Solar-Boom, aber Pleitewelle: Das bizarre Paradox, das Europas Industrie zerstört
Mehr als nur ein Gesetz: Europas letzter Versuch, die Abhängigkeit von China zu beenden
Die europäische Solarindustrie steckt in einer tiefen, paradoxen Krise: Während der Ausbau von Solaranlagen in der EU Rekorde bricht und Solarstrom erstmals zur wichtigsten Stromquelle aufsteigt, kämpfen die heimischen Hersteller ums nackte Überleben. Prominente Beispiele wie die Insolvenz des letzten großen deutschen Modulherstellers Meyer Burger oder die Produktionsverlagerung von Solarwatt nach Asien verdeutlichen die dramatische Lage. Ursache ist ein unerbittlicher Verdrängungswettbewerb, angetrieben von massiv subventionierten und extrem günstigen Solarmodulen aus China, die den europäischen Markt mit einem Marktanteil von 95 Prozent dominieren. Europa droht, bei einer der wichtigsten Zukunftstechnologien die industrielle Souveränität vollständig zu verlieren und in eine neue, gefährliche Abhängigkeit zu geraten.
Als Antwort auf diese existenzielle Bedrohung hat die EU den Net-Zero Industry Act (NZIA) ins Leben gerufen. Seit Juni 2024 in Kraft, soll dieses Gesetz die Wende bringen und die Fertigungskapazitäten für saubere Technologien in Europa massiv stärken. Das Kernziel: Bis 2030 sollen 40 Prozent des Bedarfs an strategischen Technologien wie Solarmodulen aus europäischer Produktion stammen. Doch kann dieser politische Rettungsanker die bereits sinkende Branche noch vor dem Untergang bewahren? Experten und Branchenverbände äußern erhebliche Zweifel: Während Maßnahmen wie beschleunigte Genehmigungen und neue Nachhaltigkeitskriterien bei öffentlichen Ausschreibungen Hoffnung machen, fehlen dem NZIA entscheidende Elemente – vor allem frisches Geld nach dem Vorbild des US-amerikanischen Inflation Reduction Act und sofort wirksame Notfallmaßnahmen. Der folgende Text analysiert, ob der Net-Zero Industry Act die letzte Chance für eine resiliente europäische Solarindustrie ist oder ob er als gut gemeinter, aber letztlich wirkungsloser Versuch in die Geschichte eingehen wird.
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Was ist der Net-Zero Industry Act und welche Ziele verfolgt er?
Der Net-Zero Industry Act, kurz NZIA, ist eine europäische Verordnung, die am 29. Juni 2024 in allen 27 EU-Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist. Das Gesetz stellt ein zentrales Element des Green Deal Industrial Plan dar und zielt darauf ab, die Fertigungskapazitäten für saubere Technologien in der EU massiv auszubauen.
Das ambitionierte Hauptziel des NZIA besteht darin, bis 2030 mindestens 40 Prozent des jährlichen EU-Bedarfs an strategischen Netto-Null-Technologien aus europäischer Produktion zu decken. Zu diesen Schlüsseltechnologien gehören Solarmodule, Windenergieanlagen, Batterien, Wärmepumpen, Elektrolyseure und weitere klimafreundliche Technologien. Für die Solarbranche bedeutet dies konkret ein Ziel von mindestens 30 Gigawatt operationeller Photovoltaik-Herstellungskapazität über die gesamte Wertschöpfungskette.
Der NZIA verfolgt dabei eine doppelte Strategie: Einerseits soll die technologische Souveränität Europas gestärkt und die Abhängigkeit von Importen, insbesondere aus China, reduziert werden. Andererseits zielt das Gesetz darauf ab, die europäische Industrie im globalen Wettbewerb mit den USA und anderen Konkurrenten zu positionieren und dabei hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.
Welche konkreten Maßnahmen sieht der NZIA vor?
Der Net-Zero Industry Act setzt auf ein umfassendes Maßnahmenpaket, um die europäische Fertigung von Netto-Null-Technologien zu fördern. Im Zentrum stehen beschleunigte Genehmigungsverfahren, die durch sogenannte One-Stop-Shops vereinfacht werden sollen. Diese einheitlichen Anlaufstellen koordinieren alle notwendigen behördlichen Prozesse und reduzieren den bürokratischen Aufwand für Unternehmen.
