Veröffentlicht am: 1. Februar 2025 / Update vom: 1. Februar 2025 – Verfasser: Konrad Wolfenstein
VDMA-Prognosen: Ist die Zukunft der Robotik in Gefahr?
Die Herausforderungen der deutschen Robotik und Automation: Ein Weckruf für Innovation und Wandel
Die deutsche Robotik- und Automationsbranche, einst ein Symbol für Ingenieurskunst und technologische Exzellenz, befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Die jüngsten Prognosen des Branchenverbandes VDMA zeichnen ein düsteres Bild: Für das Jahr 2025 wird ein Umsatzrückgang von neun Prozent auf 13,8 Milliarden Euro erwartet, nachdem bereits im Vorjahr ein Minus von sechs Prozent auf 15,2 Milliarden Euro zu Buche stand. Diese Zahlen sind mehr als nur bloße Statistiken; sie sind ein Weckruf, der die Notwendigkeit eines tiefgreifenden Wandels und strategischer Neuausrichtungen innerhalb der Branche und ihrer Rahmenbedingungen unterstreicht.
Die Ursachen des Abwärtstrends: Mehr als nur konjunkturelle Schwankungen
Die aktuellen Schwierigkeiten der deutschen Robotik- und Automationsindustrie lassen sich nicht allein auf vorübergehende konjunkturelle Schwankungen zurückführen. Vielmehr handelt es sich um eine Kombination aus strukturellen Problemen, die ein umfassendes Umdenken erfordern. Ein wesentlicher Faktor ist die übermäßige Abhängigkeit von der Automobilindustrie. Diese traditionell wichtigste Kundengruppe der Branche musste im Jahr 2024 einen deutlichen Rückgang der Inlandsaufträge um 16 Prozent hinnehmen. Diese Entwicklung verdeutlicht, wie anfällig die deutsche Robotik für die Höhen und Tiefen einzelner Branchen ist und wie dringend eine Diversifizierung der Absatzmärkte geboten ist.
Ein weiterer Stolperstein sind die Wettbewerbsnachteile aufgrund hoher Kosten und regulatorischer Hürden am Standort Deutschland. Die vergleichsweise hohen Lohnkosten, die komplexen Genehmigungsprozesse und die bürokratischen Auflagen erschweren es den Unternehmen, im globalen Wettbewerb mitzuhalten. Darüber hinaus hat die Nachfrageschwäche im Ausland die Situation zusätzlich verschärft. Während die Auftragseingänge aus der Eurozone um 44 Prozent stiegen, verzeichneten die Exporte in alle anderen Regionen einen Rückgang von 13 Prozent, was zu einem Gesamtrückgang der Auslandsaufträge um 2 Prozent führte. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die deutsche Robotik nicht nur mit hausgemachten Problemen zu kämpfen hat, sondern auch im internationalen Wettbewerb an Boden verliert.
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Ein Blick auf die Auftragslage: Die Fakten sprechen für sich
Die Auftragslage im Jahr 2024 liefert ein detailliertes Bild der Herausforderungen, mit denen die deutsche Robotik- und Automationsbranche konfrontiert ist. Während die Inlandsaufträge um 16 Prozent zurückgingen, sanken die Auslandsaufträge um 2 Prozent. Lediglich die Exporte in die Eurozone verzeichneten mit einem Plus von 44 Prozent eine positive Entwicklung. Dieser Umstand unterstreicht, dass die deutsche Robotik ihre Abhängigkeit von einzelnen Absatzmärkten überdenken und neue strategische Partnerschaften anstreben muss. Die Exporte außerhalb der Eurozone hingegen erlitten einen deutlichen Einbruch von 13 Prozent. Hier zeigt sich die Notwendigkeit, in diesen Märkten neue Strategien und Vertriebskonzepte zu entwickeln, um das Vertrauen und die Nachfrage zurückzugewinnen.
