Veröffentlicht am: 4. Mai 2025 / Update vom: 4. Mai 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein

Datensicherheit und digitale SouverĂ€nitĂ€t in Europa: Sind Microsofts Investitionen in Europa datensicher? – Bild: Xpert.Digital
Warum der Serverstandort keine Garantie fĂŒr Datensicherheit bietet
Microsoft hat kĂŒrzlich umfangreiche Investitionen in Europa angekĂŒndigt, darunter die Sicherung von Quellcode in der Schweiz und die Erweiterung seiner Cloud-Infrastruktur. Diese MaĂnahmen werden als Reaktion auf politische Unsicherheiten und wachsende Bedenken europĂ€ischer Kunden interpretiert. Trotz dieser BemĂŒhungen bleibt ein fundamentaler Konflikt zwischen US-amerikanischem Recht und europĂ€ischen Datenschutzbestimmungen bestehen, der die Frage aufwirft, ob ein europĂ€ischer Serverstandort tatsĂ€chlich ausreichenden Schutz bieten kann. Dieser Bericht analysiert Microsofts Zusicherungen fĂŒr Europa, erlĂ€utert den rechtlichen Konflikt zwischen dem US CLOUD Act und der DSGVO und untersucht, warum der physische Speicherort von Daten allein keine Garantie fĂŒr Datensicherheit und -souverĂ€nitĂ€t darstellt.
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Microsofts neue digitale Zusicherungen fĂŒr Europa
Angesichts der unter der Trump-Regierung gefĂŒhrten HandelskĂ€mpfe und plötzlichen politischen Entscheidungen haben viele europĂ€ische Kunden das Vertrauen in digitale Produkte aus den USA verloren. Microsoft reagiert darauf mit konkreten Zusicherungen und Investitionen in Europa.
Umfangreiche Infrastrukturinvestitionen
Microsoft hat angekĂŒndigt, seine RechenzentrenkapazitĂ€ten in Europa in den nĂ€chsten zwei Jahren um etwa 40 Prozent zu erweitern und auf insgesamt 16 europĂ€ische LĂ€nder auszuweiten. FĂŒr diese Expansion plant das Unternehmen jĂ€hrliche Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe. Diese MaĂnahmen sollen nicht nur die wachsende Nachfrage nach Cloud-Diensten und KI-Infrastruktur bedienen, sondern auch das Vertrauen europĂ€ischer Kunden stĂ€rken.
Brad Smith, Justiziar und PrĂ€sident von Microsoft, betont in seinem Blogbeitrag die enge wirtschaftliche Verbundenheit mit Europa und versichert, dass Microsoft sich nicht aus der Region zurĂŒckziehen werde. Die europĂ€ischen Rechenzentren sollen dabei unabhĂ€ngig agieren und unter der Leitung von EU-BĂŒrgern stehen, wobei europĂ€ische Gesetze respektiert und umgesetzt werden sollen.
Schweizer Quellcode-Sicherung und betriebliche KontinuitÀt
Eine besonders bemerkenswerte Zusicherung ist die Sicherung von Microsofts Quellcodes in der Schweiz. Das Unternehmen erstellt Backups seiner Quellcodes in sicheren Datenspeichern in der Schweiz und gewĂ€hrt europĂ€ischen Partnern rechtskrĂ€ftige Zugangsrechte. Diese MaĂnahme dient als Notfallplan fĂŒr den “unwahrscheinlichen Fall”, dass Microsoft jemals gezwungen werden sollte, seine Dienste in Europa einzustellen.
Microsoft plant zudem, europÀische Partner zu benennen und Notfallvorkehrungen zu treffen, die betriebliche KontinuitÀt garantieren sollen. Dies wird bereits durch Partnerschaften in Frankreich und Deutschland mit den Bleu und Delos Rechenzentren umgesetzt.
Die EU-Datengrenze: Microsofts Antwort auf Datenschutzbedenken
Ein zentraler Bestandteil von Microsofts Strategie in Europa ist die Implementierung der sogenannten “EU-Datengrenze” (EU Data Boundary) fĂŒr die Microsoft Cloud.
Umfassende Datenresidenz innerhalb der EU
Seit Januar 2024 können europĂ€ische Kunden aus dem gewerblichen und öffentlichen Sektor alle ihre Daten und Benutzerkennungen fĂŒr die zentralen Cloud-Dienste von Microsoft â einschlieĂlich Microsoft 365, Dynamics 365, Power Platform und Azure-Dienste â innerhalb der EU und der EFTA-Region speichern und verarbeiten. Im Februar 2025 wurde die dritte und letzte Phase der EU-Datengrenze abgeschlossen, wobei die Grenze auch auf Microsoft Professional Service Daten aus technischen Support-Interaktionen ausgeweitet wurde.
Mit diesem Angebot geht Microsoft einen Schritt weiter als viele andere Cloud-Anbieter: Das Unternehmen ermöglicht nicht nur die lokale Speicherung und Verarbeitung von Kundendaten, sondern auch von allen personenbezogenen Daten, einschlieĂlich solcher aus automatisch erstellten Systemprotokollen.
