
Digitaler EU-Omnibus und KI: Wie viel Sonderrecht verträgt Europas Datenordnung? – Bild: Xpert.Digital
Brüssel predigt Entbürokratisierung – und öffnet Big Tech die Hintertür zur Daten-Rohstoffquelle Europa
Was der digitale EU-Omnibus tatsächlich verändern würde
Der geplante digitale EU-Omnibus ist weit mehr als eine bloße „Aufräumaktion“ im europäischen Digitalrecht. Hinter der Rhetorik von Vereinfachung und Bürokratieabbau verbirgt sich ein tiefgreifender Eingriff in die Grundlogik der europäischen Datenordnung. Statt lediglich Formulare zu harmonisieren oder Berichtspflichten zu straffen, rührt die Kommission an Kernprinzipien der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und anderer digitaler Regime. Zugleich versucht sie, den rechtlichen Rahmen für Künstliche Intelligenz (KI) und Datenwirtschaft so anzupassen, dass europäische und internationale Unternehmen mit personenbezogenen Daten umfangreicher und einfacher arbeiten können.
Ökonomisch bedeutet dies einen strategischen Kurswechsel: Weg von einer strikt grundrechtsorientierten, technologieneutralen Regulierung, hin zu einem stärker technologiepolitisch motivierten Ansatz, der KI als privilegierte Zukunftsbranche behandelt. Der Omnibus schafft damit nicht nur Klarheit, sondern auch eine asymmetrische Bevorzugung bestimmter Geschäftsmodelle – vor allem jener Unternehmen, die über Skaleneffekte beim Datensammeln und beim Training großer Modelle verfügen. Damit werden Anreize und Machtverhältnisse auf den Datenmärkten neu geordnet.
Im Zentrum steht der vorgesehene neue Artikel 88c DSGVO, flankiert von Änderungen bei sensiblen Daten, Informationspflichten, Endgerätedatenschutz und Cookie-Regeln. Der Omnibus ist damit ein politisch-ökonomisches Projekt: Er definiert, wer mit welchen rechtlichen Risiken und Kosten KI entwickeln darf, wer Zugang zu welchem Datenrohstoff hat und wessen Geschäftsmodell regulatorisch erleichtert oder erschwert wird. Die Diskussion, ob es sich um eine „uferlose Sonderrechtszone“ für KI handelt, ist daher nicht bloß juristisch, sondern unmittelbar industrie- und wettbewerbspolitisch.
Technologieneutralität versus KI-Privileg: Erosion eines Kernprinzips der DSGVO
Die DSGVO wurde bewusst technologieneutral konzipiert. Sie knüpft nicht an konkrete Technologien an, sondern an die Verarbeitung personenbezogener Daten, unabhängig davon, ob diese durch einfache Algorithmen, klassische Software oder hochkomplexe KI-Systeme erfolgt. Dieses Prinzip gewährleistet, dass ähnliche Risiken für Grundrechte auch ähnlich reguliert werden. Der Omnibus bricht dieses Prinzip schrittweise auf.
Mit Artikel 88c soll die Entwicklung und der Betrieb von KI-Systemen ausdrücklich als berechtigtes Interesse im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 lit. f DSGVO qualifiziert werden. Damit erhält der KI-Kontext eine eigene, technologiebezogene Sonderbehandlung. Ökonomisch betrachtet bedeutet dies, dass eine spezifische Technologie – KI – rechtlich privilegiert wird, obwohl ihre Risiken in vielen Fällen höher sind als bei konventionellen datenverarbeitenden Verfahren. Die Bindung an den AI Act löst dieses Problem nur begrenzt, da die Schutzniveaus nicht deckungsgleich sind und der AI Act seinerseits risikobasiert, nicht umfassend personenbezogendatenbasiert reguliert.
Hinzu kommt der extrem weit gefasste KI-Begriff. Wenn nahezu jede fortgeschrittene Form automatisierter Datenanalyse als KI-System im Sinne des AI Act ausgelegt werden kann, verschiebt Art. 88c den Geltungsbereich des Privilegs weit über klassische „GenAI“- oder Deep-Learning-Anwendungen hinaus. Unternehmen könnten in der Praxis fast jede datenintensive, automatisierte Verarbeitung zu KI erklären, um in eine günstigere Rechtslage zu rutschen. Die Trennlinie zwischen „normaler“ Datenverarbeitung und „KI-Verarbeitung“ verschwimmt, und genau diese Unschärfe ist ökonomisch attraktiv: Sie reduziert Compliance-Kosten und rechtliche Angreifbarkeit für entsprechend positionierte Akteure.
Das Ergebnis wäre eine De-facto-Technologiebevorzugung, die das neutrale, grundrechtsorientierte Design der DSGVO unterminiert. Für die Marktordnung im digitalen Binnenmarkt ist das folgenreich: Wer „KI“ ist und dies glaubhaft juristisch untermauern kann, erhält leichtere Zugänge zu Daten, geringere Rechtsunsicherheit und potenziell niedrigere Durchsetzungskosten.
Datensparsamkeit unter Druck: Wenn Masse zur Legitimation wird
Ein besonders kritischer Punkt des Omnibus betrifft den Umgang mit sensiblen Daten – etwa zu Gesundheit, politischer Meinung, ethnischer Herkunft oder sexueller Orientierung. Diese Datenkategorien unterliegen in der DSGVO einem strengen Verarbeitungsverbot mit wenigen eng definierten Ausnahmen. Der Omnibus führt nun zusätzliche Ausnahmen ein, indem er das Training und den Betrieb von KI-Systemen als besondere Rechtfertigungsgründe heranzieht.
