Erprobung der wendigen Flieger in Produktion und Lager
Drohnen in Produktion und Logistik sind ein bekanntes Thema. Meist wird dabei jedoch an den Warentransport gedacht. Beinahe jeder kennt die zahllosen Geschichten über Amazons Pläne zum Aufbau einer aus Drohnen bestehenden Flotte zur Auslieferung seiner Pakete oder die Nutzung von Drohnen zur Outdoor-Überwachung von Warenströmen. Doch Drohnen eignen sich ebenso gut für die Verwendung innerhalb von Gebäuden.
Nicht nur unter Logistikern herrscht die Meinung vor, dass sich Drohnen optimal im Außenbereich einsetzen lassen. Tatsächlich spricht jedoch vieles dafür, sie auch Indoor aufsteigen zu lassen. Ihre wendigen Flugeigenschaften befähigen Drohnen, auf engstem Raum zu operieren, weshalb sie prädestiniert für den Einsatz in Lager- oder Montagehallen sind. Ihr Vorteil ist offensichtlich: Während am Boden einer Halle reger Verkehr herrscht, ist der Luftraum darüber größtenteils frei. Da liegt es nahe, diesen für eine schnelle Lieferung ans Band oder für andere Aufgaben zu nutzen.
Ersatzteiltransport ans Montageband
Eine funktionierende Ersatzteilversorgung ist das A und O jeder effizienten Produktion. Um Leerlaufzeiten von Maschinen und daraus resultierende Produktionsausfälle zu minimieren, kommt es in hier besonders auf Schnelligkeit und einen reibungslosen Materialfluss an. Der zügige und effiziente Transport von benötigten Teilen per Drohne hilft dabei, diese Herausforderung erfolgreich zu meistern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Teile auf unterschiedliche, dynamische Lagerplätze aufgeteilt sind. Wo Menschen oder FTS schnell den Überblick verlieren oder unnötig lange Wegzeiten brauchen, fliegen die intelligenten Transportsysteme direkt zu den begehrten Teilen und bringen sie auf dem schnellsten Weg dahin, wo sie gebraucht werden.
Ein Vorteil der Drohnen ist, dass sie mittels mobiler Endgeräte ortsunabhängig gelenkt werden können. Nutzt der Pilot darüber hinaus eine Virtual Reality-Brille zur Unterstützung, kann er über das Display mit vielfältigen weiteren Informationen versorgt werden. Auch die Steuerung wird erleichtert, da er das Fluggerät lediglich mittels Kopfbewegung oder Änderung der Blickrichtung in die gewünschte Position und Richtung bringen kann und auf diese Weise die Hände frei hat.
Testweise setzt der Autohersteller Audi Drohnen in seinem Ingolstädter Werk ein, wo im laufenden Betrieb die Möglichkeit eines Transports von Teilen an die Montagebänder geprüft wird. Ausgangspunkt der Überlegung war die im Vergleich zu flurgebundenen Förderfahrzeugen eine schnellere Anlieferung über den direkten Weg durch die Luft. Inzwischen fliegen die Drohnen in der Produktion von A3- und Q2-Modellen auf einer definierten Versuchsstrecke mit etwa 8 km/h durch die Hallen. Die reine Nutzlast der Drohnen liegt bei 2 Kilogramm. Größere Lasten sind technisch realisierbar, wirken sich jedoch unmittelbar auf die Dimensionierung der Drohne aus. Gerade in beengten Hallen ist es jedoch wichtig, die Systeme möglichst klein und wendig zu halten.
Die Drohnen werden momentan manuell durch Piloten gesteuert, doch ihr Potenzial liegt eindeutig in der automatisierten Anwendung. Entsprechende Versuche in den Produktionshallen von Audi fanden bereits statt. Führen derartige Tests zum Erfolg, könnten Drohnen in naher Zukunft nicht nur bei Audi die Montage mit eilig benötigten Ersatzteilen versorgen und darüber hinaus mit Hilfe ihrer Kameras allgemeine Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten übernehmen, beziehungsweise überwachen.
