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Flexibilität als Existenzbedingung: Warum der Mittelstand der Gewinner der geopolitischen Fragmentierung sein kann

Flexibilität als Existenzbedingung: Warum der Mittelstand der Gewinner der geopolitischen Fragmentierung sein kann

Flexibilität als Existenzbedingung: Warum der Mittelstand der Gewinner der geopolitischen Fragmentierung sein kann – Bild: Xpert.Digital

Mittelstand profitiert von seiner Flexibilität in geopolitisch unsicheren Zeiten

Die strategische Transformation des europäischen Mittelstands im Zeitalter der geopolitischen Neukonfiguration: Der Ansatz von Markus Becker und die Neu-Positionierung durch Dual-Use-Innovation

Die globale Wirtschaftsordnung befindet sich in einem fundamentalen Transformationsprozess. Während die drei Jahrzehnte nach dem Fall der Berliner Mauer durch eine zunehmende wirtschaftliche Verflechtung und handelspolitische Integration geprägt waren, erlebten wir in den Jahren 2022 und 2023 einen dramatischen Umbruch. Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 markierte dabei nicht nur geopolitisch einen Wendepunkt, sondern signalisierte auch das Ende einer Ära der Sicherheit durch wirtschaftliche gegenseitige Abhängigkeit. Parallel dazu verschärft sich der technologische Rivalität zwischen den USA und China, während Exportrestriktionen für seltene Erden und Halbleiterkomponenten zunehmend zu geopolitischen Waffen werden. In diesen turbulenten Zeiten offenbaren sich paradoxerweise gerade die Stärken des deutschen und europäischen Mittelstands als entscheidende Wettbewerbsvorteil.

Die zentrale These, die Markus Becker als Vorsitzender der SME Connect Defence Working Group vertritt, basiert auf einer präzisen Analyse der organisatorischen Realität: Kleine und mittlere Unternehmen besitzen durch ihre flachen Hierarchiestrukturen und dezentralisierten Entscheidungsprozesse eine Agilität, die Großkonzerne schlicht nicht erreichen können. Dies ist nicht nur eine theoretische Erkenntnis, sondern eine empirisch nachweisbare Realität. Studien der Unternehmensberatung Kienbaum zeigen, dass 61 Prozent der Firmen mit flachen Hierarchieebenen von ihren Mitarbeitern als besonders innovativ wahrgenommen werden, während nur ein Drittel der hierarchisch stark organisierten Unternehmen diesen Status erreicht. Noch signifikanter ist die Tatsache, dass Unternehmen mit flachen Hierarchien nicht nur innovativer sind, sondern auch erfolgreicher wirtschaften. Diese strukturelle Überlegenheit wird in Krisenzeiten zum entscheidenden Faktor.

Wenn exportorientierte kleine und mittlere Unternehmen heute mit fragileren Handelsbeziehungen, volatileren Rohstoffmärkten und geopolitisch induzierten Lieferkettenunterbrechungen konfrontiert werden, können sie eine Anpassungsgeschwindigkeit an den Tag legen, die institutionelle Giganten einfach nicht aufbringen. Ein mittelständisches Unternehmen mit drei bis vier Hierarchieebenen kann Strategiewechsel in Tagen beschließen und umsetzen, während börsennotierte Konzerne dafür Monate brauchen. Diese zeitliche Differenz ist in einem geopolitisch fragmentierten Umfeld nicht bloß ein Wettbewerbsvorteil, sondern oftmals die Differenz zwischen wirtschaftlichem Bestand und Disruption.

Die expandierende Bedeutung des Verteidigungssektors für nationale Wirtschaften eröffnet gerade diesen flexiblen Mittelständlern völlig neue Geschäftshorizonte. Der Verteidigungsmarkt ist nicht einfach nur ein neuer Markt, sondern ein strategisch priorisierter Markt, auf den nationale und europäische Investitionsmittel strömen. Europa hat erkannt, dass es sich nicht länger auf die Sicherheit durch günstige chinesische Zulieferer oder die militärische Garant durch die USA verlassen kann. Dies führt zu einem Paradigmenwechsel in der Beschaffungspolitik, bei dem Versorgungssicherheit, Geschwindigkeit der Innovation und europäische strategische Autonomie höher bewertet werden als reine Kostengünstigkeit.

