Veröffentlicht am: 20. April 2025 / Update vom: 20. April 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein
Biomimetik in der Mikrorobotik mit RoboBee und Co.: Wie Landetechniken von Insekten die Robotik antreiben – Kreativbild: Xpert.Digital
Von der Natur abgeschaut: Wie die Biomimetik die Grenzen der Robotik verschiebt
Winzige Helfer: Insektenroboter erobern Landwirtschaft, Medizin und mehr
Die Natur hat über Jahrmillionen bemerkenswerte Lösungen für komplexe Herausforderungen entwickelt. Genau diese Effizienz und Eleganz natürlicher Systeme inspiriert Wissenschaftler zunehmend bei der Entwicklung fortschrittlicher Robotertechnologien. Insbesondere im Bereich der Mikrorobotik hat die von Insekten inspirierte Biomimetik zu beeindruckenden Durchbrüchen geführt. Vor allem die jüngsten Fortschritte bei Landetechniken für Mikroroboter, die von Insekten wie Schnaken und Bienen inspiriert sind, demonstrieren eindrucksvoll, wie die Natur als Blaupause für innovative technische Lösungen dienen kann.
Grundlagen der Biomimetik in der Robotik
Biomimetik, auch als Bionik bekannt, beschreibt die systematische Übertragung von Mechanismen und Verfahren aus der Natur auf die Technik. Dieser interdisziplinäre Ansatz findet in Bereichen wie Materialwissenschaften, Robotik, erneuerbarer Energie, Medizin und Informationstechnologie immer mehr Beachtung. Statt die Natur eins zu eins zu kopieren, geht es den Wissenschaftlern darum, die zugrundeliegenden Prinzipien zu verstehen und für technische Anwendungen zu adaptieren.
Ingenieure lassen sich seit jeher von der Natur zu ihren Ideen inspirieren, erklärt Hartmut Witte, Leiter des Fachgebiets Biomechatronik an der TU Ilmenau. Die Bionik dient als Methode, diese Fähigkeit zur Assoziation nicht nur zu fördern und zu systematisieren, sondern auch, um die Grundlage für technische Produktentwicklungen zu erweitern. Die Evolution hat dabei Organismen hervorgebracht, die sich perfekt an ihre Umwelt angepasst haben, und genau diese Anpassungen liefern wertvolle Vorbilder für Innovationen in der Technik.
Bei der Übertragung biologischer Prinzipien auf die Technik wird deutlich, dass wahre Bionik nicht an äußeren Merkmalen erkennbar ist, erklärt Witte. Dabei geht es nicht um die reine Nachahmung der äußeren Form, sondern um die Anpassung der funktionalen Prinzipien, die in der Natur zur Perfektion entwickelt wurden.
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Insekteninspiierte Mikroroboter: Technische Wunderwerke in Miniaturformat
Insekten bieten sich aufgrund ihrer Größe, Effizienz und erstaunlichen Fähigkeiten als ideale Vorbilder für die Entwicklung von Mikrorobotern an. Ihre hoch entwickelten Flugeigenschaften, Fortbewegungsmechanismen und Anpassungsfähigkeiten haben Forscher weltweit dazu inspiriert, diese biologischen Systeme technisch nachzubilden.
RoboBee: Der fliegende Mikroroboter von Harvard
Eines der bekanntesten Beispiele für insekteninspiierte Robotik ist die RoboBee der Harvard University. Dieser winzige fliegende Roboter wiegt nur ein Zehntel Gramm und hat eine Flügelspannweite von nur 3 Zentimetern. Die RoboBee besteht aus drei Hauptkomponenten: dem Körper aus Kohlefaser, den hauchdünnen Flügeln und dem „Gehirn”, das aus einer Reihe intelligenter Sensoren besteht.
Die Flügel werden von piezoelektrischen Aktuatoren angetrieben – eine Art künstliche Muskeln, die elektrische Energie in Bewegung umwandeln. Diese Technologie ermöglicht es dem Mikroroboter, wie eine echte Biene zu fliegen, zu schweben und komplexe Manöver durchzuführen.
Weitere Beispiele insekteninspiierter Mikroroboter
An der University of California, Berkeley, haben Ingenieure einen noch kleineren insekteninspirierten Flugroboter entwickelt. Mit einem Durchmesser von weniger als 1 cm und einem Gewicht von nur 21 mg ist er der kleinste drahtlose Roboter der Welt, der kontrolliert fliegen kann. Anders als die RoboBee nutzt dieser Roboter jedoch externe Magnetfelder als Antrieb und zur Steuerung.