ZusÀtzliche Sicherheitsoptionen
Microsoft bietet europĂ€ischen Kunden mehrere Optionen zur Sicherung und VerschlĂŒsselung ihrer Daten an. Dazu gehören Confidential Computing in Azure, das verhindert, dass Dritte â einschlieĂlich Microsoft selbst â auf Kundendaten zugreifen können, sowie “Lockbox”-Funktionen fĂŒr Azure, Dynamics 365 und Microsoft 365, mit denen Kunden Anfragen prĂŒfen und genehmigen können, bevor Microsoft auf ihre Daten zugreift.
Weitere Sicherheitsoptionen umfassen Azure Key Vault und Microsoft Purview Customer Key, die es Kunden ermöglichen, ihre Daten mit selbst kontrollierter VerschlĂŒsselungstechnologie zu sichern.
Der fundamentale Konflikt: CLOUD Act versus DSGVO
Trotz aller BemĂŒhungen und Zusicherungen bleibt ein grundlegender rechtlicher Konflikt bestehen, der die Frage aufwirft, ob die Daten europĂ€ischer Unternehmen bei US-amerikanischen Anbietern wirklich sicher sind.
Die extraterritoriale Reichweite des CLOUD Act
Der 2018 in Kraft getretene CLOUD Act (Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act) ermöglicht es US-Strafverfolgungsbehörden, in den USA ansĂ€ssige Unternehmen zu zwingen, Zugang zu Daten zu gewĂ€hren, unabhĂ€ngig davon, wo die Daten physisch gespeichert sind. Dies gilt auch fĂŒr Daten, die in der EU gespeichert, aber von US-Unternehmen oder deren Tochtergesellschaften verwaltet werden.
Das Gesetz verpflichtet amerikanische Internet-Firmen und IT-Dienstleister, US-Behörden auch dann Zugriff auf gespeicherte Daten zu gewĂ€hrleisten, wenn die Speicherung nicht in den USA erfolgt. Den betroffenen Unternehmen steht zwar ein Widerspruchsrecht zu, wenn der EigentĂŒmer der Daten kein US-BĂŒrger ist und das Unternehmen durch die Herausgabe gegen Recht in anderen LĂ€ndern verstoĂen wĂŒrde â allerdings gilt dies nur fĂŒr LĂ€nder, die mit den USA ein Abkommen unter dem CLOUD Act abgeschlossen haben, was aktuell nur auf GroĂbritannien zutrifft.
Der Widerspruch zur DSGVO
Die europĂ€ische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht in direktem Widerspruch zum CLOUD Act. Artikel 48 der DSGVO verbietet Unternehmen die Ăbergabe von innerhalb der EU gesicherten Daten ohne Rechtshilfeabkommen. Ein VerstoĂ gegen diese Bestimmung kann mit BuĂgeldern in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro bzw. vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden.
Diese Unvereinbarkeit von US Cloud Act und EU-Datenschutz-Grundverordnung bringt Unternehmen, die Cloud-Dienste nutzen, in ein unlösbares Dilemma. Sie stehen vor der Wahl, entweder gegen den CLOUD Act oder gegen die DSGVO zu verstoĂen, wobei beides zu erheblichen Sanktionen fĂŒhren kann.
Passend dazu:
Warum der Serverstandort keine Garantie fĂŒr Datensicherheit bietet
Die bloĂe Tatsache, dass Daten auf Servern innerhalb Deutschlands oder der EU gespeichert werden, bietet entgegen der verbreiteten Annahme keinen ausreichenden Schutz vor auslĂ€ndischen Zugriffen.
Der Irrtum der Datensicherheit durch Standortwahl
Die Ăberzeugung, dass Daten auf Servern in Deutschland automatisch vor auslĂ€ndischen Zugriffen geschĂŒtzt sind, wird als “gefĂ€hrlicher Irrtum” bezeichnet. Auch wenn personenbezogene Daten innerhalb von Rechenzentren in der EuropĂ€ischen Union gespeichert werden, kann ein US-amerikanischer Cloud-Anbieter rechtlich verpflichtet sein, diese Daten im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen an US-Behörden weiterzugeben.
Ein konkretes Risiko besteht insbesondere dann, wenn der Cloud-Anbieter seinen Hauptsitz in den USA hat oder dort tĂ€tig ist, die Datenverarbeitung ĂŒber US-Infrastruktur erfolgt oder ein US-Konzern direkten oder indirekten Zugriff auf die Daten hat. In solchen FĂ€llen besteht die Möglichkeit, dass US-Behörden Zugriff auf personenbezogene Daten erhalten, auch ohne Wissen oder Einwilligung der betroffenen Personen in Europa.
Bedrohung fĂŒr geistiges Eigentum und GeschĂ€ftsgeheimnisse
Die Problematik geht weit ĂŒber den Schutz personenbezogener Daten hinaus. Der CLOUD Act birgt reale Risiken, die auch die Sicherheit und Vertraulichkeit aller Arten von sensiblen Daten gefĂ€hrden, einschlieĂlich geistigem Eigentum, F&E-Prototypen, Kundendaten und privater Kommunikation.