Eine besonders wichtige Neuerung betrifft die öffentlichen Ausschreibungen und Auktionen für erneuerbare Energien. Ab dem 30. Dezember 2025 müssen die neuen Regeln auf mindestens 30 Prozent des Auktionsvolumens angewendet werden, was etwa sechs Gigawatt pro Jahr und EU-Land entspricht. Dabei dürfen nicht nur Preise, sondern auch qualitative Kriterien wie Nachhaltigkeit, Resilienz, Cybersicherheit und verantwortungsvolles Geschäftsverhalten berücksichtigt werden.
Der NZIA ermöglicht außerdem die Ausweisung von Net-Zero Acceleration Valleys, speziellen Industriegebieten, in denen die Ansiedlung von Netto-Null-Technologien besonders gefördert wird. Diese Cluster sollen Synergieeffekte schaffen und die Bildung regionaler Kompetenzzentren unterstützen. Zusätzlich werden strategische Projekte identifiziert, die nationalen Vorrang genießen und von kürzeren Genehmigungsfristen profitieren.
Warum befindet sich die europäische Solarindustrie in einer so dramatischen Krise?
Die europäische Solarindustrie durchlebt derzeit eine der schwersten Krisen ihrer Geschichte. Der Markt wird von chinesischen Herstellern dominiert, die etwa 95 Prozent der in der EU verwendeten Solarmodule produzieren. Diese überwältigende Marktmacht basiert auf staatlichen Subventionen, enormen Produktionskapazitäten und aggressiven Preisstrategien.
Die Zahlen verdeutlichen das Ausmaß der chinesischen Dominanz: China verfügt über eine Herstellungskapazität von 552 Gigawatt für Solarmodule, während die gesamte EU nur zehn Gigawatt erreicht. Dieser Größenunterschied ermöglicht es chinesischen Unternehmen, durch Skaleneffekte deutlich kostengünstiger zu produzieren als europäische Wettbewerber.
Besonders dramatisch sind die Preisentwicklungen der vergangenen Jahre. Zwischen Mai 2023 und 2024 haben sich die Preise für Standardmodule etwa halbiert. Die Modulpreise sanken 2024 auf Rekordtiefstände von unter 15 Eurocent pro Watt für Niedrigkosten-Produkte. Dieser aggressive Verdrängungswettbewerb zwingt viele Hersteller dazu, ihre Module unter den Produktionskosten zu verkaufen.
Welche konkreten Auswirkungen hat die Krise auf europäische Solarunternehmen?
Die Auswirkungen der Krise auf die europäische Solarindustrie sind verheerend und zeigen sich in einer Welle von Betriebsschließungen und Insolvenzen. Das prominenteste Beispiel ist Meyer Burger, der letzte verbliebene namhafte europäische Hersteller von Solarmodulen. Das Schweizer Unternehmen musste im Mai 2024 Insolvenz für seine deutschen Tochtergesellschaften beantragen und stellte im September 2024 den Betrieb seiner Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt ein. Rund 600 Beschäftigte verloren ihre Arbeitsplätze, nachdem die Suche nach Investoren erfolglos blieb.
Auch Solarwatt, ein weiterer bedeutender deutscher Solarhersteller, kapitulierte vor dem Preisdruck. Das Unternehmen stellte seine 300-Megawatt-Modulproduktion in Dresden im August 2024 ein und verlagerte die Fertigung vollständig nach Asien. Von dieser Entscheidung waren rund 500 der 850 Mitarbeiter betroffen, wobei bis 2025 nur noch 350 Beschäftigte übrig bleiben sollen.
Die Krise beschränkt sich nicht nur auf deutsche Unternehmen. Nach Angaben von Solarpower Europe sind selbst chinesische Hersteller vom anhaltenden Preiskampf betroffen. Jinkosolar meldete einen Umsatzrückgang von 23 Prozent und einen Gewinnrückgang von 37,1 Prozent. Andere große chinesische Unternehmen wie Longi Green Technology, Tongwei, Trina Solar und JA Solar verzeichneten ebenfalls Verluste.