Ökonomisch brisant ist dabei weniger die reine Öffnung, sondern die Angebotslogik, die dahintersteht: Je datenintensiver und massenhafter die Verarbeitung, desto leichter lässt sich diese als notwendig für die Entwicklung leistungsfähiger KI-Modelle begründen. Das Prinzip der Datensparsamkeit – zielgerichtete, minimale Datennutzung – wird in sein Gegenteil verkehrt. Datenfülle wird zur Legitimation, nicht zur Gefahr.
Für datenhungrige Geschäftsmodelle, insbesondere für globale Plattformen mit gigantischen Nutzerbasen, ist dies ein struktureller Vorteil. Wer über viele Milliarden Datenpunkte verfügt und zudem über die technischen Mittel, diese umfassend zu absorbieren und in Modellen zu verarbeiten, kann das Narrativ der Notwendigkeit leichter bedienen als kleine oder mittelständische Akteure mit begrenzten Datenbeständen. Was als innovationsfreundliche Erleichterung verkauft wird, verstärkt daher in der Praxis Skalenvorteile und Netzwerkexternalitäten zugunsten ohnehin marktmächtiger Unternehmen.
Gleichzeitig entstehen auf der Risikoseite kollektive Verwundbarkeiten. KI-Systeme, die auf breit eingesaugten sensiblen Daten trainiert werden, sind strukturell anfällig für Datenlecks, Re-Identifikation und diskriminierende Muster. Auch wenn der Omnibus technisch-organisatorische „angemessene Maßnahmen“ verlangt, sind diese Vorgaben bewusst offen formuliert. Diese Offenheit wirkt in zweifacher Weise ökonomisch: Sie ermöglicht einerseits flexible, innovative Ansätze im technischen Datenschutz, andererseits verlagert sie Haftungs- und Nachweisrisiken zu Lasten kleinerer Anbieter, die weniger Ressourcen haben, um komplexe Schutzkonzepte glaubhaft zuDigitaler EU-Omnibus: Regulierungsklarheit oder Freibrief für datenhungrige KI-Konzerne?
Bürokratieabbau als Vorwand für eine tektonische Verschiebung im Datenschutzregime – Warum der „digitale Omnibus“ weit mehr ist als ein technisches Bereinigungsgesetz
Der geplante „digitale EU-Omnibus“ wird von der EU-Kommission als pragmatisches Aufräumprojekt verkauft: weniger Bürokratie, mehr Kohärenz, bessere Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Binnenmarkt. In der politischen Kommunikation dominiert die Erzählung von der „Vereinfachung“ – ein Wort, das in der europäischen Politik fast zwangsläufig positive Assoziationen weckt. Tatsächlich handelt es sich jedoch nicht um eine bloße redaktionelle Bereinigung, sondern um einen tiefen Eingriff in die Grundlogik des europäischen Datenschutzes und der digitalen Regulierung insgesamt.
Im Zentrum steht dabei die Rolle von Künstlicher Intelligenz und datengetriebenen Geschäftsmodellen. Der Omnibus-Vorschlag verknüpft mehrere Rechtsakte – insbesondere DSGVO, AI Act, Data Act und ePrivacy-Richtlinie – neu miteinander und verschiebt die Gewichte zugunsten einer expansiven Datennutzung. Unter dem Anspruch, Rechtssicherheit zu schaffen und Innovation zu erleichtern, wird ein neues Regime skizziert, in dem großskalige Datenverarbeitung für KI eher privilegiert als begrenzt wird. Genau hier setzt die massive Kritik von Datenschutzjuristen, Verbraucherverbänden und Teilen der Wissenschaft an.
Die Analyse des Gutachtens von Spirit Legal für den vzbv beleuchtet dabei einen Kernkonflikt europäischer Digitalpolitik: Kann Europa gleichzeitig globaler KI-Standort, wahrer Hüter der Grundrechte und Schutzmacht der Verbraucher sein – oder wird der Datenschutz stillschweigend der geopolitischen und industriepolitischen Logik geopfert? Der Omnibus-Entwurf deutet an, dass Brüssel bereit ist, die bisherige strenge Auslegung der DSGVO zumindest partiell zugunsten eines KI-freundlichen Ausnahmeregimes zu lockern. Die entscheidende Frage lautet daher: Handelt es sich um eine notwendige Modernisierung oder um den Einstieg in eine „uferlose Sonderrechtszone“ für KI?
Artikel 88c und die Logik der Privilegierung: Wie aus Technikneutralität Technologiespezialrecht wird
Kern des Konflikts ist der geplante neue Artikel 88c der DSGVO. Er soll die Entwicklung, das Training und den Betrieb von KI-Systemen ausdrücklich als „berechtigtes Interesse“ im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 lit. f DSGVO qualifizieren. Auf den ersten Blick klingt das wie eine bloße Klarstellung: KI-Unternehmen sollen sich auf eine etablierte Rechtsgrundlage stützen können, ohne in jedem Einzelfall über Einwilligungen oder Sondernormen zu stolpern. In der Tiefe der juristischen Architektur vollzieht sich jedoch ein Paradigmenwechsel.
Bislang ist die DSGVO technikneutral angelegt. Sie unterscheidet nicht zwischen „KI“ und anderen datenverarbeitenden Verfahren, sondern knüpft Rechte und Pflichten an die Art der Daten, den Kontext und das Risiko für Betroffene. Mit Artikel 88c würde dieses Prinzip durchbrochen: Künstliche Intelligenz erhielte einen eigenen, privilegierten Zugangsweg zu personenbezogenen Daten. Genau hier setzen Hense und Wagner an, wenn sie vor einer „uferlosen Sonderrechtszone“ warnen.
