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Chirurgische Eingriffe mit der Augmented Reality Datenbrille – Die App führt MRT-Bild mit der realen OP-Situation zusammen

Die App für die neurochirurgische Spatial Navigation an einem Modellkopf. Der operierende Arzt kann sein Instrument dank der in einer Standard-Datenbrille visualisierten, realen und virtuel erweiterte Informationen (Augmented Reality) sicher führen und die Verletzungsgefahr für Patientinnen und Patienten minimieren

Die App für die neurochirurgische Spatial Navigation an einem Modellkopf. Der operierende Arzt kann sein Instrument dank der in einer Standard-Datenbrille visualisierten, realen und virtuel erweiterte Informationen (Augmented Reality) sicher führen und die Verletzungsgefahr für Patientinnen und Patienten minimieren – Bild: Fraunhofer IWU

Bald Realität im Operationssaal: Standard-Datenbrillen für die 'Navigation' bei neurochirurgischen Eingriffen

Revolution in der Neurochirurgie: Augmented Reality Datenbrillen als Navigationssystem im OP

Die Medizin schreitet unaufhaltsam voran, und ein besonders spannendes Feld ist die Integration von Augmented Reality (AR) in den Operationssaal. Hierbei geht es nicht um Science-Fiction, sondern um eine Realität, die in greifbare Nähe rückt und das Potenzial hat, chirurgische Eingriffe sicherer, präziser und schonender für Patientinnen und Patienten zu gestalten. Insbesondere die Neurochirurgie, ein Bereich, der aufgrund der Komplexität des Gehirns höchste Präzision erfordert, profitiert maßgeblich von diesen technologischen Fortschritten.

Ein vielversprechender Ansatz ist die Verwendung von Datenbrillen, die in Echtzeit präoperative Bilddaten, wie beispielsweise aus der Magnetresonanztomographie (MRT), mit dem realen Operationsfeld überlagern. Diese Technologie ermöglicht es dem Chirurgen, quasi „durch den Körper“ des Patienten zu sehen und somit einen genaueren Einblick in die zu operierende Region zu erhalten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Navigationssystemen, die oft sperrig und teuer sind, eröffnen AR-Datenbrillen eine neue Dimension der räumlichen Orientierung im Operationssaal. Dies ist besonders relevant bei Eingriffen, bei denen der Zugang zum Operationsfeld begrenzt ist, wie beispielsweise bei Operationen von Hirntumoren, die über die Nase erfolgen. Die minimalinvasive Methode wird durch die verbesserte Visualisierung durch die AR-Brille unterstützt, was potenziell zu geringeren Gewebeschäden, kürzeren Genesungszeiten und reduzierten Komplikationen führen kann.

Die App als Schlüssel zur präzisen Navigation

Das Herzstück dieser innovativen Technologie ist eine speziell entwickelte App, die das vor der Operation erstellte MRT-Bild mit der Echtzeit-Ansicht des Operationsfeldes synchronisiert. Diese Entwicklung ist das Ergebnis jahrelanger Forschungs- und Entwicklungsarbeit einer Kollaboration zwischen der Forschergruppe LEGEND der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Leipzig (UKL) und dem Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Zittau. Die App fungiert quasi als ein „GPS-System“ für den Chirurgen, indem sie ihm nicht nur die Position des Operationsziels anzeigt, sondern auch den optimalen, sprich schonendsten, Zugangsweg. Diese Form der Navigationshilfe ist eine deutliche Verbesserung gegenüber bisherigen Methoden, die sich auf statische Bilddaten und das räumliche Vorstellungsvermögen des Chirurgen verließen.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil dieser neuen Technologie ist die Möglichkeit, chirurgische Instrumente in das Navigationssystem zu integrieren. Durch die präzise Erfassung der Position der Instrumente in Echtzeit und deren Darstellung in der Datenbrille kann der Chirurg diese noch gezielter und sicherer führen. Diese Echtzeitdarstellung, die durch die App ermöglicht wird, minimiert das Risiko von Fehlern und ermöglicht es dem Chirurgen, seine Bewegungen exakt zu planen und umzusetzen. Zusätzlich werden wichtige Zusatzinformationen, wie die Entfernung zum Zielgebiet, direkt im Sichtfeld des Chirurgen eingeblendet, wodurch der Informationsfluss optimiert und eine schnelle und sichere Reaktion ermöglicht wird. Dies erhöht nicht nur die Sicherheit des Eingriffs, sondern verkürzt auch potenziell die Operationszeit, was zu einer Entlastung des Patienten und des medizinischen Personals führt.