Wie entwickelt sich der europäische Solarmarkt trotz der Industriekrise?
Paradoxerweise boomt der Solarausbau in Europa, während die heimische Industrie kollabiert. Im Jahr 2024 wurden in der EU rund 65,1 Gigawatt neue Photovoltaik-Leistung installiert, was jedoch bereits eine Verlangsamung des Wachstums gegenüber den Vorjahren darstellte. Deutschland führte diesen Ausbau mit 17,4 Gigawatt neuinstallierter Kapazität an.
Besonders bemerkenswert war der Rekordmonat Juni 2025, in dem Solarstrom erstmals die wichtigste Stromquelle im europäischen Strommix wurde. Mit einem Anteil von 22,1 Prozent übertraf die Photovoltaik sowohl Kernenergie als auch Windkraft und fossile Brennstoffe. Dieser Meilenstein zeigt das enorme Potenzial der Solartechnologie für die europäische Energiewende.
Allerdings verbirgt sich hinter diesen positiven Ausbauzahlen eine problematische Abhängigkeit. Der Großteil der installierten Solaranlagen stammt aus chinesischer Produktion. Diese Entwicklung führt zu einem Paradoxon: Europa baut seine Solarkapazitäten massiv aus, verliert aber gleichzeitig die industrielle Basis für diese Technologie.
Kann der Net-Zero Industry Act die europäische Solarindustrie noch retten?
Die Einschätzungen zur Wirksamkeit des NZIA als Rettungsanker für die europäische Solarindustrie fallen gemischt aus. Befürworter sehen in dem Gesetz wichtige Impulse für die Stärkung der heimischen Produktion. Der European Solar Manufacturing Council begrüßt den NZIA als “Schlüsselinstrument auf dem Weg zu einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen und widerstandsfähigen EU-Netto-Null-Industrie”.
Die Möglichkeit, bei öffentlichen Ausschreibungen neben dem Preis auch Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen, wird als wichtiger Schritt gesehen. Dies könnte europäischen Herstellern helfen, trotz höherer Preise Marktanteile zu gewinnen, indem sie auf Qualität, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit setzen.
Kritiker bemängeln jedoch erhebliche Schwächen des NZIA. Ein zentrales Problem ist das Fehlen neuer Finanzmittel. Während die USA mit dem Inflation Reduction Act mehrere hundert Milliarden Dollar in die Hand nehmen, muss der NZIA ohne frisches Geld auskommen. Die vorgesehenen Finanzierungsinstrumente bündeln lediglich bereits vorhandene Programme, ohne zusätzliche Ressourcen bereitzustellen.
Welche strukturellen Probleme bleiben trotz des NZIA bestehen?
Trotz der guten Absichten des NZIA bleiben fundamentale strukturelle Probleme bestehen, die eine schnelle Erholung der europäischen Solarindustrie erschweren. Ein wesentliches Hindernis sind die nach wie vor langwierigen Genehmigungsverfahren. Obwohl der NZIA Verbesserungen vorsieht, kritisiert die Deutsche Industrie- und Handelskammer, dass die vorgeschlagenen Fristen “nicht ambitioniert genug” sind.
Die Technologieauswahl des NZIA wird ebenfalls kritisiert. Der Bundesverband Erneuerbare Energie bemängelt die “ausufernde Definition von Netto-Null-Technologien”, die auch umstrittene Technologien wie Atomkraft und Carbon-Capture-and-Storage umfasst. Diese breite Streuung könnte die Fokussierung auf wirklich zukunftsweisende Technologien wie die Photovoltaik verwässern.
Ein weiteres Problem liegt in der mangelnden Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte. Es fehlen vor allem gut ausgebildete Ingenieure und Techniker, die für die Entwicklung und den Betrieb der Technologien notwendig sind. Obwohl der NZIA die Einrichtung von Net-Zero Industry Academies vorsieht, wird die Ausbildung von 100.000 Arbeitskräften innerhalb von drei Jahren als sehr ambitioniert eingeschätzt.
Wie bewerten Experten die Erfolgsaussichten des 40-Prozent-Ziels?