Bionik-Forscher am Georgia Institute of Technology haben wiederum Mikro-Roboter entwickelt, die das Verhalten von Ameisen nachahmen. Diese winzigen Roboter sind gerade einmal 1,8 Millimeter breit, 0,8 Millimeter dick und wiegen ungefähr 5 Milligramm. Die Vision der Forscher: Schwärme dieser elektronischen Insekten könnten in der Landwirtschaft die Bestäubung von Pflanzen übernehmen.
Die Herausforderung des sicheren Landens
Eine der größten Herausforderungen für fliegende Mikroroboter ist die sichere Landung. Aufgrund ihrer geringen Größe und ihres leichten Gewichts sind sie besonders anfällig für Luftverwirbelungen und Instabilitäten, vor allem in Bodennähe.
Das Landeproblem der RoboBee
„Bisher haben wir bei einer Landung das Fahrzeug über dem Boden ausgeschaltet, es einfach fallen gelassen und gebetet, dass es aufrecht und sicher landet”, erklärt Christian Chan, ein Doktorand am Harvard-Forschungsteam. Diese unkontrollierte Landung stellte ein erhebliches Risiko für die empfindlichen piezoelektrischen Aktuatoren und filigranen Flügel des Roboters dar, die durch einen Aufprall leicht beschädigt werden könnten.
Das Problem wurde durch den sogenannten Bodeneffekt verschärft – Luftverwirbelungen, die durch die schlagenden Flügel ausgelöst werden und zu Instabilität bei der Landung führen. Diese aerodynamischen Herausforderungen machen es für winzige Flugroboter besonders schwierig, kontrolliert zu landen.
Von Schnaken inspirierte Landelösung
Um dieses Problem zu lösen, schauten sich die Wissenschaftler der Harvard University die Kranichfliege (Schnake) an, ein Insekt mit ähnlichen Dimensionen wie die RoboBee. Die Kranichfliege ist in der Lage, auf verschiedensten Untergründen elegante Landungen zu vollführen, dank ihrer langen, gelenkigen Beine, die Landungen abdämpfen können.
Inspiriert von diesem natürlichen Vorbild, entwickelte das Team ein neues Landegestell für die RoboBee: vier lange, gelenkige Beine, ähnlich denen der Kranichfliege. Diese Beine sind lang und flexibel genug, um alle sicher Bodenkontakt herzustellen, bevor der Hauptkörper des Roboters von den problematischen Luftturbulenzen beeinträchtigt wird.
Neben den mechanischen Verbesserungen passten die Wissenschaftler auch die Flugsteuerung des Roboters an, wobei sie sich am Landeverhalten von Kranichfliegen orientierten. Diese beschleunigen aus einem Schwebeflug heraus, bremsen dann in Richtung Landeziel ab und setzen mit einer geringen Aufprallgeschwindigkeit auf. Die noch vorhandene Aufprallenergie wird dann vom mechanischen Landegestell aufgenommen.
Alternative Landetechniken für Mikroroboter
Eine andere von Insekten inspirierte Landetechnik wurde von Forschern der Harvard University für frühere Versionen der RoboBee entwickelt. Während echte Insekten zum Festhalten an vertikalen Flächen oft eine Art Klebstoff nutzen, setzten die Forscher auf elektrostatische Anziehung, um den Roboter an einer Unterlage zu heften. Dieser Ansatz benötigt nur eine geringe Menge Energie, um den leichten Roboter zu fixieren.
Eine weitere bemerkenswerte Entwicklung stammt von der Nanjing University of Aeronautics & Astronautics (NUAA), wo Forscher einen Insektenroboter entwickelt haben, der Flug- und Kletterfähigkeiten kombiniert. Dieser Roboter kann auf einer vertikalen Wand landen, daran entlang klettern und wieder abheben – eine Fähigkeit, die er an verschiedenen Materialien wie Glas, Holz, Marmor und sogar Baumrinde demonstrieren konnte.
Biomimetische Ansätze jenseits der Landetechnik
Die Natur inspiriert Robotiker nicht nur bei der Entwicklung von Landetechniken, sondern in zahlreichen Aspekten der Mikrorobotik. Von Fortbewegungsmechanismen über Haftsysteme bis hin zu Antriebskonzepten – die Natur bietet ein reichhaltiges Reservoir an Lösungen.
Fortgeschrittene Bewegungssysteme
Ein Forschungsteam der Harvard Universität hat einen Mikro-Insektenroboter namens “Little Fury” mit einem künstlichen „Schwanz” entwickelt, der von Springschwänzen inspiriert ist. Dieser Roboter kann beeindruckende 1,4 Meter springen, was dem 23-fachen seiner Körperlänge entspricht. Der Sprungmechanismus basiert auf der „Furcula” der Springschwänze, die wie eine gespannte Feder funktioniert.