Das Problem verschärft sich durch den extrem weiten KI-Begriff des AI Act. Als KI-System gilt dort praktisch jede Software, die mit bestimmten Techniken – von maschinellem Lernen bis hin zu regelbasierten Systemen – Muster erkennt, Vorhersagen trifft oder Entscheidungen unterstützt. In Kombination mit Artikel 88c ließe sich nahezu jede anspruchsvollere Datenverarbeitung als KI-relevant deklarieren. Für Unternehmen entsteht ein starker Anreiz, ihre Infrastruktur regulatorisch als KI-Systeme zu „labeln“, um auf die privilegierte Rechtsgrundlage zugreifen zu können.
Damit wird aus einem vermeintlich engen KI-Spezialfall ein Einfallstor für eine systematische Lockerung der Datenschutzanforderungen. Die Technikneutralität der DSGVO – bislang ein wichtiger Schutzwall gegen Technologiesonderrecht – würde unterlaufen. Rechtlich bekäme eine Technologie-Kategorie, deren Grenzen bereits in der Praxis schwer zu ziehen sind, einen strukturellen Vorteil gegenüber anderen Formen der Datenverarbeitung. In einem Umfeld, in dem immer mehr Prozesse algorithmisch optimiert werden, ist das nichts weniger als eine regulatorische Weichenstellung für den gesamten künftigen Datenkapitalismus in Europa.
Wie das Prinzip „je mehr Daten, desto eher erlaubt“ eine gefährliche Anreizstruktur für Big Tech schafft
Besonders brisant wird der Omnibus-Entwurf dort, wo er in die bisherige Logik der Datensparsamkeit und Zweckbindung eingreift. Die DSGVO baut auf der Idee auf, dass nur so viele personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden dürfen, wie für einen konkreten Zweck unbedingt erforderlich sind. Dieses Prinzip ist explizit als Gegenmodell zu unbegrenzter Datensammlung und Profilbildung entworfen worden.
Der Omnibus-Ansatz dreht diese Logik im KI-Kontext zumindest faktisch um. In der Begründung wird nahegelegt, dass gerade große Datenmengen ein besonderes Gewicht bei der Rechtfertigung der Verarbeitung haben, wenn sie dem Training von KI-Modellen dienen. Die Gutachter lesen daraus eine perverse Anreizstruktur: Je umfangreicher, diverser und massenhafter Daten eingesammelt werden, desto einfacher lässt sich ihre Nutzung für KI rechtfertigen. Massenhaftes Scraping, Profiling und das Zusammenführen verschiedenster Quellen könnten damit unter Berufung auf KI-Optimierung legitimiert werden.
Ökonomisch begünstigt diese Konstruktion systematisch jene Akteure, die bereits über gigantische Datenbestände verfügen und in der Lage sind, weitere Daten in großem Stil zu aggregieren – also vor allem US-amerikanische Plattformkonzerne. Je mehr User, je mehr Interaktionsdaten, je mehr Verknüpfungspunkte, desto stärker das angebliche „berechtigte Interesse“, diese Daten in KI-Pipelines zu schieben. Kleine und mittlere Unternehmen, die weder über ähnliche Datenmengen noch über vergleichbare Infrastruktur verfügen, bleiben im Nachteil. Die Omnibus-Architektur wirkt damit wie ein Skalierungsmultiplikator für ohnehin dominante Player.
Hinzu kommt ein weiterer kritischer Aspekt: Das Argument, dass große Datenmengen die Genauigkeit und Fairness von KI-Systemen steigern, wird teils unkritisch als Rechtfertigung verwendet. Aus ökonomischer Perspektive ist zwar richtig, dass Performance und Robustheit von Modellen mit mehr Daten oft steigen. Doch dieser Effizienzgewinn wird erkauft durch steigende Informationsasymmetrien, Machtkonzentration und Reproduktionsrisiken persönlicher und sozialer Muster. Der Vorschlag blendet weitgehend aus, dass Datensparsamkeit und Zweckbindung nicht zufällig, sondern als Antwort auf genau solche Machtungleichgewichte in die DSGVO geschrieben wurden.
Warum die Aufweichung des Schutzes besonderer Kategorien personenbezogener Daten ein systemisches Risiko erzeugt
Besondere Kategorien personenbezogener Daten – etwa zu Gesundheit, ethnischer Herkunft, politischen Ansichten, religiösen Überzeugungen oder sexueller Orientierung – unterliegen in der DSGVO einem strengen Verarbeitungsverbot mit eng gefassten Ausnahmen. Der Omnibus-Vorschlag erweitert mit einem neuen Ausnahmetatbestand die Möglichkeit, auch solche Daten im Kontext von KI-Entwicklung und -Betrieb zu verwenden. Begründet wird dies mit der Notwendigkeit umfangreicher Daten für die Vermeidung von Bias und Diskriminierung.
In der Praxis läuft dies jedoch auf eine Normalisierung der Nutzung hochsensibler Daten hinaus, ohne dass die Kontrollmöglichkeiten der Betroffenen in gleichem Maße gestärkt würden. Besonders problematisch ist die Konstruktion, dass sensible Merkmale teilweise als „unproblematisch“ erscheinen, solange sie nicht direkt auf einzelne identifizierbare Personen zurückführbar sind oder primär als statistische Variable in einem Trainingsdatensatz fungieren. Doch auch anonym erscheinende oder pseudonymisierte Datensätze können Rückschlüsse auf Gruppen, Milieus oder Minderheiten ermöglichen und diskriminierende Muster verstärken.