Die Forderungen des VDMA: Ein Aufruf zum Handeln
Dr. Dietmar Ley, Vorsitzender des VDMA, hat eindringlich Reformen gefordert, die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen. Er betonte, dass die Unternehmen ihre Innovationszyklen beschleunigen, agiler werden und ihre Kostenstrukturen optimieren müssen. Diese Forderung zielt darauf ab, die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Robotikunternehmen zu stärken und sie in die Lage zu versetzen, schneller auf die sich ändernden Marktanforderungen zu reagieren.
Gleichzeitig appellierte Ley an die Politik, die Regulierungshemmnisse abzubauen und wettbewerbsfähigere Rahmenbedingungen zu schaffen. Es ist entscheidend, dass die Politik die richtigen Weichen für die Zukunft stellt, indem sie Bürokratie abbaut, Forschung und Entwicklung fördert und die Unternehmen in der Bewältigung des Strukturwandels unterstützt. Trotz der aktuellen Herausforderungen hob der Verband hervor, dass die langfristigen Wachstumstrends wie die Digitalisierung der Industrie und die Energiewende intakt seien. Die Branche ist demnach durchaus in der Lage, wieder eine führende Rolle im globalen Markt zu übernehmen. Entscheidend dafür ist, dass jetzt die richtigen Entscheidungen getroffen und die notwendigen Veränderungen eingeleitet werden.
Strategische Brancheninitiativen: Kooperation und Innovation als Schlüssel zum Erfolg
Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Robotik und Automation wiederherzustellen, sind umfassende strategische Initiativen erforderlich. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Bildung von Konsortien für Schlüsseltechnologien. Diese branchenübergreifenden Kooperationen ermöglichen es, innovative Anwendungen wie die Brennstoffzellenproduktion zu skalieren und die Entwicklung neuer Technologien zu beschleunigen. Ein solches Vorgehen würde es deutschen Unternehmen erlauben, ihre Kräfte zu bündeln und gemeinsam eine stärkere Position im globalen Wettbewerb einzunehmen.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Schaffung eines Datenökosystems („Manufacturing-X“). Eine solche Plattform würde die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Produktion vereinfachen und die Entwicklung intelligenter und vernetzter Produktionsprozesse vorantreiben. Mit dem Datenaustausch und dem Zugriff auf umfassende Informationen könnten Unternehmen ihre Prozesse effizienter gestalten und innovative Produkte entwickeln. Dies wäre ein großer Schritt nach vorne, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Robotikindustrie zu sichern.
Ebenso wichtig ist die Diversifizierung der Absatzmärkte. Die übermäßige Abhängigkeit von der Automobilindustrie hat sich als gefährlich erwiesen. Daher müssen neue Wachstumsbereiche wie die Laborautomation, die Logistik und die erneuerbaren Energien erschlossen werden. Diese Diversifizierung würde es der deutschen Robotik ermöglichen, ihre Resilienz zu erhöhen und ihre Abhängigkeit von einzelnen Branchen zu reduzieren. Die Erschließung neuer Anwendungsfelder würde zudem das Wachstum der Branche ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen.
Bildungs- und Forschungsförderung: Investition in die Zukunft
Eine zukunftsfähige Robotik- und Automationsbranche benötigt hochqualifizierte Fachkräfte. Um den steigenden Bedarf an Experten zu decken, ist eine Verdopplung der Studienplätze in Robotik und Automation bis 2028 unerlässlich. Diese Maßnahme würde sicherstellen, dass genügend junge Talente ausgebildet werden, um die Branche in den kommenden Jahren zu tragen.
Darüber hinaus ist die Einführung eines verpflichtenden Schulfachs Technik von entscheidender Bedeutung. Dieses Fach würde bereits in jungen Jahren das Interesse an technischen Berufen wecken und die Basis für eine spätere Karriere in der Robotik und Automation schaffen. Frühzeitige Qualifizierung ist der Schlüssel, um die zukünftigen Fachkräfte zu gewinnen, die die Innovationen von morgen gestalten.