Die Erreichung des ehrgeizigen 40-Prozent-Ziels für 2030 wird von vielen Experten als unrealistisch eingeschätzt. Die aktuellen Marktentwicklungen sprechen gegen eine schnelle Erholung der europäischen Solarproduktion. Stattdessen beschleunigt sich der Niedergang der heimischen Industrie: Weitere Betriebsschließungen und Produktionsverlagerungen nach Asien sind zu erwarten.
Ein fundamentales Problem liegt in der zeitlichen Diskrepanz zwischen den NZIA-Zielen und der aktuellen Marktdynamik. Während das Gesetz langfristige Ziele für 2030 setzt, kämpfen die Unternehmen um ihr kurzfristiges Überleben. Viele Hersteller haben “nur noch Wochen” bis zur Insolvenz, wie Branchenvertreter warnen.
Die europäischen Photovoltaik-Verbände ESMC und Solar Power Europe fordern daher von der EU einen sofortigen Aktionsplan für die Solarindustrie. In einem gemeinsamen Schreiben an EU-Spitzenpolitiker betonen sie, dass “ohne sofortige, koordinierte Maßnahmen Europa Gefahr läuft, seine verbleibende Produktionsbasis für Solartechnik zu verlieren”.
Welche Rolle spielt die globale Handelspolitik für den Erfolg des NZIA?
Die globalen Handelsströme haben entscheidenden Einfluss auf die Wirksamkeit des NZIA. Ein wesentlicher Faktor für das derzeitige Überangebot chinesischer Solarmodule in Europa sind die US-amerikanischen Handelsbeschränkungen. Seit die USA chinesische Importe eingeschränkt haben, drängt ein noch größeres Angebot auf den europäischen Markt.
Die EU hat ihrerseits Ermittlungen gegen chinesische Solarkonzerne wegen möglicher unfairer Subventionen eingeleitet. Diese Untersuchungen könnten zu Strafzöllen führen, die den Preisdruck auf europäische Hersteller reduzieren würden. Allerdings sind solche handelspolitischen Instrumente umstritten, da sie die Kosten für Solaranlagen erhöhen und damit den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen könnten.
Die Komplexität der globalen Lieferketten erschwert zudem protektionistische Ansätze. Selbst wenn Europa die Endmontage von Solarmodulen fördert, bleiben kritische Zwischenprodukte wie Silizium, Wafer und Solarzellen oft aus chinesischer Produktion. Eine wirklich unabhängige europäische Solarindustrie würde den Aufbau der gesamten Wertschöpfungskette erfordern.
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Das Herzstück dieser technologischen Weiterentwicklung ist die bewusste Abkehr von der konventionellen Klemmenbefestigung, die seit Jahrzehnten den Standard darstellt. Das neue und zeit- wie kostengünstigere Montagesystem begegnet dieses mit einem grundlegend anderen, intelligenteren Konzept. Anstatt die Module punktuell zu klemmen, werden sie in eine durchgehende, speziell geformte Trägerschiene eingelegt und dort sicher gehalten. Diese Konstruktion sorgt dafür, dass alle auftretenden Kräfte – seien es statische Lasten durch Schnee oder dynamische Lasten durch Wind – gleichmäßig über die gesamte Länge des Modulrahmens verteilt werden.
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Gibt es erfolgreiche Beispiele für die NZIA-Umsetzung in einzelnen Mitgliedstaaten?
Erste Ansätze zur Umsetzung der NZIA-Prinzipien zeigen gemischte Ergebnisse. Deutschland und Österreich haben bereits versucht, Resilienzkriterien in ihre Ausschreibungen zu integrieren, allerdings mit bisher “wenig Erfolg”. Die praktische Umsetzung erweist sich als komplizierter als zunächst angenommen.
Frankreich hat mit der “Pacte solaire”-Erklärung, Spanien mit PERTE-Finanzierungen und Italien mit dem “Piano Transizione 5.0”-Steuerkreditsystem nationale Unterstützungsprogramme aufgelegt. Österreich führte einen “Made in EU”-Bonus ein. Diese Programme zeigen, dass einzelne Mitgliedstaaten durchaus bereit sind, die heimische Solarproduktion zu fördern.