Ökonomisch betrachtet erweitert eine solche Regelung den Rohstoffpool für KI-Modelle um besonders wertvolle, weil tiefgreifende Informationen. Gesundheitsdaten, politische Präferenzen, psychologische Profile – all dies sind Daten, die im Werbe-, Versicherungs-, Finanz- oder Arbeitsmarktumfeld enorme monetäre Relevanz besitzen. Wer Zugriff auf solche Daten in großem Stil erhält, kann deutlich granularere und damit gewinnträchtigere Modelle entwickeln. Die Kombination aus Sensibilität der Daten und wirtschaftlichem Verwertungspotenzial erzeugt ein doppeltes Risiko: für die individuelle Autonomie und für die kollektive Struktur von Demokratie und sozialem Zusammenhalt.
Gerade im KI-Kontext ist die Gefahr systemischer Verzerrungen groß. Modelle, die auf sensiblen Daten trainiert werden, reproduzieren nicht nur Informationen, sondern auch implizite Wertungen und Stereotype. Die anvisierten „angemessenen technischen und organisatorischen Maßnahmen“, mit denen negative Effekte begrenzt werden sollen, bleiben im Entwurf vage. Damit entsteht eine Grauzone: Auf der einen Seite werden sensibelste Daten für KI-Training geöffnet, auf der anderen Seite fehlen klare, einklagbare Standards für Schutzmechanismen und Kontrollen. In einer solchen Architektur profitieren vor allem Akteure mit technischer Überlegenheit und hoher Risikotoleranz.
Erosion durch die Hintertür: Erwägungsgründe statt Normtexte und die Schwächung der Durchsetzung
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt der Gutachter betrifft die methodische Verschiebung wichtiger Schutzmechanismen aus dem verbindlichen Normtext in die rechtlich unverbindlichen Erwägungsgründe. Was auf Ebene der juristischen Technik wie eine Detailfrage wirkt, hat massive praktische Folgen für die Durchsetzungskraft des Rechts.
Die Erwägungsgründe dienen primär der Auslegung, sie sind jedoch keine unmittelbar vollziehbaren Rechtsnormen. Werden wesentliche Sicherungsmechanismen – etwa Opt-out-Prozeduren, Informationspflichten oder Einschränkungen von Web-Scraping – primär dort verankert, statt in klar formulierten Artikelbestimmungen, schränkt dies die Handlungsmöglichkeiten von Datenschutzbehörden erheblich ein. Verstöße lassen sich schwerer greifen, Bußgelder und Anordnungen stützen sich auf unklarere Grundlagen, und Unternehmen können argumentieren, dass es sich nur um „Interpretationshilfen“ handle.
Für KI-bezogene Massendatenverarbeitung wirkt diese Konstruktion wie eine Einladung zur Regelausdehnung. Besonders beim Web-Scraping von öffentlich zugänglichen Informationen – etwa aus sozialen Netzwerken, Foren oder Nachrichtenseiten – besteht ein großes Risiko, dass Betroffene weder informiert werden noch eine realistische Möglichkeit haben, ihre Rechte wahrzunehmen. Wenn die zentrale Barriere gegen solche Praktiken nur in Erwägungsgründen angedeutet wird, aber nicht im Gesetzestext selbst verankert ist, reduziert sich Datenschutz in der Praxis auf eine Mischung aus soft law und Goodwill der Konzerne.
Ökonomisch gesehen verschiebt dies die Kostenstruktur: Unternehmen, die aggressiv Daten sammeln und KI-Modelle trainieren, profitieren von rechtlicher Unklarheit, weil Aufsichtsbehörden sich im Zweifel zurückhalten oder langwierige Klärungen durch Gerichte abwarten müssen. Rechtsrisiken werden damit in die Zukunft verlagert und entwertet; kurzfristig entstehen Standortvorteile für besonders risikofreudige Anbieter. Seriosität und rechtskonformes Verhalten werden im Wettbewerb tendenziell bestraft, während Grenzüberschreitung lohnend erscheint – ein klassischer Fall regulatorisch induzierter Fehlanreize.
Weshalb eine eigenständige, eng definierte Norm für KI-Trainingsdaten den Zielkonflikt besser austarieren könnte
Als Gegenentwurf zu der pauschalen Legitimation über das „berechtigte Interesse“ schlagen die Gutachter eine gezielte, eigenständige Rechtsgrundlage für das Training von KI-Systemen vor. Ökonomisch betrachtet wäre dies der Versuch, den Zielkonflikt zwischen Innovationsförderung und Persönlichkeitsschutz nicht durch eine generelle Aufweichung des Datenschutzes, sondern durch spezifische, strenge Bedingungen zu lösen.
Eine solche spezialgesetzliche Rechtsgrundlage könnte mehrere Schutzbarrieren enthalten:
Erstens könnte sie eine strikte Prüfpflicht verankern, dass Unternehmen nur dann auf personenbezogene Daten zugreifen dürfen, wenn nachweislich kein gleichwertiges Ergebnis mit anonymisierten, pseudonymisierten oder synthetischen Daten erzielt werden kann. Dies würde Anreize setzen, in Methoden der Datenanonymisierung, Generierung synthetischer Datensätze und Privacy-by-Design zu investieren. Die Innovationsrichtung würde weg von ungebremster Datensammlung, hin zu technischer Kreativität im Umgang mit Datensparsamkeit gelenkt.
Zweitens könnte eine solche Norm technische Mindeststandards zur Vermeidung von „Data Leakage“ verpflichtend machen. KI-Modelle dürfen keine personenbezogenen Informationen aus ihren Trainingsdaten in Ausgaben reproduzieren oder rekonstruierbar machen. Dies erfordert nicht nur einfache Filter, sondern robuste Architekturentscheidungen, etwa differenzielle Privatsphäre, Output-Kontrollmechanismen und strikte Evaluierungspipelines. Die ökonomische Logik wäre hier klar: Wer in personaldatenschonende Modellarchitekturen investiert, reduziert langfristig Haftungsrisiken und stärkt Vertrauen.
