Veröffentlicht am: 29. März 2025 / Update vom: 29. März 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein

KI-Boom in China oder platzt jetzt die KI-Blase? Hunderte neue Datenzentren stehen leer – Bild: Xpert.Digital
Milliarden-Investition, null Nachfrage: Chinas KI-Datenzentren-Debakel
Vom Goldrausch zur Krise: Was hinter Chinas leeren KI-Fabriken steckt
In China zeigen sich erste deutliche Anzeichen einer platzenden KI-Blase. Während vor kurzem noch massiv in Rechenzentren investiert wurde, stehen viele dieser neuen Anlagen nun ungenutzt leer. Zwischen 2023 und 2024 wurden über 500 Datenzentrum-Projekte gestartet, doch nach Medienberichten bleiben bis zu 80 Prozent der neu geschaffenen Rechenkapazitäten ungenutzt. Gleichzeitig hat sich der einst florierende Schwarzmarkt für Nvidia-Chips abgekühlt, und effizientere KI-Modelle wie DeepSeek R1 stellen das bisherige Geschäftsmodell vieler Rechenzentren in Frage.
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Der Boom der KI-Datenzentren in China
Der Ausbau der KI-Infrastruktur wurde in China zur nationalen Priorität erklärt, um das Land als führenden KI-Standort zu etablieren. Mit staatlicher Unterstützung und privaten Investitionen entstanden in kurzer Zeit hunderte neuer Rechenzentren. Allein in den Jahren 2023 und 2024 wurden über 500 neue Datenzentrum-Projekte im ganzen Land angekündigt – von der Inneren Mongolei bis Guangdong.
Diese Entwicklung folgte auf die Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022, die in China eine schnelle Reaktion auslöste. Die Zentralregierung forderte lokale Behörden auf, den Aufbau sogenannter “Smart Computing Centers” – ein Begriff für KI-fokussierte Datenzentren – zu beschleunigen. Nach Angaben des China Communications Industry Association Data Center Committee waren bis Ende 2024 mindestens 150 der neuen Datenzentren fertiggestellt und in Betrieb.
Fehlgeleitete Investitionen und mangelnde Expertise
Ein grundlegendes Problem dieser Entwicklung war die fehlende Erfahrung vieler Investoren. Unternehmen aus fachfremden Branchen wie der Lebensmittel- und Textilindustrie sprangen auf den KI-Trend auf, ohne die komplexen Anforderungen zu berücksichtigen. Zudem führten zwielichtige Mittelsmänner zu ineffizienten Projekten, indem sie Bedarfsprognosen manipulierten, um staatliche Subventionen zu erschleichen.
Xiao Li, ein ehemaliger Immobilienunternehmer, der zum Projektmanager für Datenzentren wurde, beschreibt, wie er 2023 vom KI-Boom angezogen wurde. Damals prahlten Händler in seinen WeChat-Gruppen damit, Lieferungen von leistungsstarken Nvidia-GPUs gesichert zu haben, die eigentlich US-Exportbeschränkungen unterlagen. Auf dem Höhepunkt der Nachfrage konnte ein einzelner Nvidia H100-Chip, der für das Training von KI-Modellen essentiell ist, auf dem Schwarzmarkt bis zu 200.000 Yuan (ca. 28.000 Dollar) erzielen.
Die aktuelle Krise: Leerstehende Datenzentren
Heute stehen viele der neu gebauten Datenzentren ungenutzt leer. Laut Berichten von Auftragnehmern, einem Führungskräften eines GPU-Server-Unternehmens und Projektmanagern kämpfen die meisten Betreiber dieser Datenzentren ums Überleben. Chinesische Medien wie Jiazi Guangnian und 36Kr berichten, dass bis zu 80 Prozent der neu gebauten Rechenkapazitäten ungenutzt bleiben.
Die Vermietung von GPUs an Unternehmen, die diese für das Training von KI-Modellen benötigen – das Hauptgeschäftsmodell der neuen Datenzentren – galt einst als sichere Wette. Doch mit dem Aufstieg von DeepSeek und einem plötzlichen Wandel in der Wirtschaftlichkeit von KI-Anwendungen gerät die Branche ins Wanken.
Preisverfall und verzweifelte Verkäufer
Der GPU-Mietpreis ist auf ein Rekordtief gefallen. Ein aktueller Bericht des chinesischen Medienunternehmens Zhineng Yongxian zeigt, dass ein Nvidia H100-Server, der mit acht GPUs konfiguriert ist, jetzt für 75.000 Yuan pro Monat vermietet wird – ein deutlicher Rückgang von früher etwa 180.000 Yuan. Viele Datenzentren lassen ihre Anlagen lieber leer stehen, als das Risiko weiterer Verluste einzugehen, da der Betrieb extrem kostspielig ist.
