Veröffentlicht am: 11. Juni 2025 / Update vom: 11. Juni 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein
Cloud Hyperscaler: Analyse der Kritik von SAP-Chef Christian Klein und die europäischen Innovationspotenziale – Bild: Xpert.Digital
Digitale Unabhängigkeit Europas: Warum Christian Kleins Rechenzentren-Skepsis zu kurz greift
Europäische Cloud-Souveränität: Kleins provokante Hyperscaler-Kritik und die Realität der EU-Digitalstrategie
SAP-Chef Christian Klein hat mit seiner provokanten Aussage über europäische Rechenzentren-Ambitionen eine wichtige Debatte über die digitale Souveränität Europas angestoßen. Seine Einschätzung, dass “viele neue Rechenzentren mit EU-Förderung in Europa kein Gegengewicht zu den US-Hyperscalern schaffen werden”, verdient eine differenzierte Betrachtung. Während Klein’s Kritik an unkoordinierten Infrastrukturinvestitionen berechtigt ist, übersieht sie die spezifischen Stärken und innovativen Ansätze, mit denen Europa durchaus wettbewerbsfähige Alternativen entwickelt. Die europäische Cloud-Strategie basiert nicht primär auf dem Versuch, die schiere Größe amerikanischer Hyperscaler zu replizieren, sondern auf nachhaltigen, datenschutzkonformen und interoperablen Lösungen, die durch Initiativen wie Gaia-X, spezialisierte High-Performance-Computing-Projekte und innovative Geschäftsmodelle europäischer Anbieter vorangetrieben werden.
Passend dazu:
Klein’s Kritik im Kontext der europäischen Realitäten
Christian Klein’s drastische Warnung vor europäischen Rechenzentren-Projekten spiegelt durchaus reale Herausforderungen wider. Seine Aussage, dass “die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autoindustrie oder der Chemie-Industrie nicht dadurch erreicht wird, dass man 20 verschiedene Rechenzentren in Frankreich baut”, trifft einen wichtigen Punkt bezüglich der Effizienz von Ressourcenallokation. Klein argumentiert, dass Europa seine Stärken in der Anwendung von KI und intelligenter Software ausspielen sollte, anstatt sich in kostspielige Infrastruktur-Schlachten zu verstricken.
Die Energiekosten stellen tatsächlich eine erhebliche Herausforderung dar. Laut EU-Kommission betrug der Energieverbrauch von Rechenzentren in der Europäischen Union 2018 bereits 76,8 TWh und wird bis 2030 voraussichtlich um 28% auf 98,5 TWh ansteigen. Diese Zahlen unterstreichen Klein’s Argument über die Kostennachteile europäischer Standorte. SAP selbst bleibt “komplett Infrastruktur-agnostisch” und bietet verschiedene Sicherheitsstufen, ohne sich an Hardware-Schlachten zu beteiligen.
Dennoch zeigt Klein’s eigene Unternehmensstrategie die Ambivalenz seiner Position auf. Trotz seiner öffentlichen Kritik plant SAP gemeinsam mit der Deutschen Telekom, IONOS, der Schwarz Gruppe und Siemens eine gemeinsame Bewerbung bei der EU für “riesige Rechenzentren für KI-Anwendungen”. Diese scheinbare Widersprüchlichkeit deutet darauf hin, dass auch Klein die Notwendigkeit strategischer europäischer Infrastruktur-Investitionen anerkennt, wenn sie koordiniert und zweckmäßig erfolgen.
Passend dazu:
- AI Action Summit in Paris: Erwachen der europäischen Strategie für KI – “Stargate KI Europa” auch für Startups?
Europäische Differenzierungsstrategien und Wettbewerbsvorteile
Europa verfolgt bewusst eine andere Strategie als die amerikanischen Hyperscaler, die auf Differenzierung durch Regulierung, Nachhaltigkeit und Datensouveränität setzt. Die Gaia-X Initiative exemplifiziert diesen Ansatz perfekt. Entgegen weit verbreiteter Missverständnisse ist Gaia-X “keine europäische Cloud im Sinne eines monolithischen Hyperscalers, sondern ein Rahmenwerk, das eine einheitliche Architektur für Infrastruktur, Standards und Regeln setzt”.
Das Gaia-X-Konzept zielt darauf ab, Lock-in-Effekte zu vermeiden und eine “wettbewerbsorientierte, faire und vertrauenswürdige Datenökonomie” zu schaffen. Diese Herangehensweise schafft Mehrwerte durch die “Reduktion von Abhängigkeiten” und ermöglicht es Unternehmen, “sich aus Lock-in-Effekten zu befreien und ihre Daten zwischen konkurrierenden Anbietern zu wechseln”. Die Initiative setzt auf “dezentrale Infrastruktur anstelle von Plattformmonopolen” und stellt damit eine Alternative zum amerikanischen Plattform-Kapitalismus dar.