Drittens könnte die Norm eine strenge Zweckbindung für KI-Trainingsdaten festschreiben. Daten, die einmal für einen spezifischen KI-Trainingszweck erhoben oder verwendet worden sind, dürften nicht ohne weiteres in anderen Kontexten oder für neue Modelle eingesetzt werden. Dies würde die weite Praxis einschränken, einmal gesammelte Datensätze als dauerhafte Ressource verschiedenster Entwicklungen zu betrachten. Für Unternehmen entstünde die Notwendigkeit, klar segmentierte Datenpools zu führen und Nutzungspfade nachvollziehbar zu dokumentieren.
Eine solche spezialisierte Rechtsgrundlage stellt keinen Freibrief dar, sondern eine qualifizierte Erlaubnis. Sie könnte das Spannungsverhältnis zwischen KI-Innovation und Grundrechtsschutz strukturieren, statt es durch eine Generalklausel zu kaschieren. Politisch wäre dies zwar weniger „schlank“, aber rechtsstaatlich deutlich sauberer, weil der Konflikt offen normiert und nicht hinter Interpretationsschichten verborgen würde.
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Vulnerable Gruppen und die digitale Biografie: Warum Kinder und Jugendliche zum Testfeld des KI-Kapitalismus zu werden drohen
Ein besonders sensibler Aspekt betrifft den Schutz von Minderjährigen und anderen verletzlichen Gruppen. Kinder und Jugendliche generieren heute bereits enorme Mengen an digitalen Spuren – in Social Media, Gaming-Umgebungen, Bildungsplattformen oder Gesundheits-Apps. Diese Daten zeichnen eine hochdetaillierte, oft lebenslange digitale Biografie. Im Kontext von KI-Training und -Personalisierung stellt sich die Frage, in welchem Umfang diese Daten ohne spezifische, informierte und reversible Einwilligungen in Modelle einfließen dürfen.
Die Gutachter plädieren für eine ausdrückliche Einwilligungspflicht der Eltern, sobald Daten von Minderjährigen zu KI-Trainingszwecken genutzt werden sollen. Darüber hinaus schlagen sie vor, dass junge Erwachsene mit Erreichen der Volljährigkeit ein voraussetzungsloses Recht erhalten, die weitere Verwendung ihrer Daten in bestehenden Modellen zu untersagen. Das würde bedeuten: Nicht nur künftige Datenverarbeitungen, sondern auch die bisherige Nutzung in trainierten Modellen müsste – soweit technisch möglich – korrigiert werden.
Aus ökonomischer Perspektive ist dies unbequem, aber zentral. Daten von Minderjährigen sind für KI-Anwendungen besonders attraktiv, weil sie frühe Musterbildung, langfristige Profilierung und gezielte Ansprache über Jahr(zehnt)e hinweg ermöglichen. In Konsum-, Bildungs- und Werbemärkten sind solche langen Zeithorizonte enorm wertvoll. Werden diese Daten unreguliert als Trainingsbasis genutzt, entsteht ein Datenvorsprung für Konzerne, der kaum einholbar ist. Die junge Generation würde so zur systematischen Ressource eines auf Dauer gestellten KI-Geschäftsmodells, ohne je eine bewusste, informierte Entscheidung getroffen zu haben.
Zugleich besteht das Risiko, dass Fehler, Vorurteile oder unglückliche Phasen im digitalen Leben dauerhaft in Modellen anwesend bleiben – etwa wenn frühere Online-Aktivitäten indirekt Karrieren, Kredite oder Versicherungskonditionen beeinflussen. Selbst wenn die Modelle offiziell „anonymisiert“ arbeiten, können Korrelationen auf Gruppenebene langfristige Auswirkungen auf Bildungs- und Arbeitschancen bestimmter Milieus haben. Wer in einem problematischen sozialen Umfeld aufwächst, findet sich statistisch häufiger in negativen Risikoprofilen wieder. Der Verzicht auf robuste Schutzschranken für Minderjährige verfestigt daher soziale Ungleichheit in einer algorithmischen Form.
Die politische Rede von „digitaler Souveränität der nächsten Generation“ bleibt hohl, wenn genau jene Gruppe, die dem künftigen digitalen Ökosystem ausgeliefert sein wird, heute weitgehend ungeschützt in KI-Datenströme eingespeist wird. Ökonomisch betrachtet ist die kurzfristige Bequemlichkeit für KI-Anbieter – ungehinderter Zugriff auf wertvolle Daten – mit langfristigen gesellschaftlichen Kosten verbunden, die weit über individuelle Datenschutzverletzungen hinausgehen. Es geht um die Frage, ob demokratische Gesellschaften bereit sind, die Lebensläufe ihrer jungen Bürger zu einem primären Rohstoff der KI-Industrie zu machen.
Vertrauen als Produktionsfaktor: Warum geschwächter Datenschutz ein ökonomisches Risiko für Europas Digitalwirtschaft ist
In der öffentlichen Debatte wird Datenschutz oft als Hemmnis für Innovation dargestellt. Die empirischen Daten zeichnen ein anderes Bild. Repräsentative Umfragen des vzbv zeigen, dass Vertrauen für eine überwältigende Mehrheit der Verbraucher eine zentrale Voraussetzung für die Nutzung digitaler Dienste ist. Wenn 87 Prozent der Befragten angeben, dass Vertrauen Grundvoraussetzung für ihre digitale Nutzung ist, wird deutlich: Ohne glaubwürdigen Rechtsrahmen und tatsächliche Kontrollmöglichkeiten entsteht kein tragfähiger Markt für komplexe, datenintensive Anwendungen.