Selbst wenn Daten in EU-Rechenzentren gespeichert werden, kann der CLOUD Act US-Unternehmen zwingen, diese Daten an US-Behörden herauszugeben. Das untergrÀbt nicht nur den Schutz durch die DSGVO und die Datenhoheit der EU, sondern setzt auch kritische GeschÀftsinformationen, wie Prototypen oder strategische PlÀne, der Gefahr des unbefugten Zugriffs aus.
Durch die potenziellen Zugriffsmöglichkeiten von US-Behörden “verlieren Unternehmen de facto die Hoheit ĂŒber ihre Angaben und somit ĂŒber ihr geistiges Eigentum”, was besonders fĂŒr GeschĂ€fts- und Betriebsgeheimnisse kritisch ist.
LösungsansĂ€tze fĂŒr mehr DatensouverĂ€nitĂ€t
Angesichts der beschriebenen Problematik stellt sich die Frage, welche MaĂnahmen Unternehmen ergreifen können, um ihre DatensouverĂ€nitĂ€t zu wahren.
Alternative Cloud-Anbieter und technische MaĂnahmen
Ein wirksamer Schutz vor Zugriffen auf Basis des CLOUD Acts ist nur gewĂ€hrleistet, wenn sĂ€mtliche Anbieter und Subdienstleister auĂerhalb des US-Rechts agieren, eine ausschlieĂlich europĂ€ische Infrastruktur genutzt wird und eine Ende-zu-Ende-VerschlĂŒsselung mit ausschlieĂlich nutzerseitiger SchlĂŒsselkontrolle implementiert ist.
Experten empfehlen daher, bei der Auswahl eines Cloud-Speicher- oder Backup-Anbieters folgende VorsichtsmaĂnahmen zu treffen:
- Wahl eines EU-basierten Anbieters, der nicht dem CLOUD Act unterliegt
- Garantien zur DatensouverĂ€nitĂ€t, bei denen sowohl die Daten als auch die VerschlĂŒsselungsschlĂŒssel vollstĂ€ndig innerhalb der EU bleiben
- Hinzuziehen von Rechts- und Compliance-Experten, die auf DSGVO und Datenschutz spezialisiert sind
Alternative AnsÀtze: Open-Source als Strategie
Die Schweiz geht einen interessanten alternativen Weg: Im April 2023 wurde das Bundesgesetz ĂŒber den Einsatz elektronischer Mittel zur ErfĂŒllung von Behördenaufgaben (EMBAG) beschlossen, das vorsieht, dass Regierungssoftware Open Source sein muss und der Quellcode offengelegt werden sollte.
Professor Dr. Matthias StĂŒrmer von der Berner Fachhochschule, der fĂŒr dieses Gesetz kĂ€mpfte, bezeichnet es als “eine groĂe Chance fĂŒr den Staat, die IT-Branche und die Gesellschaft”. Der Ansatz soll die Anbieterbindung fĂŒr den öffentlichen Sektor verringern, es Unternehmen ermöglichen, ihre digitalen GeschĂ€ftslösungen zu erweitern, und potenziell zu geringeren IT-Kosten und besseren Dienstleistungen fĂŒr die Steuerzahler fĂŒhren.
Der Weg zu echter digitaler SouverÀnitÀt
Die Investitionen von Microsoft in Europa und die Implementierung der EU-Datengrenze sind wichtige Schritte in Richtung mehr DatensouverĂ€nitĂ€t fĂŒr europĂ€ische Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. Sie adressieren jedoch nicht vollstĂ€ndig den fundamentalen rechtlichen Konflikt zwischen dem US CLOUD Act und der europĂ€ischen DSGVO.
Die bloĂe Speicherung von Daten auf europĂ€ischen Servern bietet keinen ausreichenden Schutz vor dem potenziellen Zugriff durch US-Behörden, wenn der Cloud-Anbieter US-amerikanischen Gesetzen unterliegt. Dieser Umstand stellt nicht nur den Datenschutz in Frage, sondern bedroht auch geistiges Eigentum und GeschĂ€ftsgeheimnisse europĂ€ischer Unternehmen.
FĂŒr eine echte digitale SouverĂ€nitĂ€t sind daher umfassendere AnsĂ€tze erforderlich, die sowohl rechtliche als auch technische Aspekte berĂŒcksichtigen. Dazu gehören die Nutzung von Cloud-Diensten, die vollstĂ€ndig auĂerhalb der Reichweite des US-Rechts operieren, konsequente Ende-zu-Ende-VerschlĂŒsselung mit nutzerseitiger SchlĂŒsselkontrolle und möglicherweise auch verstĂ€rkte Investitionen in Open-Source-Lösungen.
Letztendlich benötigt Europa eine eigene, unabhĂ€ngige Cloud-Infrastruktur, die nicht nur technisch, sondern auch rechtlich souverĂ€n ist. Bis dahin mĂŒssen Unternehmen und öffentliche Einrichtungen sorgfĂ€ltig abwĂ€gen, welche Daten sie wo und wie speichern â und welchen Anbietern sie vertrauen können.
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