Unter diesen Umständen werden Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle schnell umstellen können und dabei ihre zivilen Innovationen in militärische Anwendungen überführen, zu wertvollen Partnern. Das ist genau die Nische, in der der europäische Mittelstand seine Stärke ausspielt. Die Fähigkeit zur schnellen Reorganisation komplexer, organisationsübergreifender Vermögenswerte in Krisensituationen, wie sie Professor Alfredo De Massis von der IMD Business School und der Universität Chieti-Pescara beschreibt, ist in Familienunternehmen systematisch stärker ausgeprägt als in börsennotierten Konzernen. Diese Unternehmen schützen nicht nur ihre unternehmensinternen Grundlagen für nachfolgende Generationen, sondern bewahren dabei auch ihre Liquidität und können sich gleichzeitig für völlig neue Wachstumswege aufstellen.

Die Ukrainische Drohnenindustrie als Blaupause: Dezentralisierte Innovation unter Druck

Um die transformative Kraft dieser organisatorischen Strukturen zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die ukrainische Drohnenindustrie, die in weniger als drei Jahren von praktisch Null zu einer technologischen Speerspitze aufgewachsen ist. Die Analyse von Professor Pontus Braunerhjelm und Dr. Maryna Brychko vom Royal Institute of Technology in Karlskrona, Schweden zeigt ein faszinierendes Muster: Zwar waren technische Ausbildung und kompetente IT-Fachkräfte bereits vor dem Krieg eine wesentliche Stärke der Ukraine, doch erst die Kriegssituation hat ein dezentrales Innovationsökosystem entstehen lassen, das eine effiziente Brücke zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich schlägt.

Dieses Ökosystem entstand nicht durch Top-Down-Planung oder zentrale Koordination, sondern durch eine organische Mobilisierung der Zivilgesellschaft, beschleunigte Regierungsreformen, gezielte Beschaffungsanreize, erzwungene Kapitalbindung und ausländische Partnerschaften, die den Technologietransfer erleichtert haben. Unternehmen wie FRDM, das Kamikazedrohnen und Landroboter produziert, entstanden aus Freiwilligenbewegungen heraus. Der Vorsitzende von Tech Force, Vadym Yunyk, beschreibt, wie sich seine ursprüngliche Beteiligung an der Luftaufklärung 2014 zu einem vollwertigen Rüstungsunternehmen entwickelte, das heute modernste Waffensysteme herstellt.

Die Zahlen sprechen für sich: Über 3500 Entwicklungen sind registriert, mehr als 260 wurden nach NATO-Standards kodifiziert, und 470 Zuschüsse im Gesamtwert von 1,3 Milliarden Griwna wurden vergeben. Die lokale Fertigung deckt bereits rund 96 Prozent des nationalen Bedarfs, wobei sogar ausländische Firmen wie das Münchener Unternehmen Helsing GmbH und die bayerische Quantum-Systems GmbH gemeinsam mit ukrainischen Partnern Kampfdrohnen entwickeln und produzieren. Das ist kein Zufall: Ein dezentrales System mit kurzen Entscheidungswegen, direktem Feedback zwischen Militär und Produktion, und innovativen Ansätzen ermöglichte diese Dynamik.

Ukrainische Hersteller entwickelten Drohnen, die per Glasfaserkabel gesteuert werden – eine Technologie, die sie weitgehend immun gegen elektronische Störsysteme macht. Etwa 15 spezialisierte Unternehmen produzieren derzeit entsprechende Modelle. Bei Abfangdrohnen verzeichnen sie Fortschritte, wobei bereits über 200 bestätigte Fälle dokumentiert sind, in denen ukrainische Drohnen iranischem Muster nach in Russland hergestellte Shahed-Drohnen in der Luft abgefangen haben. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung könnte nur durch die Mobilisierung eines dezentralen, flexiblen Ökosystems erreicht werden – genau das Modell, das nun auch Deutschland und Europa von ihrem Mittelstand erwarten.

Allerdings zeigt sich auch eine fundamentale Schwachstelle dieses Modells: Die ukrainische Drohnenindustrie ist derzeit zu etwa 40 Prozent auf importierte Komponenten angewiesen – insbesondere Motoren, Batterien und Flugsteuerungen stammen überwiegend aus China. Die zweideutige Haltung Beijings zum russischen Angriffskrieg und die zunehmend restriktiven Exportbeschränkungen Chinas zwingen die Ukraine, die Eigenproduktion dieser kritischen Komponenten deutlich auszubauen. Hier liegt eine direkter Parallele zu der zentralen Herausforderung, der sich Europa und Deutschland gegenübersehen: die strategische Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen und Komponenten.

