossen oder zu weit von der Küste entfernt sein, um rentabel gefördert zu werden.
Infrastruktur für eine Wasserstoffwirtschaft
Parallel zur Erforschung natürlicher Vorkommen treibt Deutschland den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur voran. Im April 2024 genehmigte der Deutsche Bundestag ein 9.700 Kilometer langes Wasserstoffpipelinenetz, das die Zentren der Wasserstoffproduktion mit den nachfragestarken Industriesektoren verbinden soll. Dieses Netzwerk ist als Rückgrat der neuen Energiematrix des Landes konzipiert und soll bis 2032, möglicherweise bis 2037, fertiggestellt werden.
Zusätzlich investiert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in den Aufbau dezentraler Innovations- und Technologiezentren Wasserstoff (ITZ-H2). Im März 2025 übergab Bundesminister Volker Wissing Förderbescheide in Höhe von 154 Millionen Euro an Vertreter der Standorte Chemnitz sowie das norddeutsche Cluster aus Bremen, Bremerhaven, Hamburg und Stade.
Wasserstoff als Schlüssel zur Energiewende
Natürlicher Wasserstoff könnte einen wichtigen Beitrag zur Energiewende in Deutschland leisten. Als klimaneutraler und praktisch unerschöpflicher Energieträger bietet er das Potenzial, fossile Brennstoffe in vielen Bereichen zu ersetzen und die CO₂-Emissionen drastisch zu reduzieren.
Die aktuellen Entdeckungen in Nordbayern sind erst der Anfang einer intensiveren Suche nach natürlichen Wasserstoffvorkommen in Deutschland. Weitere Forschungsprojekte werden folgen, um das volle Potenzial dieser Ressource zu erfassen und Methoden für eine wirtschaftliche Förderung zu entwickeln.
Doch auch wenn die natürlichen Vorkommen vielversprechend sind, wird Deutschland weiterhin auf einen Mix aus heimischer Produktion, Importen und synthetischen Kraftstoffen setzen müssen. Das Umweltbundesamt betont: “Wasserstoff wird eine wichtige Rolle in der zukünftigen Energieversorgung einnehmen. Er wird als direkt genutzter Endenergieträger benötigt, z.B. in der Stahlindustrie, oder als Sekundärenergieträger, um Kohlenwasserstoffe für Flugzeuge herzustellen.”
Die Vision Jules Vernes von 1870 – “Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist” – könnte in einer überraschenden Wendung teilweise Wirklichkeit werden: Die Energie von morgen könnte tatsächlich Wasserstoff sein – nicht nur künstlich erzeugt, sondern auch direkt aus der Natur gewonnen.
Natürlicher Wasserstoff in Deutschland: Eine klimaneutrale Energiequelle mit Potenzial
Die Entdeckung natürlicher Wasserstoffvorkommen in Deutschland markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Suche nach nachhaltigen Energiequellen. Während die Forschung noch am Anfang steht, zeigen die Funde in Nordbayern das enorme Potenzial dieser Ressource. Mit weiteren Untersuchungen und technologischen Fortschritten könnte natürlicher Wasserstoff einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten und Deutschland helfen, seine Klimaziele zu erreichen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob der weiße Wasserstoff tatsächlich das “neue Öl” wird – nur diesmal klimaneutral und nahezu unerschöpflich.
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