Diese Situation spiegelt sich auch in den WeChat-Gruppen wider, die Xiao Li beobachtet. Die Händler sind in ihren Geschäften diskreter geworden, und die Preise sind auf ein normales Niveau zurückgekehrt. Gleichzeitig haben zwei ihm bekannte Datenzentrum-Projekte Schwierigkeiten, weitere Finanzierungen von Investoren zu sichern, die geringe Renditen erwarten. Dies zwingt die Projektleiter dazu, überschüssige GPUs zu verkaufen. “Es scheint, als würde jeder verkaufen, aber wenige kaufen”, sagt er.
Der DeepSeek-Effekt: Innovation verändert den Markt
Eine bemerkenswerte Wendung nahm der KI-Markt mit dem Aufstieg von DeepSeek, einem chinesischen KI-Startup. Ende Januar 2025 veröffentlichte das Unternehmen seine KI-Sprachmodelle DeepSeek-R1-Zero und DeepSeek-R1, die mit einem Bruchteil des Rechenaufwands trainiert wurden, der für vergleichbare westliche Modelle aufgewendet wird.
Diese Entwicklung löste einen regelrechten Schock an den Finanzmärkten aus. Tech-Aktien, insbesondere des Chipherstellers Nvidia, verzeichneten massive Verluste. An einem einzigen Tag vernichtete DeepSeek Marktwerte von mehr als einer Billion Dollar. Die Aktien von Nvidia verloren an diesem Tag 17% oder 589 Milliarden Dollar – der höchste Tagesverlust der Börsengeschichte.
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Effizienz statt Rechenleistung
Der Grund für diese dramatische Marktreaktion liegt in der Effizienz des DeepSeek-Modells. Es wurde “verblüffend günstig und mit weniger fortschrittlichen Chips trainiert” und kann dennoch mit den Leistungen von OpenAIs ChatGPT mithalten. Dies stellt den Status quo der KI-Entwicklung in Frage: “Warum Billionen in neue Large Language Models investieren, wenn für deren Entwicklung auch niedrige Millionenbeträge reichen?”
Diese Entwicklung hat die Nachfrage nach KI-Infrastruktur grundlegend verändert. “DeepSeek ist ein Moment der Abrechnung für die chinesische KI-Branche. Die brennende Frage hat sich von ‘Wer kann das beste Large Language Model entwickeln?’ zu ‘Wer kann sie besser nutzen?’ verschoben”, erklärt Hangcheng Cao, Assistenzprofessor für Informationssysteme an der Emory University.
Technologischer Wandel in der KI-Entwicklung
Der Aufstieg von Reasoning-Modellen wie DeepSeeks R1 und OpenAIs ChatGPT o1 und o3 hat zu einem grundlegenden Wandel der Anforderungen an Datenzentren geführt. Bei diesen Technologien entsteht der meiste Rechenaufwand nicht mehr beim Training und der Erstellung des Modells, sondern beim Durchführen schrittweiser logischer Ableitungen als Antwort auf Benutzeranfragen.
Neue Anforderungen an die Infrastruktur
Dieser Reasoning-Prozess liefert oft bessere Ergebnisse, nimmt aber deutlich mehr Zeit in Anspruch. Daher ist Hardware mit geringer Latenz (der Zeit, die Daten benötigen, um von einem Punkt im Netzwerk zu einem anderen zu gelangen) von größter Bedeutung. Datenzentren müssen in der Nähe wichtiger Technologiezentren angesiedelt sein, um Übertragungsverzögerungen zu minimieren und den Zugang zu hochqualifiziertem Betriebs- und Wartungspersonal zu gewährleisten.
Diese Veränderung bedeutet, dass viele Datenzentren, die in Zentral-, West- und ländlichen Regionen Chinas gebaut wurden – wo Strom und Land billiger sind – für KI-Unternehmen an Attraktivität verlieren. In Zhengzhou, einer Stadt in der Provinz Henan, verteilt ein neu errichtetes Datenzentrum sogar kostenlose Rechengutscheine an lokale Technologieunternehmen, hat aber trotzdem Schwierigkeiten, Kunden anzulocken.
Zudem wurden viele der neuen Datenzentren für Pretraining-Workloads optimiert – große, kontinuierliche Berechnungen, die auf massiven Datensätzen ausgeführt werden – und nicht für Inferenz, den Prozess des Ausführens trainierter Reasoning-Modelle zur Beantwortung von Benutzereingaben in Echtzeit.