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Markus Beckers Konzept der Dual-Use-Innovation als Brücke zwischen ziviler und militärischer Wirtschaft

Genau an dieser Schnittstelle positioniert sich das strategische Konzept, das Markus Becker als Vorsitzender der SME Connect Defence Working Group entwickelt hat. Becker hat erkannt, dass die traditionelle Trennung zwischen zivilen und militärischen Technologien nicht nur überholt ist, sondern auch wirtschaftlich suboptimal. Die SME Connect Defence Working Group hat auf europäischer Ebene eine Wissenssammlung erarbeitet, um die Beteiligung von KMU an den europäischen Verteidigungslieferketten zu beschleunigen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und strategische Autonomie zu stärken.

Die zentrale Erkenntnis Beckers basiert auf der Einsicht, dass automatisierte Lager- und Transportsysteme, robuste Datenebenen in der Lieferkette und fortschrittlicher leichter Schutz – all dies sind Technologien, die zunächst in zivilen Anwendungen entwickelt wurden. Ein Lagerverwaltungssystem für einen großen Logistikkonzern unterscheidet sich technologisch nicht fundamental von einem System, das in einem militärischen Depot zum Einsatz kommt. Ein Schutzmaterial, das der Automobilbranche Gewichtsersparnis bringt, kann gleichzeitig in militärischen Anwendungen Schutz vor Fragmenten bieten. Becker argumentiert, dass es eine Überholspur für die Skalierung ziviler Innovationen auf Verteidigungsniveau gibt.

Dies ist nicht eine Forderung nach Rüstungsorientierung der gesamten deutschen Wirtschaft, sondern ein pragmatisches Konzept für die strategische Nutzung bestehender technologischer Kompetenzen. Ein Maschinenbauunternehmen, das spezialisierte Fertigungsanlagen für die Lebensmittelindustrie produziert, könnte mit relativ geringen Modifizierungen auch Komponenten für Verteidigungssysteme fertigen. Ein Softwareunternehmen, das Logistikplattformen für den E-Commerce entwickelt hat, könnte diese Expertise für Versorgungskettensicherheit in militärischen Kontexten nutzen.

Was Becker darüber hinaus verständig macht, ist, dass dieses Konzept nicht auf den Verteidigungssektor beschränkt werden muss. Die gleiche Logik, die für militärische Anwendungen gilt – höhere Anforderungen an Zuverlässigkeit, Redundanz, Verschlüsselung und Verfügbarkeit – macht diese Technologien auch für kritische zivile Infrastrukturen wertvoll. Ein automatisches Lagersystem, das hohen militärischen Standards genügt, ist perfekt geeignet für sichere Energieversorgung, medizinische Versorgung oder Telekommunikation. Damit eröffnet sich ein neuer Markt, der nicht nur auf Verteidigung beschränkt ist, sondern auf alle Formen kritischer Infrastruktur.

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Die Herausforderung der fragmentierten Globalisierung und die Neu-Ausrichtung europäischer Lieferketten

Die Analyse der gegenwärtigen weltpolitischen Lage zeigt ein System, das sich unter extremem Druck neu konfiguriert. Was früher als Globalisierung verstanden wurde – die Integration von Lieferketten über nationale Grenzen hinweg, die Auslagerung von Produktion in Länder mit niedrigeren Lohnkosten, die Spezialisierung einzelner Länder auf bestimmte Wertschöpfungsbereiche – wird durch ein System ersetzt, das von konfrontativer Multipolarität geprägt ist. Die USA unter Trump setzen verstärkt auf wirtschaftlichen Nationalismus, mit Zollsätzen von 15 Prozent auf deutsche Exporte. China hat sich zu einem starken Wettbewerber entwickelt und beschränkt gleichzeitig den Zugang zu wichtigen Ressourcen.

Die statistischen Daten der Deutschen Bundesbank zeigen, dass Deutschland seit 2017 kontinuierlich Exportmarktanteile verliert, wobei die Geschwindigkeit des Rückgangs ab 2021 deutlich beschleunigt wurde. Über 75 Prozent der Marktanteilsverluste zwischen 2021 und 2023 lassen sich auf strukturelle Faktoren zurückführen: Die deutsche Industrie kann mit der globalen Konkurrenz nicht mehr mithalten. Der Maschinenbau, die Elektroindustrie und energieintensive Branchen liefern zu teuer, zu langsam oder schlicht zu wenig innovativ. Die Gründe sind bekannt: steigende Lohnstückkosten, Fachkräftemangel, Bürokratielasten und demographischer Wandel.