Gleichzeitig ist es notwendig, die Spitzenforschung in Robotersicherheit, Mensch-Roboter-Kollaboration und Künstliche Intelligenz (KI) auszubauen. Durch die Erforschung dieser Themen kann die deutsche Robotik eine Vorreiterrolle einnehmen und neue Standards für den sicheren und effizienten Einsatz von Robotern in der Industrie und anderen Bereichen setzen. Die Förderung von Forschung und Entwicklung ist die Grundlage für technologischen Fortschritt und die Schaffung innovativer Produkte und Prozesse.
Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen: Die Weichen für Erfolg stellen
Die Politik spielt eine entscheidende Rolle bei der Schaffung eines wettbewerbsfähigen Umfelds für die deutsche Robotik. Ein wichtiger Schritt ist der Abbau regulatorischer Hürden. Diese Maßnahme würde die Standortkosten senken und es den Unternehmen erleichtern, in Deutschland zu produzieren und zu investieren. Bürokratische Auflagen sollten daher überprüft und vereinfacht werden, um den Unternehmen den Einstieg zu erleichtern und die notwendige Flexibilität zu gewährleisten.
Darüber hinaus sind Investitionsanreize für Anwender unerlässlich, um die Automatisierungsquote zu steigern. Unternehmen sollten durch steuerliche Anreize oder Zuschüsse dazu ermutigt werden, in neue Technologien und Automatisierungslösungen zu investieren. Eine höhere Automatisierungsrate ist entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Produktivität zu steigern.
Des Weiteren ist es notwendig, günstigere Finanzierungskonditionen zu schaffen, insbesondere für Start-ups und kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Der Zugang zu Kapital ist für diese Unternehmen oft schwierig, und eine verbesserte Finanzierung würde es ihnen ermöglichen, innovative Projekte umzusetzen und in neue Technologien zu investieren.
Globale Wettbewerbsfähigkeit: Die Herausforderung annehmen
Die deutsche Robotik- und Automationsbranche muss sich der Herausforderung des globalen Wettbewerbs stellen. Die staatlich subventionierte Konkurrenz aus Asien und Nordamerika stellt eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Daher sind industriepolitische Antworten erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu sichern.
Zusätzlich muss die Exportförderung gestärkt werden, insbesondere für die Nicht-Eurozonen-Märkte, die 2024 einen Nachfrageeinbruch von 13 Prozent verzeichneten. Deutsche Unternehmen müssen neue Strategien und Vertriebskonzepte entwickeln, um in diesen Märkten wieder erfolgreich zu sein.
Unternehmensseitige Reformen: Agilität und Innovationskraft stärken
Die Unternehmen selbst müssen ebenfalls ihren Beitrag leisten, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Robotik wiederherzustellen. Eine wichtige Maßnahme ist die Beschleunigung von Innovationszyklen durch agile Prozesse und Kostenoptimierung. Unternehmen müssen schneller auf Marktveränderungen reagieren, innovative Produkte entwickeln und ihre Produktionsprozesse effizienter gestalten. Die Bereitschaft zu Veränderungen ist der Schlüssel, um in einem dynamischen Markt erfolgreich zu sein.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist der Ausbau der Service-Robotik. Deutschland sollte eine globale Technologieführerschaft in diesem Bereich anstreben. Die Entwicklung von Servicerobotern ist ein Wachstumsmarkt mit großem Potenzial. Hier bietet sich deutschen Unternehmen eine Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben und neue Märkte zu erschließen.
Die Zukunft der deutschen Robotik: Ein Appell an alle Akteure
Die deutsche Robotik- und Automationsbranche steht vor einer Weggabelung. Die Kombination aus brancheninternen Anpassungen und politischer Unterstützung ist der Schlüssel, um die Herausforderungen zu bewältigen und die langfristigen Wachstumstrends zu nutzen. Die Digitalisierung der Industrie und die Energiewende bieten enorme Chancen, die es zu ergreifen gilt. Es liegt nun an allen Akteuren, gemeinsam die notwendigen Schritte einzuleiten, um die deutsche Robotik wieder auf den Weg des Erfolgs zu führen. Die Zukunft der deutschen Robotik wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, die aktuellen Herausforderungen anzunehmen und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. Nur so kann die deutsche Robotik ihre einstige Spitzenposition zurückgewinnen und auch in Zukunft eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft sein.
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