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Der globale KI-Wettlauf: China vs. USA
Der aktuelle Zustand der chinesischen KI-Datenzentren muss im Kontext des globalen Wettlaufs um die Führungsposition im Bereich der Künstlichen Intelligenz betrachtet werden. China hat seit 2017 mit seiner KI-Strategie “New Generation Artificial Intelligence Development” (AIDP) eine führende Position angestrebt. Die Förderung von KI wird als entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit und nationale Sicherheit des Landes angesehen.
Strategische Positionierung und Investitionen
Im Gegensatz dazu haben die USA noch immer einen deutlichen Vorsprung bei KI-Investitionen. Fast 70 Milliarden Dollar wurden im vergangenen Jahr von privaten Firmen in den USA investiert, um Künstliche Intelligenzen zu entwickeln – neunmal mehr als in China. Auch bei der Anzahl neuer KI-Startups führen die USA mit knapp 900 Unternehmen im Vergleich zu 122 in China.
Die USA verstärken ihre Position weiter. Donald Trump hat kürzlich das Projekt “Stargate” angekündigt, ein 500-Milliarden-Dollar-Projekt für neue KI-Rechenzentren in Texas. Unter diesem Namen wollen OpenAI, Softbank und Oracle in den kommenden Jahren bis zu 20 Mega-Datenzentren errichten, um KI-Anwendungen voranzutreiben und Standards zu setzen.
Chinas Antwort auf US-Sanktionen
Eine besondere Herausforderung für China sind die US-Exportbeschränkungen für fortschrittliche Halbleiter. Trotz dieser Einschränkungen hat China erhebliche Fortschritte in der KI-Entwicklung gemacht. Die frühere US-Handelsministerin Gina Raimondo erklärte Ende 2024, dass Liefersperren für ultraschnelle Chips lediglich “Speed Bumper” seien und es vergebliche Liebesmühe sei, Chinas Aufstieg zu stoppen.
Die Erfolge von DeepSeek zeigen, dass chinesische Unternehmen innovative Wege finden, um mit weniger fortschrittlichen Chips konkurrenzfähige KI-Modelle zu entwickeln – eine Reaktion auf die Beschränkungen des Zugangs zu Spitzentechnologie.
Chinas Fokus auf KI: Wege zur technologischen Eigenständigkeit
Trotz der aktuellen Herausforderungen hält die chinesische Zentralregierung an ihrer Unterstützung für die KI-Infrastruktur fest. Anfang 2025 veranstaltete sie ein KI-Branchensymposium, bei dem die Bedeutung der Selbstversorgung in dieser Technologie betont wurde.
Konsolidierung und staatliche Eingriffe
Experten gehen davon aus, dass staatliche Stellen die Kontrolle über einige der gescheiterten Projekte übernehmen und diese an erfahrenere Betreiber übergeben könnten. “Die chinesische Regierung wird wahrscheinlich eingreifen, übernehmen und sie an fähigere Betreiber übergeben”, sagt Jimmy Goodrich, Senior Advisor für Technologie am RAND Corporation.
Große chinesische Technologiekonzerne investieren weiterhin in KI-Infrastruktur, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Alibaba Group hat Pläne angekündigt, in den nächsten drei Jahren über 50 Milliarden US-Dollar in Cloud Computing und KI-Hardware-Infrastruktur zu investieren, während ByteDance plant, rund 20 Milliarden US-Dollar in GPUs und Datenzentren zu investieren.
Lehren aus der chinesischen KI-Blase
Die aktuelle Situation der KI-Datenzentren in China zeigt die Risiken übereilter Investitionen in einem sich schnell entwickelnden technologischen Bereich. Was vor wenigen Jahren als sichere Investition galt, wurde durch innovative Entwicklungen wie DeepSeek R1 und veränderte Marktbedingungen in Frage gestellt.
Die wachsenden Schwierigkeiten der chinesischen KI-Branche sind größtenteils das Ergebnis unerfahrener Akteure – Unternehmen und lokale Regierungen –, die auf den Hype-Zug aufgesprungen sind und Einrichtungen gebaut haben, die nicht optimal für den heutigen Bedarf sind. Diese Erfahrung unterstreicht die Bedeutung von Fachwissen und strategischer Planung in der KI-Infrastrukturentwicklung.
Für die Zukunft deutet sich eine Konsolidierung des Marktes an, wobei erfolgreichere Modelle wie DeepSeek möglicherweise den Weg für effizientere und kostengünstigere KI-Entwicklungen ebnen. Die entscheidende Frage hat sich von der reinen Rechenleistung hin zur sinnvollen Anwendung der KI-Technologie verschoben: “Was zwischen heute und einer Zukunft steht, in der KI tatsächlich überall ist, ist nicht mehr die Infrastruktur, sondern solide Pläne zum Einsatz der Technologie”.
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