Europäische Cloud-Anbieter wie OVHcloud und IONOS haben bereits bewiesen, dass alternative Geschäftsmodelle funktionieren können. OVHcloud wirbt mit “fairen, transparenten und berechenbaren Preisen ohne Gebühren für ein- und ausgehende Datenübertragungen” und verspricht “keine Kompromisse” bei Technologie und Preis-Leistungs-Verhältnis. Das Unternehmen stellt seine eigenen Server her und betreibt über 30 eigene Rechenzentren weltweit, was eine vollständige Kontrolle über die Wertschöpfungskette ermöglicht.
Die Sovereign European Cloud API (SECA), initiiert von Aruba, IONOS und Dynamo, zeigt weitere Innovationskraft. Diese “offene Cloud-Industriestandard-API-Spezifikation” fördert “digitale Souveränität und Unabhängigkeit europäischer Unternehmen” durch verbesserte “Interoperabilität, Skalierbarkeit und Sicherheit”. SECA ermöglicht es Unternehmen, “Workloads und Anwendungen nahtlos in verschiedenen Cloud-Umgebungen ihrer Wahl bereitzustellen”, während gleichzeitig “ein Höchstmaß an Sicherheit, Kontrolle und Datenhoheit” gewahrt bleibt.
Technologische Souveränität durch High-Performance Computing
Während Klein vor übertriebenen Rechenzentren-Ambitionen warnt, demonstriert Europas Erfolg im High-Performance Computing das Potenzial koordinierter Technologie-Investitionen. Der JUPITER Supercomputer am Forschungszentrum Jülich ist ein beeindruckendes Beispiel für europäische Innovationskraft. Als “schnellster Supercomputer in Europa” rangiert JUPITER auf Platz 4 der weltweiten TOP500-Liste und ist gleichzeitig “das energieeffizienteste System unter den Top 5”.
JUPITER’s Bedeutung geht weit über technische Spezifikationen hinaus. Mit seiner “enormen Rechenkapazität eröffnet JUPITER neue Möglichkeiten in vielfältigen Anwendungsfeldern” von Klimasimulation bis zur Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme. Das System kann “größte KI-Modelle (Large Language Models) trainieren – bei voller Auslastung benötigt JUPITER dafür weniger als eine Woche”.
Das EuroHPC Joint Undertaking zeigt, wie strategische europäische Kooperation funktionieren kann. Diese Initiative “bündelt die Ressourcen der Europäischen Union, 32 europäischer Länder und drei privater Partner mit dem Ziel, Europa zu einem Weltmarktführer im Supercomputing zu machen”. Mit einem aufgestockten Budget von 8 Milliarden Euro hat EuroHPC bereits “fünf Peta-Supercomputer erworben, die in der Lage sind, mindestens 10^15 Berechnungen pro Sekunde durchzuführen”.
Nachhaltigkeit als strategischer Wettbewerbsvorteil
Ein Bereich, in dem Europa klare Vorteile gegenüber amerikanischen Hyperscalern entwickelt, ist die Nachhaltigkeit. Die EU-Kommission hat mit ihrer delegierten Verordnung zur Energieeffizienz-Richtlinie “Effizienzvorgaben für Rechenzentren” geschaffen, die “ein gemeinsames EU-Bewertungssystem” etablieren. Dieses System soll “Betreibern Anreize zur Steigerung der Energieeffizienz geben” und “zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien, zur Nutzung von Abwärme und zur Steigerung der Effizienz des Stromnetzes” beitragen.
Das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) verpflichtet Rechenzentren-Betreiber, “ihren Stromverbrauch ab 2027 bilanziell zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken”. Diese regulatorischen Vorgaben schaffen nicht nur Umweltvorteile, sondern auch Wettbewerbsvorteile für europäische Anbieter, die frühzeitig in nachhaltige Technologien investiert haben.
Wissenschaftler des Öko-Instituts und des Fraunhofer IZM haben “erstmals eine ganzheitliche Methodik entwickelt, die den Umweltfußabdruck von Cloud-Diensten über den gesamten Lebenszyklus erfasst”. Diese Transparenz ermöglicht es europäischen Anbietern, sich durch nachweislich geringere Umweltauswirkungen zu differenzieren. Die Studien zeigen bereits “eine große Bandbreite” bei CO2-Emissionen verschiedener Anbieter, was Raum für Wettbewerbsvorteile durch Effizienz schafft.
Regulierung als Innovationstreiber und Marktdifferenzierung
Klein’s Kritik an europäischer Regulierung übersieht deren innovationsfördernde Wirkung. Die DSGVO und andere europäische Datenschutzgesetze haben nicht nur den Schutz persönlicher Daten gestärkt, sondern auch neue Geschäftsmodelle und Technologien gefördert. Europäische Cloud-Anbieter können sich durch “echte Datensouveränität” differenzieren, die sich “belegen” lässt.