Allerdings bleiben diese nationalen Initiativen oft fragmentiert und zu klein, um den globalen Markttrends entgegenzuwirken. Die fehlende Koordination zwischen den Mitgliedstaaten und die unterschiedlichen Förderansätze können sogar zu Verzerrungen im europäischen Binnenmarkt führen.
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Welche Alternativen gibt es zum NZIA als industriepolitisches Instrument?
Kritiker des NZIA schlagen verschiedene alternative Ansätze vor. Der Verband der Chemischen Industrie fordert einen ganzheitlicheren Ansatz, der nicht nur Endtechnologien, sondern die gesamte industrielle Wertschöpfungskette einbezieht. Die aktuelle Fokussierung auf einzelne “Net-Zero-End-Technologien” ignoriere die Bedeutung der vorgelagerten Industrien.
Ein häufig genannter Alternativvorschlag ist die Schaffung eines dedizierten EU-Solarfonds oder einer “Clean Tech Manufacturing Bank”. Solche Finanzierungsinstrumente könnten gezielt Investitionen in die europäische Solarproduktion fördern, ohne die komplexen regulatorischen Mechanismen des NZIA zu benötigen.
Andere Experten plädieren für einen verstärkten Bürokratieabbau und die Harmonisierung steuerlicher Rahmenbedingungen im EU-Binnenmarkt. Statt neuer spezifischer Förderinstrumente sollten die allgemeinen Rahmenbedingungen für alle Industriezweige verbessert werden.
Wie entwickelt sich der Wettbewerb zwischen verschiedenen Netto-Null-Technologien?
Der NZIA behandelt die Photovoltaik als eine von vielen strategischen Netto-Null-Technologien. Diese Gleichberechtigung könnte sich als problematisch erweisen, da verschiedene Technologien unterschiedlich weit entwickelt sind und verschiedene Förderbedürfnisse haben. Die Solarbranche konkurriert dadurch mit Windenergie, Batterien, Elektrolyseuren und anderen Technologien um begrenzte Förderressourcen.
Besonders umstritten ist die Einbeziehung der Kernenergie in den Katalog strategischer Technologien. Während traditionelle Atomkraftbefürworter dies begrüßen, kritisieren Umweltverbände und Teile der erneuerbaren Energien-Branche diese Entscheidung. Sie befürchten, dass Atomkraftprojekte Ressourcen absorbieren, die besser in wirklich zukunftsweisende Technologien investiert wären.
Die unterschiedliche Marktreife der verschiedenen Technologien erschwert außerdem eine einheitliche Förderstrategie. Während die Photovoltaik bereits eine ausgereifte, kommerziell verfügbare Technologie ist, befinden sich andere NZIA-Technologien wie bestimmte Wasserstofftechnologien noch in frühen Entwicklungsphasen.
Welche Auswirkungen hat der NZIA auf kleine und mittlere Unternehmen?
Die Auswirkungen des NZIA auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind ambivalent. Einerseits könnten die vereinfachten Genehmigungsverfahren und One-Stop-Shops auch kleineren Unternehmen zugutekommen. Andererseits befürchtet die Deutsche Industrie- und Handelskammer, dass die neuen Nachhaltigkeits- und Diversifizierungskriterien in öffentlichen Ausschreibungen die Teilhabe von KMU erschweren könnten.
Die komplexen Anforderungen für die Zertifizierung von Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien können für kleinere Unternehmen eine erhebliche bürokratische Belastung darstellen. Große internationale Konzerne verfügen über die Ressourcen, um aufwendige Zertifizierungsverfahren zu durchlaufen, während KMU möglicherweise davon abgeschreckt werden.
Gleichzeitig könnten spezialisierte KMU in Nischenbereichen der Solartechnologie durchaus profitieren. Deutsche Unternehmen, die sich auf hochwertige Wechselrichter, Montagesysteme oder spezielle Anwendungen konzentrieren, haben möglicherweise bessere Chancen als Hersteller von Standardmodulen.
Wie beeinflusst der NZIA die europäische Energieversorgung und -sicherheit?
