In letzter Zeit wurde viel über die Amazon-Drohne diskutiert, doch jetzt ist es der Logistik-Dienstleister DHL, der ein Pilotprojekt zum Transport von Waren per Drohne startet. Vorerst zu Forschungszwecken werden in einem mehrmonatigen Versuchsprojekt Arzneimittel zu einer Apotheke auf die Insel Juist geflogen. Zum bisher ersten und einzigen Mal in Europa ist es dadurch möglich, ein unbemanntes Luftfahrzeug ohne direkten Sichtkontakt eines Piloten unter realen Bedingungen zu betreiben und zu testen.
Der sogenannte DHL-Paketkopter ist eine gemeinsam von dem Institut für Flugsystemdynamik der RWTH Aachen und der Firma Microdrones entwickelte Drohne. Zu den Spezialgebieten der RWTH Aachen gehört die Forschung nach dem sicheren und robusten Betrieb von unbemannten Luftfahrzeugen für unterschiedlichste Aufgaben unter schwierigen Umgebungs- und Wetterbedingungen. Die Microdrones GmbH aus Siegen zählt zu den führenden Anbietern autonom fliegender Helikopter und entwickelte den Paketkopter auf Basis eigener, bereits realisierter Fluggeräte.
Das für DHL genutzte System ist ein sogenannter Quadrocopter, der mit vier, auf einer Ebene angeordneten Rotoren operiert. Sein Gesamtgewicht liegt bei unter fünf Kilo. Für die bis zu 1,2 Kilo schwere Nutzlast wurde in Leichtbauweise ein tropfenförmiger, wetter- und wasserfester Behälter entwickelt, der unter dem Kohlefaser-Chassis des Paketkopters befestigt wird.
Vorerst wird der Betrieb an allen Wochentagen durchgeführt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Zeiten, in denen keine alternative Verbindungen per Flugzeug oder Fähre auf die Insel verfügbar sind.
Dort erfolgt die Landung auf einem speziell für den Kopter vorgesehenen Start- und Landeplatz, von wo aus die Ware durch den DHL-Zusteller dem Empfänger zugestellt wird.
Damit sich das Fluggerät sicher durch die Luft bewegt und stets punktgenau landet, wurde ein Autopilot mit automatischer Start- und Landefunktion entwickelt, der robust und zuverlässig arbeitet. Unterstützt wird das Gerät dabei von GPS-Technik der neuesten Generation.
Im Vorfeld wurde der Helikopter umfangreichen Tests unterzogen. Seit dem Jungfernflug des Paketkopters im Dezember wurde das Gerät ständig weiterentwickelt und so in Bezug auf Robustheit, Reichweite und Geschwindigkeit optimiert. Angesichts der besonderen klimatischen Herausforderungen an der Nordseeküste war die Resistenz des Fluggeräts gegen Regen, Schnee und Staub eine wichtige Voraussetzung für die Zulassung des Testbetriebs durch die Flugsicherung. Zu den technischen Neuerungen des kleinen Helikopters zählen die verlängerte Flugfähigkeit und größere Reichweite. Denn erst dadurch wurde es ermöglicht, die insgesamt etwa 12 Kilometer lange Strecke von der niedersächsischen Hafenstadt Norden zur Insel Juist zu bewältigen. Der Paketkopter wird dabei in etwa 50 Meter Höhe fliegen und soll je nach Windbedingungen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 18 Metern pro Sekunde unterwegs sein. Die maximale Flugzeit des Paketkopters wird mit 45 Minuten angegeben. Dabei läuft der Flug erstmals vollkommen autonom ab; ist also ein steuerndes Eingreifen eines Piloten zu keiner Zeit erforderlich. Allerdings wird der Flug des Paketkopters während der Testphase aus Sicherheitsgründen permanent von einer mobilen Bodenstation in Norddeich überwacht, um bei eventuellen auftretenden Störungen unverzüglich unterstützend eingreifen zu können.
Bis vorerst zum Jahresende wird dieser weltweit erstmalige Feldversuch durchgeführt. „Unser DHL-Paketkopter 2.0 ist schon jetzt eines der sichersten und zuverlässigsten Flugsysteme seiner Klasse, der die Anforderungen für einen solchen Anwendungsfall erfüllt. Erstmals darf mit dem DHL Paketkopter ein unbemanntes Luftfahrzeug außerhalb der Sichtweite des Piloten in der realen Welt eine Transportaufgabe erledigen“, betonte der bei DHL für die technische Innovation zuständige Vorstand Jürgen Gerdes.
Konkrete, über den Testbetrieb hinausgehende Einsatzpläne für den Paketkopter gibt es zur Zeit noch nicht. Sofern technisch realisierbar und ökonomisch sinnvoll, ist laut DHL in Zukunft allerdings ein Einsatz der Drohnen für die Zustellung besonders eiliger Güter in dünn besiedelten oder schlecht erreichbaren Gebieten sowie bei der Notfallversorgung denkbar.
Doch unabhängig davon, ob und wann der Startschuss für den Einsatz gegeben wird, allein mit dem Testbetrieb hat DHL es geschafft, das Thema Drohnen im Logistik-Bereich wieder in den Fokus des öffentlichen Interesses zu rücken. Und das mit einem realistischen Betrieb, lange bevor Amazon sein viel diskutiertes Projekt überhaupt an den Start gebracht hat.