Gleichzeitig verstärkt sich die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen, die in China konzentriert sind. Bei seltenen Erden ist die EU zu etwa 99 Prozent auf Importe aus China angewiesen. Im Oktober 2025 verschärfte China seine Exportkontrollen für seltene Erden und begrenzte diese auf insgesamt 12 Materialien. Die Lage wurde von Rohstoffhändler Matthias Rüth als “sehr ernst” und “relativ unkalkulierbar” beschrieben. Während Recycling kurzfristig etwas helfen kann, ist dies nach fachlicher Einschätzung allenfalls eine Zwischenlösung und keine dauerhafte Alternative.

Diese objektive Situation erfordert eine fundamentale Neubewertung europäischer und deutscher Wirtschaftsstrategie. Die Integration in globale Lieferketten wird künftig nicht mehr von wirtschaftlicher Logik allein bestimmt, sondern zunehmend von geopolitischen Kalkulationen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, alle zur Verfügung stehenden Instrumente einzusetzen, um die Handelsblockade Chinas bei kritischen Rohstoffen zu brechen. Die Brüsseler Regierungsinstitution arbeitet am Plan “RESourceEU”, um der europäischen Industrie “kurz-, mittel- und langfristig den Zugang zu alternativen Quellen” vor allem für seltene Erden zu sichern.

 

Hub für Sicherheit und Verteidigung - Beratung und Informationen

Hub für Sicherheit und Verteidigung - Bild: Xpert.Digital

Der Hub für Sicherheit und Verteidigung bietet fundierte Beratung und aktuelle Informationen, um Unternehmen und Organisationen effektiv dabei zu unterstützen, ihre Rolle in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken. In enger Verbindung zur Working Group Defence der SME Connect fördert er insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit im Bereich Verteidigung weiter ausbauen möchten. Als zentraler Anlaufpunkt schafft der Hub so eine entscheidende Brücke zwischen KMU und europäischer Verteidigungsstrategie.

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Familienunternehmen als Stabilitätsanker: Deutschlands geheime Stärke - Wie Deutschland durch Exportdominanz geopolitischen Einfluss gewinnt

Dual‑Use-Potenzial: Wie Mittelständler Militär und Markt verbinden

Das Deutsche Exportmodell zwischen Abhängigkeit und Kompetitivität

Jürgen Matthes, Leiter des Themenclusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte im Institut der deutschen Wirtschaft Köln, hat in diesem Kontext eine wichtige analytische Feststellung gemacht: Wenn Deutschland den Export bestimmter Güter dominiert, sind andere Länder in gewissem Maße von diesem Land abhängig. Angesichts der amerikanischen Zollpolitik und der stetigen Verschärfung der Exportbedingungen für seltene Erden durch die chinesische Regierung kann dies ein Trumpf sein, um selbst politischen Druck auszuüben. Dies ist eine Umkehrung der klassischen geopolitischen Logik: Deutschland, lange Zeit in der Position des Abhängigen (von russischem Gas, von chinesischen Rohstoffen), könnte durch gezielt strukturierte Exportdominanz in bestimmten hochkomplexen Produktkategorien selbst zu einem geopolitischen Spieler werden.

Allerdings zeigt Matthes auch auf, dass Deutschland bei der Anzahl der Produktgruppen mit Exportdominanz alleine deutlich schlechter abschneidet als die USA und China. Betrachtet man jedoch die EU oder die G7 zusammen mit der EU, weisen diese Ländergruppen deutlich mehr exportdominante Güter auf als China. Dies suggeriert, dass europäische Strategien nicht nur national gedacht werden dürfen, sondern europäisch koordiniert werden müssen. Der Ort dieser Koordination ist genau dort, wo Markus Becker operiert: in der SME Connect Defence Working Group, die auf europäischer Ebene kleine und mittlere Unternehmen zusammenbringt, um gemeinsam Lieferketten zu sichern und Technologieentwicklung zu beschleunigen.