Die DSGVO spielt dabei bislang eine doppelte Rolle. Zum einen begrenzt sie zwar kurzfristig bestimmte Geschäftsmodelle oder zwingt Unternehmen zu zusätzlichem Aufwand. Zum anderen fungiert sie aber als institutioneller Vertrauensanker: Über 60 Prozent der Verbraucher geben an, Unternehmen eher zu vertrauen, wenn diese nachweislich europäische Datenschutzvorgaben einhalten. Dieses Vertrauen ist kein weiches „Gefühl“, sondern ein realer ökonomischer Faktor. Es entscheidet darüber, ob Nutzer bereit sind, sensible Informationen preiszugeben, neue Dienste zu testen oder datengetriebenen Systemen in Alltagssituationen – etwa im Gesundheits- oder Finanzbereich – zu vertrauen.
Wird dieser Anker geschwächt, weil der Eindruck entsteht, dass Datenschutz sukzessive verwässert wird und grundlegende Prinzipien zugunsten von KI-Interessen geopfert werden, hat das Folgen. Kurzfristig mag die Datennutzung für einige Unternehmen erleichtert werden. Mittelfristig wächst aber die Skepsis gegenüber dem gesamten Ökosystem. Nutzer reagieren mit Vermeidungsverhalten, Ausweichstrategien, bewusster Datenreduktion oder dem Rückgriff auf besonders restriktive Tools. Vertrauen, einmal verloren, lässt sich nur schwer wiederherstellen – und die Kosten dafür sind höher als der Aufwand, von vornherein einen robusten, konsistenten Rechtsrahmen einzuhalten.
Für die europäische Digitalwirtschaft ergibt sich daraus eine strategische Implikation: Wettbewerbsvorteile gegenüber US-Plattformen können nicht primär über Datenmassen und Aggressivität in der Datenerhebung gewonnen werden – hier sind andere längst uneinholbar voraus. Der realistische Differenzierungsweg führt über Vertrauenswürdigkeit, Transparenz, Rechenschaft und die glaubhafte Einbettung datenintensiver Dienste in ein wertebasiertes Regelwerk. Der Omnibus-Ansatz, der faktisch das Gegenteil signalisiert, unterminiert damit ausgerechnet jene Stärke, die Europa im globalen Wettbewerb hätte ausbauen können.
Asymmetrische Effekte: Warum der Omnibus Big Tech stärkt und europäische KMU schwächt
Ein zentraler Vorwurf lautet, dass die geplanten Erleichterungen strukturell vor allem großen, datenreichen Plattformkonzernen zugutekommen – also jenen, die gemeinhin unter „Big Tech“ firmieren. Die Logik dahinter ist ökonomisch einfach: Wer bereits über gewaltige Datenmengen verfügt, eine globale Infrastruktur für Datensammlung und -verarbeitung betreibt und spezialisierte Compliance-Teams bereitstellt, kann regulatorische Grauzonen und Ausnahmen gezielt nutzen, ohne in existenzielle Risiken zu laufen. Für kleine und mittlere Unternehmen sieht die Rechnung anders aus.
Die Anerkennung von KI-Training und -Betrieb als „berechtigtes Interesse“ setzt komplizierte Abwägungsprozesse voraus: Die Interessen des Unternehmens müssen gegen die Rechte und Freiheiten der Betroffenen gewichtet werden. Große Konzerne verfügen über die Rechtsabteilungen, um solche Abwägungen in aufwendigen Dokumentationen plausibel zu machen, und über die Marktmacht, eventuelle Bußgelder langfristig als kalkuliertes Risiko zu verbuchen. Kleinere Unternehmen hingegen stehen vor der Wahl, entweder aus Vorsicht auf riskantere, aber potenziell wettbewerbsrelevante Datennutzungen zu verzichten oder ohne ausreichende rechtliche Expertise in Graubereiche vorzustoßen.
Hinzu kommt der Netzwerkeffekt: Wird großskalige Datennutzung für KI-Training erleichtert, sind es naturgemäß jene, die bereits heute massenhaft Daten besitzen, die den größten Mehrwert daraus ziehen. Jedes zusätzliche Datenpaket verbessert ihre Modelle, erhöht die Attraktivität ihrer Dienste und verstärkt wiederum den Zufluss weiterer Nutzer und Daten. In der Folge verschiebt sich das Marktgleichgewicht weiter zugunsten weniger globaler Plattformen. Europäische Anbieter, die versuchen, mit datenärmeren, aber datenschutzfreundlicheren Ansätzen zu konkurrieren, geraten in eine zunehmend defensive Position.
Die politisch kommunizierte Zielsetzung, europäische Unternehmen zu stärken und digitale Souveränität auszubauen, gerät so in Widerspruch zu den tatsächlichen Wirkungen der Regelung. Eine Deregulierung, die vor allem jenen nutzt, die ohnehin schon an der Spitze stehen, verstärkt Machtkonzentration statt sie zu begrenzen. Für die europäische Industrie- und Standortpolitik bedeutet dies: Was als „Entlastung“ verkauft wird, kann sich in eine strukturelle Abhängigkeit von ausländischen Daten- und KI-Infrastrukturen verwandeln. Souveränität wird nicht durch laxe Regeln erzielt, sondern durch die Fähigkeit, eigene, vertrauenswürdige und wettbewerbsfähige Alternativen aufzubauen.