Der NZIA zielt explizit darauf ab, die europäische Energiesicherheit zu stärken, indem die Abhängigkeit von Importen kritischer Technologien reduziert wird. Die aktuelle Situation bei Solarmodulen wird oft mit der früheren Abhängigkeit von russischem Gas verglichen. Tatsächlich ist Europas Abhängigkeit von chinesischen Solarmodulen sogar noch extremer als die frühere Gasabhängigkeit von Russland.
Diese Abhängigkeit birgt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Risiken. Handelskonflikte oder politische Spannungen mit China könnten die Solarmodulversorgung gefährden und damit den europäischen Klimaschutz behindern. Der NZIA versucht, diesem Risiko durch den Aufbau heimischer Produktionskapazitäten zu begegnen.
Allerdings steht das Ziel der Versorgungssicherheit teilweise im Konflikt mit dem Ziel eines schnellen Ausbaus erneuerbarer Energien. Höhere Preise für europäische Solarmodule könnten den Ausbau verlangsamen und damit die Klimaziele gefährden. Diese Zielkonflikte erfordern eine sorgfältige Abwägung zwischen kurz- und langfristigen Prioritäten.
Welche technologischen Innovationen könnten die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Solarhersteller stärken?
Europäische Unternehmen setzen zunehmend auf technologische Innovationen, um sich von der chinesischen Massenproduktion abzusetzen. Neue Materialien wie Perowskit versprechen Wirkungsgrade von bis zu 29 Prozent bei geringer Degradation. Bifaziale Module, die auf beiden Seiten Licht aufnehmen können, etablieren sich als neuer Standard.
Die gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) bietet weitere Differenzierungsmöglichkeiten. Flexible oder transparente Module erschließen neue Anwendungsfelder und könnten europäischen Herstellern Nischenmärkte eröffnen. Auch schwimmende Photovoltaik-Anlagen (Floating-PV) und Agri-PV-Systeme für die Landwirtschaft zeigen Potenzial.
Allerdings erfordern diese Innovationen erhebliche Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, die angesichts des aktuellen Marktdrucks schwer zu finanzieren sind. Viele europäische Unternehmen müssen zunächst ihre Existenz sichern, bevor sie in neue Technologien investieren können.
Wie bewerten Umwelt- und Klimaschutzorganisationen den NZIA?
Die Bewertung des NZIA durch Umwelt- und Klimaschutzorganisationen fällt differenziert aus. Grundsätzlich wird das Ziel begrüßt, die europäische Produktion sauberer Technologien zu stärken. Der Bundesverband Erneuerbare Energie sieht in dem Gesetz ein “wichtiges Signal”, kritisiert aber gleichzeitig erhebliche Schwächen.
Besonders umstritten ist die Einbeziehung der Kernenergie und von Carbon-Capture-and-Storage-Technologien in den Katalog strategischer Netto-Null-Technologien. Umweltverbände befürchten, dass diese “aus Klima- und Sicherheitsperspektive fragwürdigen” Technologien Ressourcen von wirklich nachhaltigen Lösungen abziehen könnten.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die mangelnde finanzielle Ausstattung des NZIA. Ohne “frisches Geld” sei das Gesetz nicht in der Lage, eine schlagkräftige Antwort auf den amerikanischen Inflation Reduction Act zu geben. Nach den Europawahlen sollte die EU das Thema daher “mit neuer Kraft angehen”.
Welche Rolle spielen Verbraucher und öffentliche Akzeptanz für den Erfolg des NZIA?
Die öffentliche Akzeptanz spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg des NZIA. Einerseits zeigen Umfragen eine hohe Investitionsbereitschaft in Photovoltaik und Batteriespeicher bei Unternehmen und privaten Immobilieneigentümern. Andererseits könnte die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zu höheren Preisen für Solaranlagen führen, was die Nachfrage dämpfen könnte.
Die Aufklärung über die Vorteile europäischer Solarmodule wird daher zunehmend wichtig. Argumente wie höhere Qualität, bessere Arbeitsbedingungen bei der Produktion und reduzierte CO2-Emissionen durch kürzere Transportwege müssen Verbrauchern vermittelt werden. Gleichzeitig müssen die Preisunterschiede in einem akzeptablen Rahmen bleiben.