Der US Cloud Act stellt für amerikanische Anbieter ein strukturelles Problem dar, da “US-Behörden durch den Cloud Act über Behörden wie die NSA, CIA oder das FBI den Zugriff auf Daten außerhalb der USA anordnen können”. Diese rechtliche Unsicherheit schafft Marktchancen für europäische Anbieter, die “maximal mehr Schutz vor solchen Vorschriften” bieten können.
IONOS als “Day-1 Member” von Gaia-X bringt bereits “jahrelange Erfahrung im harten Alltagsbetrieb einer IaaS-Cloud” ein und bietet “mit dem IONOS High Performance Cloud Stack eine auf Gaia-X bestens vorbereitete Basis für souveränes Cloud Computing”. Diese Positionierung zeigt, wie europäische Unternehmen regulatorische Anforderungen in Wettbewerbsvorteile umwandeln können.
Passend dazu:
- IONOS und Nextcloud Workspace: Deutsche Alternative zu Microsoft 365 als Antwort auf digitale Souveränität
Spezialisierung statt Hyperscale-Konkurrenz
Europa’s Stärke liegt nicht in der direkten Konkurrenz zu Hyperscalern, sondern in der Spezialisierung auf spezifische Anwendungsbereiche und Kundenanforderungen. Hyperscale-Rechenzentren sind “außergewöhnlich große und leistungsstarke Einrichtungen”, die “rapide steigende Nachfrage nach Cloud-Computing-Diensten bewältigen”. Ihre Merkmale umfassen “automatisiertes Hochskalieren”, “sehr große hybride Rechenzentren” und “beliebig skalierbare Nutzerzahlen”.
Europäische Anbieter können jedoch durch “höchste Leistung, Skalierbarkeit, Redundanz, Energieeffizienz und modernste Sicherheitsmaßnahmen” konkurrieren, ohne die Größe amerikanischer Hyperscaler erreichen zu müssen. OVHcloud demonstriert dies durch sein Versprechen, “doppelte VPS-Leistung zu noch günstigeren Preisen” anzubieten, während gleichzeitig “Gewissheit in einer von Ungewissheit geprägten Welt” durch “faire, transparente und berechenbare Preise” geschaffen wird.
Die Erfolgsgeschichten europäischer Kunden zeigen das Potenzial spezialisierter Ansätze. Leetify konnte mit OVHcloud “ca. 50% der Kosten einsparen”, während iATROS als “KI-gestützte, zertifizierte Gesundheits-App” die “Daten der Patienten in einer hochsicheren und konformen Public Cloud-Umgebung” schützt.
Europas Weg zu digitaler Souveränität
Klein’s Kritik an unkoordinierten europäischen Rechenzentren-Investitionen ist berechtigt, aber seine Schlussfolgerung zu pessimistisch. Europa entwickelt durchaus wettbewerbsfähige Alternativen zu amerikanischen Hyperscalern, allerdings nicht durch direkte Größenkonkurrenz, sondern durch strategische Differenzierung. Die Kombination aus regulatorischen Vorteilen, nachhaltigen Technologien, Datensouveränität und innovativen Kooperationsmodellen wie Gaia-X schafft einzigartige Marktchancen.
Der Erfolg von JUPITER im High-Performance Computing zeigt, dass Europa durchaus in der Lage ist, technologische Weltspitze zu erreichen, wenn Ressourcen koordiniert und strategisch eingesetzt werden. Die europäische Cloud-Strategie sollte daher nicht als gescheitert betrachtet werden, sondern als bewusste Alternative zu amerikanischen Geschäftsmodellen, die auf Transparenz, Nachhaltigkeit und Datenschutz setzt.
Klein’s eigene Pläne für gemeinsame KI-Rechenzentren zeigen letztendlich, dass auch skeptische Stimmen die Notwendigkeit europäischer Infrastruktur-Investitionen anerkennen. Der Schlüssel liegt in der intelligenten Koordination und Spezialisierung, nicht im Verzicht auf digitale Souveränität. Europa hat durchaus das Potenzial, als innovativer Wettbewerber im globalen Cloud-Markt zu bestehen – wenn es seine spezifischen Stärken konsequent ausspielt.
Passend dazu:
Ihr AI-Transformation, AI-Integration und AI-Plattform Branchenexperte
☑️ Unsere Geschäftssprache ist Englisch oder Deutsch
☑️ NEU: Schriftverkehr in Ihrer Landessprache!
Gerne stehe ich Ihnen und mein Team als persönlicher Berater zur Verfügung.
Sie können mit mir Kontakt aufnehmen, indem Sie hier das Kontaktformular ausfüllen oder rufen Sie mich einfach unter +49 89 89 674 804 (München) an. Meine E-Mail Adresse lautet: wolfenstein∂xpert.digital
Ich freue mich auf unser gemeinsames Projekt.