An der TU Ilmenau haben Forscher im Fachbereich Biomechatronik eine kleine Roboterraupe gebaut, die mit dem sogenannten „Gecko-Tape” ausgestattet ist. Dieses Material wurde von den Haftmechanismen von Geckos, Spinnen und Käfern inspiriert, die ohne Klebeflüssigkeiten an vertikalen Flächen und sogar an der Decke laufen können.
Autonome Navigation und Schwarmverhalten
Ein weiterer wichtiger Bereich der biomimetischen Robotik ist die autonome Navigation. Wissenschaftler der schwedischen Universität Lund haben auf Basis des Ausweichverhaltens von Insekten ein Konzept für ein neues Drohnen-Orientierungs-System entwickelt. Die Beobachtungen haben gezeigt, dass Bienen sich bei der Navigation an der Lichtintensität orientieren, um Hindernissen auszuweichen.
Forscher in Ungarn haben wiederum das Schwarmverhalten von Insekten auf Drohnen übertragen. Mithilfe eines neu entwickelten Algorithmus können bis zu neun einzelne Fluggeräte in Formation fliegen und so auch in unübersichtlichen Umgebungen wie Städten navigieren.
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Anwendungspotenzial und Zukunftsperspektiven
Die von Insekten inspirierten Mikroroboter versprechen eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen.
Landwirtschaft und Umweltüberwachung
Eine der faszinierendsten potenziellen Anwendungen ist die künstliche Bestäubung. Angesichts des weltweiten Rückgangs von Bienenpopulationen könnten Schwärme von RoboBees eines Tages bei der Bestäubung von Pflanzen helfen. Darüber hinaus könnten diese Mikroroboter beim Umweltmonitoring eingesetzt werden, um Daten über Umweltbedingungen zu sammeln, die für größere Drohnen unzugänglich sind.
Erkundung und Katastrophenhilfe
Dank ihrer geringen Größe könnten insekteninspiierte Mikroroboter bei der Erkundung von engen Räumen, zusammengestürzten Gebäuden oder anderen komplexen Umgebungen eingesetzt werden. In Katastrophengebieten könnten sie wertvolle Informationen liefern, ohne Menschen in Gefahr zu bringen.
Medizinische Anwendungen
Langfristig könnten miniaturisierte Roboter sogar im medizinischen Bereich eingesetzt werden. Schwärme winziger Roboter könnten möglicherweise Diagnosen durchführen oder sogar Behandlungen im menschlichen Körper vornehmen.
Aktuelle Grenzen und zukünftige Entwicklungen
Trotz der beeindruckenden Fortschritte stehen insekteninspiierte Mikroroboter noch vor erheblichen Herausforderungen. Derzeit ist die RoboBee beispielsweise noch per Kabel mit externen Steuerungssystemen verbunden, was ihre Mobilität einschränkt. Die Forscher arbeiten daran, die Sensorik, Steuerung und Energieversorgung zu miniaturisieren, um sie direkt in den Flugroboter einbauen zu können.
Die Miniaturisierung dieser Komponenten gilt als „dreifacher Heiliger Gral” der Mikrorobotik und stellt enorme technische Herausforderungen dar. Dennoch ist die Vision der Forscher klar: vollständig autonome Schwärme von Mikrorobotern, die komplexe Aufgaben in verschiedenen Umgebungen ausführen können.
Die Natur als Ingenieur: Fortschritte in der Mikrorobotik
Die Biomimetik hat die Entwicklung der Mikrorobotik revolutioniert, indem sie Ingenieuren ermöglicht, von Millionen Jahren evolutionärer Optimierung zu profitieren. Die jüngsten Fortschritte bei insekteninspirierten Landetechniken für Mikroroboter wie die RoboBee demonstrieren eindrucksvoll das Potenzial dieses Ansatzes.
Durch die Nachahmung natürlicher Systeme entwickeln Forscher nicht nur effizientere und robustere Roboter, sondern gewinnen auch wertvolle Einblicke in die biologischen Mechanismen selbst. Wie Alyssa Hernandez, Postdoktorandin und Co-Autorin der RoboBee-Studie, erklärt: „Wir können diese Roboterplattformen als Werkzeuge für die biologische Forschung nutzen und Studien durchführen, die biomechanische Hypothesen testen.”
Die Zukunft der biomimetischen Robotik verspricht weitere faszinierende Entwicklungen, während Forscher weiterhin die unerschöpfliche Inspirationsquelle der Natur anzapfen, um die technischen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Der Weg von der Beobachtung natürlicher Phänomene zu ihrer technischen Umsetzung ist nicht immer einfach, aber wie die Erfolgsgeschichte der RoboBee zeigt, kann er zu bahnbrechenden Innovationen führen, die das Potenzial haben, zahlreiche Bereiche unseres Lebens zu revolutionieren.
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