Familienunternehmen als stabilisierende Kraft in unsicheren Zeiten

Ein Aspekt, den die politische Diskussion oft zu wenig berücksichtigt, ist die spezifische Rolle von Familienunternehmen im deutschen Mittelstand. Die Mehrheit der deutschen Mittelständler sind Familienunternehmen, die über Generationen aufgebaut wurden. Diese Unternehmensform hat Eigenschaften, die in Krisenzeiten besonders wertvoll werden. Familienunternehmen verfügen über tiefes Verständnis ihres Unternehmens und ihrer Branche, das einen Wissensvorsprung darstellt, der nicht kopierbar ist. Sie haben stabile Wertschöpfungsnetzwerke aufgebaut, die auf Vertrauen und langjährigen Beziehungen basieren.

Gleichzeitig verfügen Familienunternehmen über eine Fähigkeit, komplexe, organisationsübergreifende Vermögenswerte in Krisensituationen schnell neu zu organisieren. Sie schützen nicht nur die unternehmensinternen Grundlagen für nachfolgende Generationen, sondern sichern dadurch auch ihre Liquidität und können sich gleichzeitig für neue Wachstumswege aufstellen. Anhand verschiedener Fallbeispiele zeigt sich, wie diese Unternehmen ihre Netzwerke mobilisieren, um sich aus Abhängigkeiten zu lösen, absehbare Risiken zu managen und Innovationen zu initiieren.

Die deutsche und europäische Politik kann diese Unternehmensnetzwerke in der aktuellen geopolitischen Situation beispielsweise durch die Förderung sektorübergreifender Allianzen unterstützen. Ein Familienunternehmen aus dem Maschinenbau, das mit einem Softwareunternehmen und einer Logistikfirma strategisch kooperiert, kann schneller reagieren auf sich verändernde Marktanforderungen als jedes einzelne Unternehmen allein. Besonders wertvoll ist hier die Tatsache, dass Familienunternehmen in ihren lokalen Regionen verankert sind und dadurch Arbeitsstellen sichern sowie lokale Wertschöpfung multiplizieren.

Politische Rahmenbedingungen als Enabler oder Blocker

Trotz all dieser inhärenten Stärken des deutschen Mittelstands stoßen diese Unternehmen auf erhebliche politische und regulatorische Hürden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat in seinen Forderungen deutlich gemacht, dass es aus seiner Sicht einer integrierten Außen-, Handels- und Industriepolitik bedarf, die sowohl strategisch auf wirtschaftliche Sicherheit und europäische Interessen setzt als auch klare Prioritäten vorgibt. Cedric von der Hellen, Referent für Außenwirtschaftspolitik beim BDI, hat mit deutlichen Worten unterstrichen: Wenn wir politischen Pragmatismus, wirtschaftliche Resilienz und Nachhaltigkeitsanforderungen in Einklang bringen, schaffen wir die Grundlage dafür, dass die Unternehmen in Deutschland den technologischen Wandel aktiv gestalten und zugleich ihre internationale Führungsrolle behaupten können. Doch dazu muss die Bundesregierung endlich ins Handeln kommen: Ankündigungen reichen nicht – wir brauchen jetzt konkrete Maßnahmen, die Planungssicherheit schaffen und Investitionen ermöglichen.

Die Realität ist jedoch, dass deutsche Mittelständler derzeit unter massivem Bürokratiedruck leiden. Rund 59 Prozent des deutschen Mittelstands sieht Bürokratie als hohes Risiko für seine künftige Wettbewerbsfähigkeit. Das ist nicht nur eine Meinungsäußerung, sondern widerspiegelt eine objektive wirtschaftliche Realität. Ein Unternehmen mit 50 Mitarbeitern, das neu in den Verteidigungssektor eintreten möchte, muss Geheimschutzanforderungen erfüllen, Sicherheitsfreigaben einholen, mit vergaberechtlichen Besonderheiten umgehen und IP- sowie Lizenzierungsfragen bei EU-Kofinanzierungen klären. Diese Anforderungen sind nicht illegitim – sie dienen tatsächlich dem Schutz technologischer Sicherheit. Aber sie sind für kleine Unternehmen mit begrenzten Ressourcen oft eine unüberwindbare Hürde.