Die Entwicklung von Labeling- und Zertifizierungssystemen für europäische Photovoltaik-Produkte könnte die Transparenz erhöhen und Verbrauchern die Entscheidung für nachhaltige Produkte erleichtern. Solche Systeme müssen jedoch glaubwürdig und leicht verständlich sein, um Wirkung zu entfalten.
Gibt es bereits messbare Erfolge oder Misserfolge des NZIA?
Da der NZIA erst seit Juni 2024 in Kraft ist und viele Bestimmungen erst Ende 2025 oder später greifen, sind messbare Erfolge noch kaum zu verzeichnen. Die Anwendungsregeln für Auktionen wurden erst im Mai 2025 verabschiedet, die ersten Auktionen unter dem neuen Regelwerk werden für 2026 erwartet.
Die bisherigen Entwicklungen sind eher ernüchternd. Statt einer Erholung der europäischen Solarindustrie beschleunigte sich der Niedergang sogar: Meyer Burger, Solarwatt und andere wichtige Hersteller stellten ihre europäische Produktion ein oder meldeten Insolvenz an. Dies zeigt, dass die NZIA-Maßnahmen zu spät kommen oder nicht ausreichen, um die akute Krise zu bewältigen.
Positiv zu vermerken ist immerhin, dass mehrere Mitgliedstaaten nationale Unterstützungsprogramme aufgelegt haben, die sich an den NZIA-Prinzipien orientieren. Ob diese Programme jedoch ausreichen, um die Trendwende zu schaffen, bleibt abzuwarten. Die ersten belastbaren Erfolgsmessungen werden frühestens 2026 oder 2027 möglich sein.
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Rettungsanker oder zu wenig, zu spät?
Der Net-Zero Industry Act stellt zweifellos den ambitioniertesten Versuch der EU dar, ihre industrielle Basis für saubere Technologien zu stärken und die Abhängigkeit von chinesischen Importen zu reduzieren. Mit seinem Ziel, bis 2030 mindestens 40 Prozent des EU-Bedarfs an Netto-Null-Technologien aus heimischer Produktion zu decken, sendet das Gesetz ein wichtiges politisches Signal.
Die Analyse der aktuellen Marktentwicklungen und Branchenreaktionen zeigt jedoch, dass der NZIA als “letzter Rettungsanker” für die europäische Solarindustrie möglicherweise zu schwach dimensioniert ist. Die anhaltende Welle von Betriebsschließungen und Insolvenzen, exemplarisch verdeutlicht durch das Scheitern von Meyer Burger und die Produktionsverlagerung von Solarwatt nach Asien, demonstriert die Dringlichkeit der Situation.
Drei wesentliche Schwächen begrenzen die Wirksamkeit des NZIA: Erstens fehlen substanzielle neue Finanzmittel, während Konkurrenten wie die USA mehrere hundert Milliarden Dollar investieren. Zweitens greifen viele Maßnahmen erst 2025 oder später, während die Unternehmen aktuell um ihr Überleben kämpfen. Drittens ist die breite Streuung auf verschiedene Technologien möglicherweise zu wenig fokussiert, um der spezifischen Krise der Solarindustrie zu begegnen.
Dennoch wäre es verfrüht, den NZIA bereits als gescheitert zu betrachten. Die ersten Auktionen mit Nachhaltigkeitskriterien beginnen erst 2026, und die langfristigen strukturellen Verbesserungen könnten durchaus Wirkung entfalten. Entscheidend wird sein, ob die EU bereit ist, den NZIA mit substanziellen finanziellen Mitteln zu hinterlegen und bei Bedarf nachzujustieren.
Für die europäische Solarindustrie bleibt der NZIA damit mehr Hoffnungsträger denn Rettungsanker. Ohne zusätzliche massive Unterstützungsmaßnahmen und eine Beschleunigung der Umsetzung droht Europa, seine letzte Chance auf eine eigenständige Solarindustrie zu verspielen. Die kommenden zwei bis drei Jahre werden zeigen, ob der politische Wille ausreicht, um diesen strategisch wichtigen Industriezweig zu erhalten.
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