Präzision in Echtzeit: Ein Quantensprung in der Neurochirurgie

Eine der bemerkenswertesten Errungenschaften der Forschungsgruppe ist die nahezu verzögerungsfreie Betriebsbereitschaft des Systems. „Unserem Team ist mit einer vollautomatisierten Registrierung bei der neurochirurgischen Spatial Computing Navigation ein weltweites Novum gelungen“, so PD Dr. habil. Ronny Grunert, der wissenschaftliche Mitarbeiter am Fraunhofer IWU und Leiter der Forschungsgruppe »Legend« am UKL, begeistert berichtet. „Binnen einer Sekunde ist die Kalibrierung und Registrierung abgeschlossen und die Navigation zur Echtzeiterkennung der Instrumenten-Position startklar. Das entwickelte System ist sehr intuitiv bedienbar und kommt dem Gebrauch einer GPS-Assistenz sehr nahe.“ Diese Schnelligkeit und Intuition sind entscheidend, um den Arbeitsfluss im Operationssaal nicht zu stören und den Chirurgen eine intuitive und zuverlässige Navigationshilfe zu bieten.

Ein weiteres wichtiges Detail ist die Benutzerfreundlichkeit des Systems. Das User-Interface wurde von Medizinern für Mediziner entwickelt und ist auf die Anzeige der wesentlichen Informationen beschränkt, wodurch Bedienungsfehler minimiert werden. Ein Beispiel für die klare Darstellungslogik ist ein grünes Fadenkreuz, das die Position der Instrumentenspitze anzeigt und perfekt in das MRT-Bild integriert ist, das in der Datenbrille eingeblendet wird. Diese klare und übersichtliche Darstellung ist ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz und den Erfolg des Systems im Operationssaal, da sich die Chirurgen auf das Wesentliche konzentrieren können – die erfolgreiche Durchführung der Operation.

Wirtschaftlichkeit und Zugänglichkeit: Eine Revolution für alle

Neben der technischen Innovation ist ein weiterer zentraler Aspekt dieses Projekts die Wirtschaftlichkeit und die damit einhergehende Zugänglichkeit der Technologie. Während herkömmliche, für den Einsatz in Kliniken geeignete Navigationssysteme in der Neurochirurgie oft mehrere hunderttausend Euro kosten, setzt die Entwicklungsgruppe auf Standard-Datenbrillen, deren Preise im Consumer-Bereich angesiedelt sind. „Diese Brillen kosten einen Bruchteil computergestützter Navigationssysteme für die Neurochirurgie,“ erklärt Grunert. Diese Kostenreduktion ist ein entscheidender Schritt, um die Technologie nicht nur finanzstarken Gesundheitssystemen und Einrichtungen zugänglich zu machen, sondern auch in Ländern und Regionen mit begrenzten Ressourcen. Durch diese Demokratisierung der Technologie können mehr Patientinnen und Patienten von den Vorteilen einer präzisen und schonenden neurochirurgischen Behandlung profitieren.

Die Entwicklung des Handstücks, das die Instrumente aufnimmt und deren exakte Positionsbestimmung ermöglicht, ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt des Projekts. Am Fraunhofer IWU wurden spezielle Marker entwickelt, deren Geometrien und Muster von der Datenbrille erkannt werden. Diese Marker können in verschiedenen Formen wie Kugeln, Quader oder andere Körper auftreten und dienen dazu, die Position der Instrumente im dreidimensionalen Raum zu erfassen. Die Kunststoff-Handstücke werden in Zittau und Leipzig im 3D-Druckverfahren gefertigt, was eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse der Chirurgen ermöglicht.

Der Weg in die klinische Praxis: Ein Ausblick

Der erste Pilotkurs für das Training am anatomischen Modell fand bereits im Herbst 2024 am UKL statt. Dieser Schritt ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur klinischen Anwendung der Technologie. Im nächsten Schritt konzentriert sich das Team auf die Fertigstellung des Prototyps, der dann den Zulassungsprozess gemäß der Medical Device Regulation (Medizinprodukte-Verordnung) für den europäischen Markt bzw. entsprechend den Vorschriften der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA für die USA durchlaufen muss. Ziel ist es, das System in etwa zwei Jahren am Patienten einsetzen zu können.

Die Entwicklung von AR-gestützten Navigationssystemen für die Neurochirurgie ist nicht nur ein technologischer Fortschritt, sondern auch ein Paradigmenwechsel in der medizinischen Praxis. Die Integration von Echtzeit-Bilddaten, präziser Instrumentenführung und wirtschaftlicher Lösungen hat das Potenzial, die neurochirurgische Behandlung grundlegend zu verändern und sie sicherer, präziser und zugänglicher zu machen. Die Vision einer Zukunft, in der innovative Technologien wie AR-Datenbrillen zum Standard im Operationssaal gehören, rückt mit jedem Schritt dieser Entwicklung näher. Dies eröffnet nicht nur neue Perspektiven für Ärzte und Chirurgen, sondern vor allem für Patientinnen und Patienten, die von einer verbesserten Behandlungsqualität und einem schonenderen Eingriff profitieren können. Die Zukunft der Neurochirurgie hat mit dieser Technologie eine aufregende Richtung eingeschlagen, in der Präzision und Innovation Hand in Hand gehen.

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