Wie die Omnibus-Debatte aufzeigt, dass europäische Digitalpolitik zwischen Industrieinteressen und Grundrechten zerrieben wird
Der Verdacht, dass der Digital-Omnibus maßgeblich unter dem Einfluss der US-Regierung und amerikanischer Technologiekonzerne entstanden ist, verweist auf die geopolitische Dimension der Debatte. Im globalen KI-Wettlauf sind Datenströme, Modellzugriffe und Cloud-Infrastrukturen strategische Ressourcen. Für die USA, deren Digitalwirtschaft in hohem Maße von der Verwertung europäischer Nutzerdaten profitiert, ist ein flexiblerer europäischer Rechtsrahmen von großem Interesse.
Ein Omnibus, der europäische Datenschutzstandards aufweicht, senkt indirekt die Hürden für Datentransfers, Trainingskooperationen und die Integration europäischer Daten in globale KI-Modelle. Selbst wenn formale Übermittlungsregeln – etwa im Rahmen transatlantischer Datenabkommen – bestehen bleiben, reduziert eine Entschärfung der inner-europäischen Schutzmechanismen den politischen und regulatorischen Druck, solche Transfers tatsächlich restriktiv zu handhaben.
Gleichzeitig sendet Europa damit ein ambivalentes Signal an andere Weltregionen. Bisher wurde die DSGVO häufig als globaler Referenzstandard betrachtet; zahlreiche Staaten haben ihre Datenschutzgesetze an ihr orientiert. Wird nun sichtbar, dass die EU selbst bereit ist, zentrale Prinzipien zugunsten von KI-Industrieinteressen zu relativieren, schwächt dies ihre normative Führungsrolle. Andere Länder könnten daraus ableiten, dass strikte Datenschutzrahmen letztlich doch dem wirtschaftlichen Realismus geopfert werden – mit der Folge, dass globale Schutzstandards insgesamt erodieren.
Aus einer machtpolitischen Perspektive steht Europa damit vor einem Dilemma: Hält es an einem strengen Grundrechtsrahmen fest, riskiert es kurzfristig Standortnachteile im KI-Wettbewerb. Gibt es diese Strenge schrittweise auf, gewinnt es möglicherweise etwas mehr Flexibilität, verliert aber seine Identität als Schutzmacht der digitalen Selbstbestimmung. Der Digital-Omnibus, wie er derzeit angelegt ist, versucht, dieses Dilemma durch Ambivalenz zu überbrücken: Nach außen wird an Grundwerten festgehalten, im Detail aber werden Schlupflöcher und Ausnahmen geschaffen, die faktisch eine weitreichende Datennutzung erlauben. Ökonomisch führt das jedoch nicht zu Klarheit, sondern zu einem hybriden System, in dem Unsicherheit zum Dauerzustand wird.
Zwei Pfade für Europas digitalen Wirtschaftsraum und ihre mittel- bis langfristigen Folgen
Um die ökonomische Tragweite des Digital-Omnibus einzuordnen, lohnt es, zwei grobe Szenarien zu skizzieren: eine Umsetzung des Entwurfs in weitgehender Kontinuität zur jetzigen Fassung und eine Variante, in der zentrale Kritikpunkte aufgegriffen und der Kurs spürbar korrigiert wird.
Im ersten Szenario würde KI-Training und -Betrieb als berechtigtes Interesse breit anerkannt, sensible Daten würden unter vagen Schutzauflagen häufiger in Trainingspipelines einfließen, und wesentliche Schutzmechanismen würden nur in Erwägungsgründen vermerkt. Kurzfristig könnten einige europäische Unternehmen – vor allem jene mit bereits umfangreichen Datenbeständen – davon profitieren, weil rechtliche Risiken als abgefedert wahrgenommen werden. Investoren würden in bestimmten Segmenten neue Wachstumschancen sehen, gerade im Bereich generativer Modelle, personalisierter Werbung, Gesundheits- und FinTech-Anwendungen.
Mittelfristig jedoch würden sich die eingangs beschriebenen Nebenwirkungen verstärken: Konzentrationseffekte zugunsten globaler Plattformkonzerne, schwindendes Nutzervertrauen, steigende gesellschaftliche Konflikte um diskretionäre Datennutzung und ein wachsender Druck auf Politik und Regulierer, Fehlentwicklungen im Nachhinein zu korrigieren. Die Rechtsunsicherheit würde nicht verschwinden, sondern sich lediglich verlagern: Statt einzelner klarer Verbote wären es unzählige Streitfälle um Grenzbereiche, in denen Gerichte über Jahre hinweg Präzedenz schaffen müssten. Für Unternehmen entstünde damit ein volatil interpretierbares Risiko – die vermeintliche Entlastung würde sich als trügerisch erweisen.
Im alternativen Szenario würde der Omnibus zwar weiterhin auf Vereinfachung und Harmonisierung zielen, aber an entscheidenden Punkten nachgeschärft. Artikel 88c würde auf eine eng gefasste, spezialgesetzliche Grundlage für KI-Training zurückgeführt, die Datensparsamkeit, Zweckbindung und Betroffenenrechte ausdrücklich bekräftigt. Sensible Daten würden nur unter klaren, hochschwelligen Bedingungen nutzbar, und wesentliche Schutzmechanismen würden im Normtext verankert statt in Erwägungsgründen versteckt. Gleichzeitig würde der Gesetzgeber gezielt Instrumente schaffen, um KMU in der DSGVO-konformen Nutzung von Daten zu unterstützen – etwa durch standardisierte Leitlinien, Zertifizierungen oder technische Referenzarchitekturen.