Einsatz von Drohnen im Lager
Dank der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung sind inzwischen Drohnen jeder Größe für vielfältigste Einsatzmöglichkeiten verfügbar. So auch klein dimensionierte Geräte, die trotz ihrer geringen Abmessungen über eine ausreichende Tragkraft verfügen, um Gegenstände zu transportieren oder mit hochauflösenden Kameras und Scantechnik bestückt zu werden. Dadurch eignen sich Drohnen zunehmend für den Einsatz in Lagern, durch deren teils schmale und hohe Regalreihen sie problemlos navigieren können.
Besonders in hochbauenden Systemen verringert sich dank der Drohnen das Risiko, dass sich die Beschäftigten durch Arbeiten in der Höhe verletzen. Hier ist eine Mensch-Maschine-Kollaboration hilfreich, bei der das Lager in diverse Zonen eingeteilt wird: Während die Beschäftigten die Tätigkeiten in Boden- bis Brusthöhe erledigen, operieren die Drohnen in höheren Regalreihen.
Auch für andere Aufgaben im Lagermanagement bietet der Einsatz von Drohnen Vorteile. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Inventur. Normalerweise werden die Warenbestände manuell von Beschäftigten kontrolliert und gezählt. Sollen Ausfallzeiten minimiert werden, muss diese Aufgabe jedoch parallel zum Tagesgeschäft erfolgen. Oftmals ist dies nur in Form von Mehrarbeit außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten möglich – mit produktivitätsmindernden Faktoren wie der Bezahlung von Überstunden und der Gefahr wachsender Ungenauigkeit durch Übermüdung des Personals.
Mit Hilfe von Drohnen lässt sich der Inventur-Prozess verschlanken und auch nachts oder am Wochenende durchführen, was Stillstandzeiten minimiert. Während ihrer Flüge erfassen die Geräte die vorhandenen Bestände per Kamera und Scanner, kontrollieren
gleichzeitig das Inventar und melden die Ergebnisse direkt an das Warenbestandssystem. Die auf diese Weise entlasteten Mitarbeiter können sich anderen, anspruchsvolleren Tätigkeiten widmen und es ist stets gewährleistet, dass eine permanente und präzise Erfassung der Lagerbestände über das gesamte Jahr hinweg stattfindet.
Ein auf die automatisierte Inventur mittels Drohnen spezialisiertes System hat Linde Material Handling zusammen mit dem französischen Konzern Balyo entwickelt. Die sogenannte Flybox wurde auf der LogiMAT 2017 in Stuttgart präsentiert und soll Inventurprozesse stark vereinfachen, damit Unternehmen wertvolle Zeit und Kosten sparen. Die rund fünfzig Zentimeter große und mit Kamera sowie Barcode-Scanner ausgestattete Drohne arbeitet demnach komplett automatisiert und ermöglicht die Inventur außerhalb der regulären Arbeitszeiten.
Ausblick
Ob bei Warentransport und Inventur im Lager oder der Ersatzteilversorgung von Produktion und Montage – der Einsatz von Drohnen innerhalb von Gebäuden ist im Kommen. Doch wie bei so vielen Neuerungen erfordert auch dieser Trend gewisse Voraussetzungen: Für höchste Effektivität werden die Fluggeräte nicht manuell, sondern per Software gesteuert, die den einzelnen Drohnen jeweils ihre Aufträge und Wege zuweist und darüber wacht, dass die kleinen Transporter nicht miteinander, anderen Objekten im Lager oder gar Menschen kollidieren. Warum sollte es nicht in naher Zukunft möglich sein, dass die Systeme eine eigene Schwarmintelligenz entwickeln und – ähnlich wie es bereits vereinzelt FTS in Lager und Produktion vormachen – autonom untereinander kommunizieren und Aufträge verteilen, um die Aufgaben effizient und schnell abzuarbeiten?
Dies setzt eine moderne IT-Infrastruktur und die grundsätzliche Bereitschaft zu Investitionen in die innovative Technik voraus. Deshalb werden Drohnen zumindest mittelfristig lediglich für größere Lagerkapazitäten von Interesse sein. Angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks in diesem Marktumfeld kann die mit den fliegenden Helfern erreichte Produktivität jedoch leicht den Ausschlag über Erfolg oder Misserfolg geben.