Dabei gibt es auf europäischer Ebene durchaus Unterstützungsstrukturen. Der Europäische Verteidigungsfonds mit einem Budget von über 1,1 Milliarde Euro im Jahr 2025 unterstützt Vorhaben in Bereichen wie KI, Robotik, Sensorik, Raumfahrt, Kommunikation und autonome Systeme. Über das EU Defence Innovation Scheme werden gezielt KMU und Start-ups gefördert, die neue Technologien in den Verteidigungssektor hineinentwickeln möchten. Die NATO DIANA Initiative bietet Accelerator-Programme und Mentoring. Der NATO Innovation Fund verfügt über 1 Milliarde Euro. Doch der Zugang zu diesen Mitteln erfordert wieder: Spezialisierte Expertise, Antragskompetenz und Planungsstabilität – alles Dinge, die gerade kleine Unternehmen schwer aufbringen.

Die Förderlandschaft zwischen Angebot und praktischer Machbarkeit

Markus Becker hat in seinen Auftritten bei europäischen Konferenzen – etwa beim hochrangigen Treffen der SME Europe in Brüssel im Mai 2025 – deutlich gemacht, dass das Thema militärischer Logistikinfrastruktur bislang strategisch unterschätzt wird. Er positionierte Dual-Use-Lösungen im Bereich automatisierter Lagersysteme als zentral relevante Infrastrukturen für die Versorgungssicherheit, Einsatzbereitschaft und für die zivile Grundversorgung. Modular skalierbare und automatisierte Dual-Use-Lösungen können zivilwirtschaftlich genutzt werden, während sie gleichzeitig den Anforderungen militärischer Einsätze genügen.

Diese Perspektive öffnet die Tür für eine andere Finanzierungslogik. Ein Logistikuntrnehmen, das automatisierte Lagersysteme entwickelt, könnte theoretisch sowohl über klassische Wirtschaftsförderprogramme als auch über Verteidigungsfonds finanziert werden – je nachdem, welcher Schwerpunkt gerade relevant ist. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz ist zwar primär zivil ausgerichtet, kann aber unter bestimmten Umständen auch für Dual-Use-Projekte relevant sein.

Die Herausforderung besteht darin, dass diese verschiedenen Förderstränge derzeit zu wenig koordiniert sind. Ein Unternehmen müsste praktisch mehrere parallele Antragsprozesse durchlaufen, um optimal vom Fördermarkt zu profitieren. Dies ist zeitaufwendig und reduziert für viele kleine Unternehmen die praktische Nutzbarkeit der vorhandenen Mittel. Hier liegt eine zentrale Aufgabe für die Koordination: Die Schaffung von One-Stop-Shops für Mittelständler, die in den Bereichen Dual-Use-Innovation aktiv sind.

Der politische Pragmatismus als strategisches Erfordernis

Das Konzept des “politischen Pragmatismus”, das Cedric von der Hellen vom BDI betont, ist nicht bloß ein Schlagwort, sondern beschreibt eine notwendige Paradigmenverschiebung. In der deutschen Debatte wird häufig zwischen “Werten” und “Interessen” unterschieden, als seien diese Kategorien antagonistisch. Die Realität ist jedoch, dass eine erfolgreiche Außen- und Wirtschaftspolitik beide verbinden muss. Deutschland kann sich nicht leisten, nur mit Demokratien zusammenzuarbeiten. Es braucht kluge, pragmatische Partnerschaften – jedoch ohne dabei seine Werte aufzugeben.

Der Fehler der Vergangenheit – die starke Abhängigkeit von russischem Gas in der Hoffnung, dass wirtschaftliche Verflechtung zu Frieden führe – hat gezeigt, dass technische gegenseitige Abhängigkeit allein nicht ausreicht, um Konflikte zu vermeiden. Gleichzeitig kann eine Politik, die ignoriert, dass Resilienz auch langfristige Handelsbeziehungen benötigt, zu kostspieligen wirtschaftlichen Verwerfungen führen.

Für den Mittelstand bedeutet dies, dass sie nicht einfach aus China aussteigen können, ohne massive wirtschaftliche Verwerfungen. Aber sie können ihre Lieferketten diversifizieren. Sie können lokale Alternativen aufbauen. Sie können in Ostasien nach Alternativen wie Vietnam, Indonesien oder Thailand suchen, wo Germany Trade & Invest bereits umfangreiche Unterstützung anbietet. Parallel dazu können sie in europäische Wertschöpfung investieren – auch wenn dies kurzfristig kostspieliger ist.