Kurzfristig wäre dieses Szenario für einige Geschäftsmodelle unbequemer; bestimmte datenintensive KI-Projekte müssten neu konzipiert oder mit anderen Datenarchitekturen ausgestattet werden. Langfristig jedoch könnte sich ein stabileres, vertrauensbasierteres Ökosystem entwickeln, in dem Innovation nicht im Schatten rechtlicher Grauzonen gedeiht, sondern entlang klarer, verlässlicher Leitplanken. Für europäische Anbieter ergäbe sich die Chance, ein Profil als Anbieter „vertrauenswürdiger KI“ mit nachvollziehbaren Garantien zu entwickeln – ein Profil, das sowohl auf Konsumenten- als auch auf B2B-Märkten zunehmend nachgefragt wird.
Warum jetzt eine offene Auseinandersetzung mit dem Kernkonflikt zwischen Innovation und Grundrechten nötig ist
Da der Digital-Omnibus nun im EU-Rat und im Europäischen Parlament beraten wird, liegt die Verantwortung für Korrekturen nicht mehr bei der Kommission allein. Zivilgesellschaftliche Akteure, Verbraucherschützer und Datenschützer haben deutlich gemacht, dass sie den Entwurf als systemische Gefahr für das europäische Datenschutzmodell sehen. Die Politik steht vor der Wahl, ob sie diese Einwände ernsthaft aufnimmt oder unter dem Druck von Lobbyinteressen marginalisiert.
Wirtschaftlich ist die Versuchung groß, kurzfristige Entlastungssignale an Unternehmen zu senden – insbesondere in einer Phase, in der die EU im globalen KI-Wettlauf als zu schwerfällig und regulierungsfixiert kritisiert wird. Doch es wäre ein strategischer Fehler, aus dieser Kritik heraus den Kern des europäischen Erfolgsmodells im digitalen Raum zu opfern: die Verbindung aus Marktöffnung, Grundrechtsschutz und normativer Führungsrolle. Ein digitaler Binnenmarkt, der zwar formal harmonisiert, inhaltlich aber erkennbar dereguliert ist, würde langfristig weder Investitionen noch gesellschaftliche Akzeptanz sichern.
Stattdessen braucht es eine explizite politische Debatte über den zulässigen Rahmen der Datennutzung für KI. Dazu gehört die Anerkennung, dass Innovation in datenintensiven Bereichen nicht grenzenlos sein kann, ohne grundlegende Freiheitsrechte zu erodieren. Ebenso gehört dazu die Einsicht, dass Datenschutz nicht nur ein Kostenfaktor, sondern ein Standortvorteil sein kann, wenn er mit kluger Industrie- und Innovationspolitik verbunden wird. Dieser Ansatz verlangt mehr als kosmetische Präzisierungen im Omnibus-Entwurf; er erfordert eine bewusste Entscheidung für ein europäisches KI-Modell, das sich von der Logik des ungebremsten Datenkapitalismus unterscheidet.
Europas digitale Zukunft entscheidet sich nicht an der Frage, ob KI „ermöglicht“ wird – sondern wie
Warum der Digital-Omnibus in seiner aktuellen Ausrichtung riskanter ist als der Mut zu einer strengeren, klareren KI-Datenordnung
Der digitale EU-Omnibus ist mehr als ein technisches Vereinfachungspaket. Er ist ein Lackmustest dafür, ob Europa bereit ist, das eigene Datenschutzversprechen zugunsten eines vermeintlich schnelleren KI-Fortschritts aufzuweichen. Die geplante Privilegierung von KI-Datenverarbeitung über Artikel 88c, die relative Entwertung der Prinzipien von Datensparsamkeit und Zweckbindung, die Aufweichung des Schutzes sensibler Daten und die Verlagerung wichtiger Sicherungsmechanismen in Erwägungsgründe sind keine marginalen Detailfragen, sondern Ausdruck einer grundlegenden Richtungsentscheidung.
Ökonomisch spricht viel dafür, dass ein solcher Kurs vor allem jene stärkt, die bereits über Macht, Daten und Infrastruktur verfügen, während er europäische KMU, Verbraucher und demokratische Institutionen schwächt. Vertrauen wird als Produktionsfaktor unterschätzt, Regulierung wird als Bürde missverstanden, und die realen Wettbewerbsvorteile eines wertebasierten digitalen Ökosystems werden verspielt. Kurzfristige Erleichterungen für KI-Konzerne werden so mit langfristigen Risiken für die gesellschaftliche Stabilität, die Wettbewerbsordnung und die digitale Souveränität Europas erkauft.
Eine alternative, anspruchsvollere Strategie würde nicht darauf setzen, KI um jeden Preis zu beschleunigen, sondern auf klare, strenge und zugleich innovationskompatible Regeln für Datennutzung, Trainingsprozesse und Betroffenenrechte. Sie würde Minderjährige und andere verletzliche Gruppen besonders schützen, Big Tech nicht durch Schlupflöcher bevorzugen und das Vertrauen der Bürger als strategische Ressource behandeln. Vor allem aber würde sie anerkennen, dass in einer digitalisierten Ökonomie Grundrechte keine verhandelbaren Randbedingungen sind, sondern die Infrastruktur, auf der jede Form legitimer Wertschöpfung aufbaut.
Der Digital-Omnibus in seiner jetzigen Form bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung. Wenn Parlament und Rat ihn unverändert durchwinken, wäre dies nicht nur eine juristische, sondern auch eine ökonomische und politische Weichenstellung: Europa würde ein Stück seiner Rolle als globaler Taktgeber für einen verantwortlichen, grundrechtsbasierten Umgang mit Daten abgeben – und sich näher an ein Modell heranbewegen, in dem KI-Entwicklung vor allem als Legitimation für immer weitergehende Datenausbeutung dient. Die Debatte um den Omnibus ist damit kein technisches Detail, sondern ein zentraler Schauplatz, an dem sich entscheidet, welche digitale Ordnung Europa im 21. Jahrhundert vertreten will.
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