Szenarios für die Zukunft des deutschen Mittelstands

Betrachtet man die verschiedenen Szenarien für die kommenden fünf bis zehn Jahre, zeichnen sich mehrere mögliche Entwicklungspfade ab. Das pessimistische Szenario sieht einen weiteren Kompetitivitätsverlust des deutschen Mittelstands, befeuert durch unzureichende politische Maßnahmen, hohe Bürokratielasten und den Mangel an strategischen Investitionen. In diesem Szenario verliert Deutschland weiter Marktanteile an China und andere Länder, während gleichzeitig Rohstoffabhängigkeiten zunehmen und sich Lieferketten weiter verkomplizieren.

Das realistisch-optimistische Szenario geht davon aus, dass die europäische und deutsche Politik ihre Handlungsfähigkeit unter Druck beweist. Dies würde bedeuten: schnellere Genehmigungsverfahren, bessere Koordination von Förderprogrammen, gezielter Aufbau europäischer Produktionskapazitäten in kritischen Technologien (insbesondere Halbleiter und spezialisierte Materialien), und eine strategisch kohärente Außenwirtschaftspolitik, die Wertschöpfung nach Europa repatriiert, ohne dabei vollständig autark zu werden.

In diesem Szenario würden Unternehmen wie jene, deren Strategie Markus Becker verfolgt, zu den Gewinnern. Mittelständler, die schnell von Dual-Use-Konzepten profitieren, würden von explodierenden Verteidigungshaushalten und zugleich von der wachsenden Nachfrage nach resilienten kritischen Infrastrukturen profitieren. Gleichzeitig würden Familienunternehmen ihre klassischen Stärken – tiefe Branchenkenntnisse, stabile Netzwerke, Schnelligkeit von Entscheidungen – monetarisieren können.

Das dritte Szenario ist ein transformativ optimistisches: Europäische Industrie begreift den geopolitischen Druck als Chance für einen Deep Tech-Aufbruch. Unter diesem Szenario würde eine koheränte europäische Strategie dazu führen, dass Europa in zukunftsträchtigen Technologien nicht Niche-Player bleibt, sondern strategische Führung übernimmt. Investitionen in European Sovereign Tech, in europäische Rüstungsfähigkeit, in grüne Technologien und in hochspezialisierte Fertigung würden das europäische Industrie-Ökosystem transformieren.

Die Zeit der europäischen Mittelstandsoffensive

Markus Beckers Ansatz der Dual-Use-Innovation und seiner Arbeit in der SME Connect Defence Working Group repräsentiert nicht bloß ein Programm für Einzelunternehmen, sondern einen systemischen Strategiewechsel. Der deutsche und europäische Mittelstand hat die organisatorischen, technologischen und kulturellen Ressourcen, um in den kommenden Jahren zum Gewinner geopolitischer Umwälzungen zu werden – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen ändern sich radikal zum Besseren.

Dies erfordert nicht weniger als ein Paradigmenwechsel in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik. Es reicht nicht, reaktiv auf geopolitische Krisen zu reagieren. Es bedarf proaktiver Investitionen in europäische technologische Souveränität, einer Rationalisierung von Förderprogrammen, und einer klaren Priorisierung von Unternehmen, die schnell skalieren können. Besonders Familienunternehmen und flexible Mittelständler sollten dabei unterstützt werden, ihre innovativen Potenziale freizusetzen.

Die Stunde für deutsche und europäische Pragmatik ist gekommen. Politische Innovationskraft muss der technologischen Innovation folgen. Nur dann kann der Mittelstand sein inhärentes Potential realisieren und Europa zu einer wirtschaftlichen und technologischen Unabhängigkeit führen, die nicht durch Autarkie, sondern durch strategische Intelligenz und operative Exzellenz erreicht wird.

 

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Die Weltwirtschaft durchlebt derzeit einen fundamentalen Wandel, einen Epochenbruch, der die Grundpfeiler der globalen Logistik erschüttert. Die Ära der Hyper-Globalisierung, die durch das unerschütterliche Streben nach maximaler Effizienz und das “Just-in-Time”-Prinzip geprägt war, weicht einer neuen Realität. Diese ist von tiefgreifenden strukturellen Brüchen, geopolitischen Machtverschiebungen und einer fortschreitenden wirtschaftspolitischen Fragmentierung gekennzeichnet. Die einst als selbstverständlich angenommene Planbarkeit internationaler Märkte und Lieferketten löst sich auf und wird durch eine Phase wachsender Unsicherheit ersetzt.

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